Mein Feind der Baum

Wir mögen Wälder. Und wir sind betroffen, wenn sie sterben, zum Beispiel wenn sie gerodet werden oder bei einem Waldbrand verschwinden. Wälder haben etwas Erholsames und sie sind ein Ort, an dem wir wieder Energie tanken können. Nicht umsonst sind Waldspaziergänge oder -läufe bei vielen Menschen so beliebt.

Und natürlich sind sie wichtig bei der Rettung unseres Klimas, sind sie doch CO2-Speicher und Lieferant für ökologische Baumaterialen zugleich. Allerdings geht in diesen von uns oft als so friedfertig wahrgenommenen Gebieten auch dramatisch zu. Nein, glücklicherweise streift nicht durch jeden Wald ein Bär auf Koks, aber dennoch ist der Wald ein gefährlicherer Ort, als wir vielfach vermuten mögen.

Nicht alle Bäume sind umarmungswürdig

Bäume sind nicht nur freundliche Gesellen, die unsere Umwelt etwas grüner gestalten und die Luft säubern, die wir mit Abgasen so schön verpesten. Nein, auch sie haben sich in und gegen ihre Umwelt durchzusetzen und sind dabei nicht immer die netten Zeitgenossen von nebenan. Diese dunkle und moosbewachsene Seite der Bäume beleuchtet der Autor Markus Bennemann in seinem Buch Böse Bäume – Wie sie töten, stehlen, Feuer legen – die dunkle Seite unserer liebsten Waldbewohner, das – versehen mit wunderbaren Illustrationen von Janine Czichy – im Goldmann Verlag erschienen ist.

In zwölf Kapiteln widmet sich Bennemann unseren großen und kleinen meist grünen Freunden und deren Strategien, wie sie sich gegen die Konkurrenz durchsetzen. Das geht von der gemeinen Würgefeige über die böse Walnuss, die leafspreading Buche, den heißen Eukalyptus und schmarotzende Sandelhölzer bis hin zu Eiben, nach Sperma duftenden Götterbäumen oder dornige Chancen, äh Akazien, um nur einige zu nennen.

Das Leben – ein ewiger Kampf

Jeder dieser Bäume und der in dieser Aufzählung fehlenden hat seine ganz eigene Strategie, um sich gegen seine Konkurrenz durchzusetzen. Denn eines wird bei Bennemann ziemlich schnell klar: Die hier genannten Bäume sind nicht einfach böse, weil das ihre Natur ist, sondern sie stehen in Konkurrenz mit ihrer Umwelt um Ressourcen.

Häufig ist das Licht und/oder Wasser und hierfür schmarotzen sie gerne einmal bei ihren Nachbarn. Oder sie nehmen diesen jede Möglichkeit, selbst an diese Ressourcen zu kommen. Das ist auf keinen Fall nett, aber im Bild des von Darwin ausgerufenen Survival of the fittest eigentlich nur eine logische Konsequenz der Natur. So reißerisch also Markus Bennemanns Buchtitel klingen mag, eigentlich beschreibt er nichts anderes als die Evolution in der Praxis.

Nicht trocken, dafür tiefgründig

Das ist gar nicht schlimm, ganz im Gegenteil. Wir tendieren ja oft zur Schönfärberei und lassen negative Aspekte der Realität außer Acht (oder gleiten auch mal ins andere Extrem). Bennemann macht das in seinem Buch anders: Er zeigt uns, welche teils hanebüchenen und dennoch beeindruckenden Strategien Bäume sich zurechtgelegt und herausgebildet haben, um sich gegen ihre Konkurrenz durchzusetzen. Wenn jemand den Kapitalismus und die Leistungsgesellschaft also als ungerecht und unnatürlich kritisiert, dann soll sie oder er ruhig in die Welt der Bäume und Pflanzen gucken – dort gibt es genügend Beispiele, die vor Machtspielchen nur so strotzen.

Das kommt in Böse Bäume alles andere als schaurig oder trocken daher, ganz im Gegenteil. Markus Bennemann, der unter anderem auch Kinderbücher oder Krimis schreibt, schafft es auf eine sehr humorvolle Art und Weise, uns darzulegen, wie die behandelten Bäume sich gegen ihre Konkurrenz durchsetzen. Das ist nicht staubtrocken (wie der Boden unter manchen der behandelten Gewächse), sondern an vielen Stellen überaus unterhaltsam und gleitet häufig sogar in eine feine Ironie hinein.

Dramaturgie rulez

Die Kapitel können im Prinzip unabhängig voneinander gelesen werden, bauen sie doch nicht inhaltlich aufeinander auf, wenn Bennemann an einigen Stellen allerdings durchaus auf die Erkenntnisse, die wir aus einem vorherigen Kapitel gewonnen haben, verweist. Ein Lesen in Reihenfolge ist also nicht Pflicht, sei aber empfohlen, denn ansonsten drohen vereinzelte Querverweise nicht zu funktionieren und die feinsinnig er- und durchdachte Dramaturgie gebrochen zu werden.

Außerdem nimmt das Buch auch auf der Humorschiene mit jedem Kapitel mehr und mehr Fahrt auf. Das gilt zumindest bis zu einem gewissen Punkt, nämlich bis einschließlich dem Kapitel zur Eibe. An dieser Stelle nämlich vollzieht Bennemann einen inhaltlichen Bruch, den er zwar erklärt, der aber zumindest für mich ein wenig das Tempo rausgenommen hat. Böse Bäume bleibt auch danach kurzweilig, humorvoll und lehrreich, aber wir merken, dass sich hier in der Vorgehensweise bzw. der Perspektive eine leichte Verschiebung auftut und sich die Perspektive etwas wandelt. Das ist nicht schlimm, einfach ein wenig anders.

Mit Charme und Humor durch die Abgründe der Pflanzenwelt

Nichtsdestoweniger ist Böse Bäume ein überaus informatives, erzählendes Sachbuch, das sehr gut und für Laien nachvollziehbar die dunkle Seite ausgewählter Bäume und ebenso die Wirkmechanismen in der Natur illustriert. So dunkel ist diese nicht, denn wir alle stehen im Wettstreit mit anderen Lebewesen und jedes Tier, jede Pflanze und jeder Mensch hat sich eine Strategie zurechtgelegt, wie sie oder er sich gegenüber anderen behauptet.

Markus Bennemann führt uns mit Charme und Humor durch ein paar Abgründe der Pflanzenwelt, unterhält uns dabei gut und lehrt uns darüber hinaus noch, welcher Baum seine Umgebung vergiftet, welcher sie austrocknet, welcher Feuer legt, warum Waldbrände auch etwas Gutes haben können und wieso Parasiten vielleicht doch nicht immer so schlimm sind, wie wir denken. Ein überaus empfehlenswertes Buch, das manch einen Lacher bereithält.

HMS

Boese Baeume von Markus Bennemann

Eine Leseprobe findet ihr hier.

Markus Bennemann (Text), Janine Czichy (Illustrationen): Böse Bäume – Wie sie töten, stehlen, Feuer legen – die dunkle Seite unserer liebsten Waldbewohner; November 2022; Klappenbroschur; 272 Seiten, ca. 20 s/w-Abbildungen; ISBN 978-3-442-31676-2; Goldmann Verlag; 18,00 €

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