Nur gestalten, nicht verwalten

Bundesinnenminister Horst Seehofer ist ja für seinen ganz eigenen Humor bekannt. Vor knapp zwei Jahren machte er mit einer geschmacklich mehr als fragwürdigen Äußerung zur Abschiebung von 69 Afghanen an seinem 69. Geburtstag auf sich aufmerksam. Letzte Woche konnte man seinen Humor erneut bewundern – oder war es bitterer Ernst?

Die Posse um die Pkw-Maut ist gut bekannt. Keiner wollte sie, nur die CSU als Wahlkampfschlager und mit ihr ganz besonders ihr Vorsitzender, der Seehofer damals war. Die Sinnhaftigkeit und die erwarteten Erträge waren von Anfang an fragwürdig und die komplizierte Vereinbarkeit mit EU-Recht konnte nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs im vergangenen Juni nicht erreicht werden.

Die parlamentarische Aufarbeitung läuft

Das Debakel wird nun parlamentarisch in einem Untersuchungsausschuss verarbeitet – vermutlich wird der Steuerzahler in mindestens dreistelliger Millionenhöhe Schadenersatz zahlen müssen, da Verträge zu früh geschlossen wurden. Seehofer war letzte Woche nun vor dem Untersuchungsausschuss als Zeuge geladen. Und im Rahmen dieser Aussage gab er offenbar zu Protokoll, dass für ihn (als CSU-Chef und bayerischen Ministerpräsidenten) nur wichtig gewesen sei, die Maut politisch zu realisieren, die administrative Umsetzung jedoch nicht.

Wie bitte? Hat Seehofer etwa zu lange mit der wohl bekanntesten Modelleisenbahn der Republik gespielt? Ein Politiker, der für die innere Sicherheit des Landes verantwortlich ist, der Leiter des Verfassungsminiteriums ist, wofür das Innenministerium nämlich auch die Zuständigkeit hat, sagt, dass es ihm nicht wichtig sei, wie Politik administrativ umgesetzt wird? 

Beim Regieren auf die eigenen Leute hören

Als Seehofer sein aktuelles Amt antrat, wurde oft bemängelt, dass er der erste Innenminister sei, der nicht Jurist sei. Stattdessen ist Seehofer Verwaltungsbetriebswirt – eine Ausbildung, die durchaus ein bedeutendes Maß an verwaltungsrechtlicher Ausbildung mit sich bringt und alles andere als trivial ist. Und dieser Mann sagt nun, dass es ihm egal sei, wie die von ihm diktierte Politik (längst nicht alle CSU-Politiker waren für die Einführung der Maut) am Ende umgesetzt wird? Als Dienstherr tausender Beamter und Beschäftigter im öffentlichen Dienst hat sich Seehofer damit eigentlich disqualifiziert.

Es ist erstaunlich, dass die Opposition so wenig aus dieser Aussage macht – oder auch der zuweilen ja doch kratzbürstige Koalitionspartner von der SPD. Aber stimmt, die SPD steht ja mit der Grundrente vor einem ähnlichen Problem. Die Deutsche Rentenversicherung warnt seit Monaten, dass die Pläne zur Grundrente administrativ nicht bis zum Wunschdatum 1. Januar 2021 machbar seien, die SPD hält aber an der Grundrente so energisch fest wie an der 15-Prozent-Hürde in Umfragen. 

Politiker und Mitglieder einer Regierung sind gut beraten, auf die Expertise aus ihren Häusern zu vertrauen. An dieser Stelle sei erneut auf das sehr lesenswerte Buch Regieren von Seehofers Amtsvorgänger Thomas de Maizière verwiesen, das wir bereits im Winter besprochen haben. Denn Politik gegen sie zu machen, bringt das Land auch nicht vorwärts.

HMS

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