Seehofer, Satire und Sensibilitäten

Die Posse um Bundesinnenminister Horst Seehofer und seine doch nicht erstattete Anzeige gegen die Tageszeitung taz wegen der Kolumne „All Cops are berufsunfähig“ von Hengameh Yaghoobifarah beschäftigt seit nunmehr einer Woche die politische Republik. Die einhellige Meinung ist, dass er mit seiner Anzeigedrohung über das Ziel hinausgeschossen ist – zurecht, denn als Innen- und Verfassungsminister sollte er ein besonders strenger Hüter des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung sein. Für derlei Auseinandersetzungen gibt es den Deutschen Presserat, an den er sich wohl auch gewendet hat.

Es lacht die AfD

Dennoch ist die Sache nun genau wie die von Seehofer verantwortete und gescheiterte Pkw-Maut in der Welt und ganz ungewollt könnte jemand anderes von der Angelegenheit profitieren: die AfD. Seit Monaten schon flutet die AfD die Bundesregierung mit Anfragen um Korrekturbitten aller möglicher Organe der Bundesverwaltung. Sie fragt immer wieder nach, welche Berichterstattung die Bundesbehörden – ggf. unter anwaltschaftlicher Beratung – bei Redaktionen monieren und verfestigt so stetig ihr Narrativ der von der Politik beeinflussten „Systemmedien“ – auch wenn die Zahl der tatsächlichen Korrekturbitten mehr als marginal ist.

Seehofer hat der AfD nun mehr als öffentlichkeitswirksam ein Beispiel geliefert, wie auch er es schafft, öffentlicher Berichterstattung vermeintliche Hetze zu unterstellen. In der taz-Kolumne geht es zwar um Polizisten und Polizeistrukturen in den USA, aber dennoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass sich auch Polizisten in Deutschland angesprochen fühlen dürften. Seehofer hat daher recht, wenn er sich als oberster Dienstherr tausender Bundespolizisten vor seine Leute stellt und vor deren Kollegen, die unter der Obhut der Länder stehen. Aber dennoch ist seine Anzeigendrohung eine massive Kritik an der freien Presse, die er durch unabhängige Gerichte klarstellen lassen wollte. Er spielt der AfD somit politisch in die Hände.

Presse- und Meinungsfreiheit legitimieren keine Geschmacklosigkeiten

Kritik muss sich die taz aber dennoch gefallen lassen, vor allem für die Antwort auf die rhetorische Frage, was mit Polizeibeamten passieren solle, wenn die Polizei aufgelöst würde: „Spontan fällt mir nur eine geeignete Option ein: die Mülldeponie. Nicht als Müllmenschen mit Schlüsseln zu Häusern, sondern auf der Halde, wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind. Unter ihresgleichen fühlen sie sich bestimmt auch selber am wohlsten.“ Ob der American Eagle oder der Bundesadler auf den Uniformen der Betroffenen prangt, scheint hier egal zu sein.

Es heißt immer, dass Satire – und als solche wird der Beitrag der Autorin deklariert – alles dürfe. Das stimmt größtenteils. Art. 5 Abs. 2 des Grundgesetzes garantiert dies, auch wenn der Meinungsfreiheit durchaus Schranken gesetzt sind, zum Beispiel wenn die persönliche Ehre angegriffen wird. Das lässt jedoch auf Personengruppen zumeist nicht übertragen. Allzu geschmacklos sollte es dann doch nicht werden.

Und hier liegt die Verantwortung der Redaktion: Sie sollte durchaus überprüfen, wo es zu geschmacklos wird. Als ein wohlbekannter AfD-Politiker vor einigen Jahren forderte, die damalige Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, „in Anatolien zu entsorgen“, bezeichnete ein Redakteur der taz dies als „rassistisch“, „entmenschlichend“, es „bedient Gewaltfantasien – und es ist kalkulierte Provokation.“

Weiter unten heißt es bei ihm: „Jedes Wochenende kämpfen Menschen in Deutschland bei Grillpartys damit, dass ihre Angehörigen sich die Sprache der Rechtspopulisten zu eigen machen. Täglich kämpfen Menschen in Deutschland mit der Furcht davor, selbst Ziel derartiger Hasstiraden zu werden. Oder davor, dass aus der verbalen Gewalt eine physische wird.“

Die taz kann ihre Hände nicht in Unschuld waschen

Die Fälle des AfD-Politikers und der taz-Kolumne sind deshalb durchaus vergleichbar, weil sie beide Analogien aus dem Bereich der Entsorgung heranziehen. Bei dem AfD-Politiker wird darüber in dem Blatt gewettert. Bei der Kolumnistin heißt es, dass sie nur einen „satirisch geformten“ Gedanken entwickle, so ihr Anwalt, der gleichzeitig taz-Gründungsmitglied ist, am 23. Juni in dem Blatt. Dem unbenommen ist, dass es in der Redaktion hierzu unterschiedliche, und auch veröffentlichte, Haltungen gibt.

Bei der AfD wurde bereits im oben zitierten Kommentar ein Muster erkannt, wie sie sich bei verbalen Verfehlungen aus der Affäre zieht – oft weil „Aussagen aus dem Kontext gerissen“ seien. Nun greift die taz mitunter zu demselben Argument. Von einer Redaktion, die das Gebaren der AfD zurecht so häufig und massiv kritisiert, sollte man eigentlich erwarten, dass sie dieselben Standards und eine gewisse Sensibilität an den Tag legt, wenn es um das eigene Medium geht. Entsorgungsmetaphern jedenfalls erscheinen, um es mit Seehofers Amtsvorgänger Thomas de Maizière zu sagen, „ehrabschneidend“ und sollten von allen Seiten unterbleiben, um der Verrohung des öffentlichen Diskurses entgegenzuwirken.

HMS

Foto: Tom Fisk

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