Achtung! Nicht nur in den USA fand eine wichtige Wahl statt. Nein, auch in der kleinen baden-württembergischen Enklave namens Stuttgart wird gewählt. An diesem Sonntag können die Stuttgarter Bürgerinnen und Bürger ihre.n neue.n Oberbürgermeister.in wählen. Der Grüne-OB Fritz Kuhn ist mehr oder weniger überraschend nicht mehr angetreten und somit ist das Rennen einigermaßen offen, wenn auch nicht bis nach Łódź, Polen, aber dazu später mehr.
Natürlich ist auch die Stuttgarter LSBTTIQ*-Community erpicht darauf, mehr über die Person zu erfahren, die künftig hoffentlich auch ihre Interessen wahrnehmen könnte und zumindest nicht dafür sorgen sollte, dass queeres Leben in Stuttgart bestenfalls ein Schattendasein führen wird. Da durch die anhaltende Covid-19-Situation eine ausgiebige und öffentliche Diskussion unter den Kandidierenden zwar wünschenswert, aber nicht umsetzbar war, taten sich diverse Organisationen der Stuttgarter Regenbogen-Community zusammen und haben einen gemeinsamen ausführlichen Fragenkatalog für die Kandidat.innen entwickelt.
Vier Schwerpunkte & manches Schwammige
Vier Schwerpunkte machen den Fragenkatalog dabei aus: Akzeptanz, Verwaltung, Bedarfe und Partnerstädte (Łódź ist Partnerstadt Stuttgarts). In jeder Kategorie werden jeweils drei bis vier detaillierte Fragen gestellt, die die 14 Kandidatinnen und Kandidaten schriftlich beantworten konnten. Zwei haben nicht geantwortet, so zum Beispiel Michael Ballweg, ein Querdenker, der auch schon mal ein ärztliches Attest hatte, das ihm bescheinigte, keinen Mund-Nasen-Schutz tragen zu müssen, wie wir beim SWR nachlesen können. Mensch, toll.
Veronika Kienzle von den Grünen ist natürlich voll bei uns, das hat keinen großen Nachrichten wert. Auch wenig überraschend dürfte es sein, dass sich der im Grunde zur SPD gehörende, seine Mitgliedschaft aber für die Kandidatur ruhen lassen müssende Kandidat Marian Schreier (arbeitete mal als Redenschreiber im Bundestagsbüro von Peer-Mittelfinger-ins-Weinglas-Steinbrück) dezidiert fresh pro-queer äußert, was im Ton der Antworten einen Unterschied zum offiziellen SPD-Kandidaten Martin Körner macht.
Dr. Frank Nopper, der gern für die CDU ins Rathaus einziehen und die Zeit unter Fritz Kuhn zu einem Unfall gestaltet sehen würde, äußert sich weit offener als man das von manch einem CDUler erwarten würde. Allerdings finden sich dort ebenso viele Allgemeinplätze wie schwammige Semi-Versprechen.
Und der AfD-Kandidat so: „Nein.“
Das ehemalige CDU-Mitglied Malte Kaufmann ist seit 2017 in der AfD und gibt – Achtung! Spoiler! Überall die Antwort „Nein.“ Lediglich zwei Fragen beantwortet er überraschend anders und feinsinnig *hust*: Eine davon mit „Keine.“ Der letzte Punkt wird dann sehr interessant, ernsthaft. Dort geht es um Städtepartnerschaften mit Polen, einem Land, in dem große Teile des Staatsgebiets sich inzwischen zu „LSBT-freien Zonen“ erklärt haben (Łódź noch nicht). Er antwortete auf die Frage, wie er zu eben diesem Spannungsfeld stehe so: „Das sind Angelegenheiten in Polen, in die sich die Stadt Stuttgart nicht einzumischen hat..“ Egal wie man zu queeren Themen steht, ist die Antwort schlichtweg Unsinn. Städtepartnerschaften spiegeln einander und der Ruf der einen Stadt findet sich auch in dem der anderen wieder. Eine Einmischung in Form von (in)offiziellen Einlassungen ist das gang und gäbe und insbesondere in solchen Belangen das Mindeste.
Lohnenswert sind aber auch die Antworten einiger Parteiloser wie Hannes Rockenbauch (einer der auch über Stuttgart hinaus bekannteren Stuttgart-21-Kritiker), Issam Abdul-Karim und Marco Völker (dessen Antworten an mancher Stelle wunderbar drüber sind). Unterhaltsam und manches Mal ein wenig erschreckend sind die Antworten von Friedhild Miller, die für die Wählervereinigung FRiDi antritt und ihr Handeln unter das Motto „Liebe zu verschenken“ stellt, was hoffentlich nicht zu Missverständnissen in der Masse führt.
Informativ auch für Nicht-Stuttgarter
So ihr also noch am Abwägen seid oder euch die Standpunkte einzelner Kandidatinnen und Kandidaten interessieren, könnt ihr euch die gesamte Übersicht einmal kurz durchlesen. Die Antworten können auch für Nicht-Stuttgarter zumindest von einem gewissen Reiz sein, geben sie doch ein Stimmungsbild sowohl innerhalb der Parteien wie auch durch nicht wenige parteilose Kandidaten (alles Männer) in leicht abgeschwächter Form innerhalb der Gesellschaft wieder.
Erarbeitet wurde der Fragenkatalog vom Weissenburg e. V. Zentrum LSBTTIQ Suttgart, IG CSD Stuttgart e. V., LSVD Baden-Württemberg e. V., Projekt 100% MENSCH gUG, Frauenberatungs- und Therapiezentrum Stuttgart e. V. und Mission Trans
Unter anderem hier findet ihr alle Fragen und Antworten, wenn ihr ein wenig runter scrollt oder die .pdf anklickt, sowie weitere Informationen rund um die morgige Wahl.
Hier noch ein Link zum Online-Pride-Talk mit einigen der Kandidierenden aus dem Sommer, durchaus sehenswert.
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Eure queer-reviewer