Pfarrer Hans-Gerd ist nun Pfarrerin Elke

Am vergangenen Sonntag lief zu bester Vorabendsendezeit um 17:30 Uhr, also vor den Lottozahlen, der Tagesschau und dem ARD-Sommerinterview mit dem Linken-Politiker Bernd Riexinger im Rahmen der Reportage-Reihe Echtes Leben die Sendung Herr Pfarrer ist jetzt Pfarrerin – Elke und ihre Gemeinde. Für diese Sendung begleitete der Autor Manuel Rees die Pfarrerin Elke Spörkel, die zuvor Hans-Gerd hieß und unter diesem Namen 26 Jahre lang in der 5 000 Einwohner zählenden Gemeinde Haldern am Niederrhein predigte und sich um die 1 200 Menschen starke Kirchengemeinde kümmerte. Außerdem hat Elke Spörkel sieben Kinder und war zweimal verheiratet.

Der Film begleitet Elke Spörkel drei Jahre lang, erzählt aber natürlich auch aus ihrer Kindheit, ihrem bald zehn Jahre zurückliegenden Entschluss offiziell als Frau zu leben und von den großenteils unschönen Konsequenzen, die diese an sich unumgängliche Entscheidung mit sich brachte. Neben Pfarrerin Spörkel kommen weiterhin sowohl Mitglieder der Gemeinde, wie auch der vormalige und der aktuelle Superintendent vom Kirchenkreis Wesel zu Wort.

„Man fühlt sich plötzlich als Unmensch“

Der knapp 30-minütige Film öffnet mit einer Segnung durch Pfarrerin Elke Spörkel, immer wieder unterbrochen von ihrem Kommentar aus dem Off, der weder für eine allgemeine noch ihre sehr individuelle Situation wohl kaum bezeichnender sein könnte:

„Irgendwann gab es eine Gerüchtewelle, die sagte: Pfarrer Spörkel ist in Frauenkleidern gesehen worden. Man füllt sich plötzlich als Unmensch, als einer, der etwas verbrochen hat. Also in der Tat wie jemand, der ein Verbrechen begangen hat, dass man sozial isolierter wird, das in der Tat hab ich kennengelernt, ja.“

Elke Spörkel, Herr Pfarrer ist jetzt Pfarrerin

Im weiteren Verlauf der Dokumentation wird die Situation vor der Bekanntmachung beschrieben: Hans-Gerd Spörkel sei ein angesehener, respektierter und beliebter Pfarrer gewesen. Doch sie habe sich schon immer als Frau gefühlt. So sagt Spörkel: „Solange ich mich erinnern kann, war immer die Faszination, wieso darf ich kein Mädchen sein? Wie wär’s wenn ich ein Mädchen geworden wäre?“ Sie schildert ein eigentlich eher unterhaltsames Ereignis aus ihrer Kindheit, welches aber dazu führte, dass ihr eingebläut wurde, mit welcher Peinlichkeit es verbunden wäre, wenn ihre Weiblichkeit, ihr Frau-sein, herauskäme. Basta. 

© the little queer review

Interessant ist, wie Elke Spörkel immer wieder Situationen kommentiert. Dass sie sich zum Beispiel schon vor Ewigkeiten hat einen Damen-Kurzhaarschnitt verpassen lassen und dazu Ohrringe trug, um so ein wenig ihre Weiblichkeit ausleben zu können. Das schien entweder niemand zu registrieren oder wenigstens nahm – augenscheinlich – keiner Anstoß daran. Bis im Jahr 2010 das Gerücht aufkam, dass Spörkel in Frauenkleidern gesehen worden sein soll und somit wurde sie das Gesprächsthema in der Gemeinde. Leute verweigerten ihr nach den Predigten den Handschlag (kamen aber noch, herrje, Leute…), wechselten die Straßenseite oder sie wurde auf einem Dorffest nicht bedient. Schließlich spitzte sich das so weit zu, dass Spörkel beurlaubt wurde und in eine psychosomatische Klinik ging. Das Beste, was ihr für ihre persönliche Entwicklung passieren konnte – sie nahm an einer Rehamaßnahme teil und konnte erstmals fünf Wochen durchgehend und offen (so offen es eben im Laufe eines Klinikaufenthalts geht) als Frau leben. Sie fasste den Entschluss in ihre Gemeinde zurückzukehren, jedoch als Frau.

So kam es dann auch. Von mancher Seite aus erfährt sie Unterstützung, so u. a. von ihrem damaligen Superintendent, aber ebenso sehr erfährt sie Unverständnis und Ablehnung. Auch wenn alles letztlich erst eskaliert als Elke sich erneut verliebt und als Frau heiraten möchte. Von da an erfährt sie starke Anfeindungen und die Borniertheit eines großen Teils der liebenden Gemeinde tritt vollends zutage.

„Egozentrisch“ & „Vielleicht wollen wir dann auch nicht mehr“

Der Film versucht dabei allerdings gar nicht erst Elke Spörkel zu einem Opfer und andere innerhalb der Gemeinde zu Tätern zu machen. Stattdessen lässt er die Leute halt das tun, was sie ohnehin am besten können: Er lässt sie reden. Und dabei tritt zuweilen erschreckender Eigensinn zutage, der weder etwas mit Humanismus noch mit einem christlichen Menschenbild oder Wertegerüst zu tun haben dürfte. Dass manch eine.r erst einmal einen Moment braucht, um eine einschneidende Veränderung anzunehmen – geschenkt. Dass man den eigenen Starrsinn aber als etwas vom Gegenüber Geschaffenes darzustellen versucht, das ist schon stark abgefuckt. 

So sagt eine Dame aus der Gemeinde, es gehöre sich dann eben nicht, als Pastorin herumzulaufen, man sei noch immer eine öffentliche Person und das eigene Leben dann so in den Mittelpunkt zu stellen und zu zelebrieren sei egozentrisch und sie fände das unpassend. Es ist schön, wenn Anhänger einer kirchlichen Gemeinde, christliche Menschen, da nicht nur jedes christliche Menschenbild vermissen lassen, sondern auch das Grundgesetz mehr so als Kannbestimmung interpretieren möchten. Aber gut, der Artikel 5 GG ist halt cool, was?!

Entgegen aller Widerstände – Elke und Kirsten heiraten. Wenn auch im Nachbardorf. // © WDR/Manuel Rees,

Noch deutlicher wird dieses pharisäerhafte Verhalten in einem Kommentar des seit 2013 amtierenden Superintendenten des Kirchenkreises Wesel, Thomas Brödenfeld, der zuerst natürlich Verständnis für beide Seiten äußert – klar – dann aber auch auf den Wunsch der Gemeinde eingeht, dass Pfarrerin Elke Spörkel im Grunde nicht mehr zu tragen sei. Es sei ja so gewesen, dass nur noch über dieses eine Thema gesprochen worden sei. Das habe die Menschen erschöpft und „vielleicht können wir auch nicht mehr, vielleicht wollen wir auch nicht mehr“, und wie er in diesem Moment zu Boden schaut und betreten wird, da wird den Zuschauenden ganz klar, was für ein Bullshit dort gesprochen wurde. 

Es geht nicht einmal um die Schwierigkeiten, die mensch in Bezug auf dieses Thema haben kann, es geht nicht darum Irritation und gegebenenfalls auch Abneigungen aufzufangen. Sogar ganz im Gegenteil. Aber zu sagen, es sei nur noch darüber gesprochen worden und das sei untragbar gewesen. Ja von wem denn? Genau! Eben von jenen, die sich so an diesem Thema aufgerieben haben. Von den Die-Straßenseite-Wechselnden, den Nicht-Bedienen-Wollenden, den „So-geht-das-nicht“-Sagern. Auch der Superintendent wird seiner Aufgabe zu vermitteln da wohl nicht gerecht geworden sein, ob aus Inkompetenz oder Unwillen, lässt sich nicht sagen, aber doch vermuten.

Die gute Frau Bethke

Es gab aber natürlich auch Menschen, die Elke Spörkel unterstützt haben, wie Charlotte Bethke, eine ältere Dame, die dann auch sagt, es ginge um den Menschen und sie hätte gedacht, dass gerade Christen da doch anders reagieren würden. Man merkt ihr das stille Entsetzen, ihre Enttäuschung und Resignation an. Wunderschön sind die Worte, die sie auf der Hochzeit von Elke Spörkel und ihrer neuen Frau Kirsten im Nachbardorf, wo die beiden vom vormaligen, Elke immer zugetanen, Superintendent getraut werden, spricht. 

Pfarrerin Elke Spörkel hat sich übrigens, so viel sei gesagt, beruflich ein wenig verändern können und ist u. a. inzwischen Synodalbeauftragte der evangelischen Kirche für Transthemen.

Die Reportage zeichnet nicht nur den Lebensweg eines transidentitären Menschen nach, sondern lässt auch tief in die Seele einer nur bedingt nach christlichen Werten agierenden Kirchengemeinde blicken. Sie zeigt Liebe und Verständnis, sie zeigt eine starke Frau, die nach einem nur halb gelebten Leben zu sich stehen konnte. Aber sie zeigt auch den individuellen Eigensinn von Menschen, die vorgeblich im Sinne des Gemein(de)wohls eben Individualismus ablehnen. Ein sehenswerter Film.

Herr Pfarrer ist jetzt Pfarrerin; WDR, 2020; Ein Film von Manuel Rees; verfügbar in der Mediathek bis zum 26.7.2021

AS

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