Die Bremer Staatsanwaltschaft wertet einige der Äußerungen des evangelischen Pastors Olaf Latzel als Angriff auf die Menschenwürde. Im Rahmen eines Eheseminars am 19. Oktober 2019 sagte der Pastor der St.-Martini-Gemeinde Dinge wie: „Überall laufen die Verbrecher vom Christopher Street Day rum. Der ganze Genderdreck ist ein Angriff auf Gottes Schöpfungsordnung, ist teuflisch und satanisch.“ Er warnte gleichsam vor der „Homolobby“ und bezeichnete Homosexualität als „Degenerationsform der Gesellschaft“. Seine Äußerungen standen auch längere Zeit auf YouTube zum Abruf bereit, inzwischen allerdings nicht mehr.
Darin sieht die Staatsanwalt Gründe für eine Klage vor dem Amtsgericht. Teile seiner Äußerungen seien volksverhetzend, da sie den öffentlichen Frieden stören und zu Hass gegen Teile der Bevölkerung anstacheln würden, so Frank Passade, Sprecher der Bremer Staatsanwaltschaft. Weiterhin stellten die Äußerungen einen Angriff auf die Menschenwürde dar. Das Amtsgericht prüft nun, ob ein Hauptverfahren eingeleitet wird.
Predigen darf Latzel schon jetzt nicht mehr. Ebenso hat der Kirchenausschuss der Bremisch Evangelischen Kirche (BEK) bereits im Mai ein Disziplinarverfahren aufgrund seiner Äußerungen eingeleitet. Kirchenvorstandsmitglied Michael Franke nannte die Äußerungen Latzels in einem Video der St.-Martini-Gemeinde einen „unbegreiflichen Vorgang.“
Ungesühnt Hass schüren
Da möchten wir Michael Franke natürlich nicht widersprechen, doch stellt sich die Frage: Wieso erst jetzt? Der Vorfall ereignete sich vor einen Dreivierteljahr. Auch wenn sich die Pressesprecherin der BEK zurückhaltend äußert und einem für heute angesetzten Dienstgespräch mit Olaf Latzel nicht vorgreifen möchte, so zeigt sich doch, dass man sich zwar entsetzt, aber nicht wirklich überrascht gibt. Kommentare von Mitgliedern der Gemeinde, frühere Berichterstattung und auch der Präsidentin des Kirchentages (Synode) der BEK, Edda Bosse, die sagte „die Art der Lehre, wie sie in diesem unseligen Eheseminar geäußert wurde, erzeugt Hass“ legen nahe, das man sich der Haltungen des Pastors bereits seit Längerem im Klaren war.
Es ist gut, dass die Staatsanwaltschaft Bremen hier Anklage erhoben hat und nicht vor der Institution Kirche, egal ob evangelisch oder katholisch, zurückschreckt, die schon viel zu lange und viel zu oft vor rechtsstaatlichen Konsequenzen geschützt wurde. Angefangen bei diffamierenden, hasserfüllten Äußerungen; dem Lobbying für die sog. „Konversionstherapie“ über die Indoktrination ihrer „Schäfchen“ um LSBTQ*-Feindlichkeit weithin salonfähig zu machen und schließlich die auch in der Evangelischen Kirche stattfindende sexuelle Gewalt gegenüber Minderjährigen – kaum etwas scheint strafrechtliche Konsequenzen nach sich zu ziehen; es wird, wenn überhaupt, kirchenrechtlich geregelt. Das ist eine bittere Farce.
In Polen, diesem so katholischen Land, hat sich gerade erst ein junger homosexueller Mann das Leben genommen, nachdem Staatspräsident Andrzej Duda (PiS) über LSBTQ*-ler sagte: „Sie versuchen euch zu überzeugen, dass sie Menschen sind. Aber das ist einfach Ideologie.“
Ähnliche Worte sind auch bei uns im Land keine Ausnahme. Es ist erschreckend, dass die Kirche als institutionalisierter Glaube, als eine staatlich subventionierte Einrichtung, als eine Körperschaft öffentlichen Rechts, nicht nur derlei viel Einfluss besitzt, sondern über einzelne, derer nicht so wenige, Kirchenvertreter an vielen Stellen ungehindert und ungestraft Vorurteile, Zwietracht und Hass säen darf. Der evangelikale Pastor Olaf Latzel hat dies nun sehr laut und wenig subtil getan, das fällt ihm jetzt vermutlich auf die Füße. Viele andere formulieren feiner und schon gar nicht stellen sie danach etwas auf YouTube. Da bleibt die Fußfreiheit uneingeschränkt.
Peace ✌️🌈
AS