Die nutzlosen Waffen der Männer

Wie eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linkspartei in dieser Woche ergab, sind die deutschen Waffenexporte im ersten Quartal 2021 im Vorjahresvergleich gesunken. Aber das erfasst natürlich nicht illegale Waffengeschäfte. Dieser nimmt sich stattdessen der aktuelle Tatort: Macht der Familie aus Norddeutschland an. Julia Grosz (Franziska Weisz) und Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) ermitteln mit ihrem Team in diesem Milieu und müssen den Tod eines Exporteurs sowie eines von ihnen eingesetzten verdeckten Ermittlers aufklären.

Waffen statt Traktoren

Das Team um Grosz und Falke ermittelt gegen den „Landmaschinenhändler“ Victor Timofejew (Wladimir Tarasjanz), der über die Ostukraine russische Waffen an die kurdische Peschmerga schmuggeln soll. Sein Neffe Nicolai (Jakub Gierszal) wird von ihm mit einem verdeckten Ermittler der Bundespolizei (Ercan Karacayli) nach Zypern geschickt, aber der Privatjet explodiert über dem Mittelmeer ohne Überlebende.

Grosz (Franziska Weisz) und Falke (Wotan Wilke Möhring) durschauen langsam (!) die Zusammenhänge. // © NDR/Meyerbroeker

Grosz und Falke müssen nun die Hintergründe aufklären und stoßen auf eine zerstrittene Familie, eine abtrünnige Tochter des Timofejew-Clans, Marija (Tatiana Nekrasov), deren Vorgesetzter Falke einst war, und auf ein Geflecht aus Interessen im Bereich des illegalen Waffenhandels.

Spannung auch ohne ermittlerischen Mehrwert

Gleich zu Beginn ist festzuhalten: Macht der Familie ist ein fast durchgehend spannender Fall und fesselt die Zuschauerinnen und Zuschauer an die Bildschirme. Nicht nur, dass die Problematik insbesondere vor den aktuellen Entwicklungen in der Ostukraine noch einmal ein Schlaglicht auf eine konfliktreiche Region wirft, die Macherinnen und Macher um Niki Stein weben das Thema Waffenschmuggel gekonnt in ein Familiendrama ein. Von Beschattung über Verfolgungsjagd und überwiegend akribischer Ermittlungsarbeit wird hier vieles geboten, was einen guten Krimi oder eigentlich sogar fast einen leichten Thriller ausmacht.

Marija (Tatiana Nekrasov) will nichts mit den Machenschaften ihres Onkels Victor (Wladimir Tarasjanz) zu tun haben, oder? // © NDR/Meyerbroeker

Allerdings gibt es auch deutliche Schwächen. Erstens stellt sich rückwirkend heraus, dass die Lage ohne Eingreifen der Bundespolizei um Grosz und Falke kaum anders ausgegangen wäre. Ähnlich wie beim Dortmunder Tatort: Heile Welt macht es also eigentlich keinen Unterschied, ob die Kommissarteams ermitteln oder nicht und speziell der Hauptcharakter Thorsten Falke wirkt in seiner Rolle oft erstaunlich deplatziert.

Männer motzen, Frauen klotzen

Wotan Wilke Möhring brüllt sich durch den Fall, schreit unnötig Kolleginnen und Kollegen an, ficht einen inneren Konflikt aus, der sich mit dem Auszug seines Sohnes Torben nur teils erklärt und scheint ähnlich wie Rick Okons Jan Pawlak in der genannten Folge aus Dortmund nur schmückendes Beiwerk zu sein. Allerdings eben laut und unbeherrscht und auch der neue Klingelton seines Handys macht das nicht wett.

Was es hingegen ein wenig wettmacht, sind die vielen starken Frauenfiguren. Tatsächlich lebt dieser Fall so ein wenig von den ausgezeichnet aufspielenden Damen. Julia Grosz wird zu Beginn der Folge befördert und übernimmt gleich die Leitung dieser heiklen Aktion. Marija Timofejew wirkt stark in ihrer Rolle des kämpferischen Opfers zwischen den Stühlen, auf das im Lauf des Falles die Tragik immer mehr zuläuft. Und selbst ihre Mutter, die verwitwete Warwara Timofejew (Jeanette Spassova), wirkt trotz nur kurzer Auftritte weit stärker als es die Rolle offen zuzulassen scheint. Schade ist nur, dass die weiblichen Rollen dann doch wieder oft in ihren Rollenbildern gefangen bleiben und vor allem Marija in den finalen Momenten nicht ansatzweise so souverän und abgebrüht wirkt und agiert, wie man es aufgrund der vorhergehende Darstellung ihres Charakters hätte erwarten dürfen und wollen.

Schöner wohnen auf Luxushausbooten: Marija Timotojew (Tatiana Nekrasov) wiegt sich in Sicherheit. // © NDR/Meyerbroeker

Alles in allem bleibt somit ein Tatort, der zwar mit großer Spannung und mit starken Frauenfiguren aufwartetn, aber auch mit einem übertrieben zeternden Thorsten Falke. Gleichzeitig reißt der Fall zum Ende leider das schön aufgebaute Geflecht der Charaktere ein und bleibt so in der Auflösung und Gesamtbetrachtung deutlich unter seinen Möglichkeiten.

Übrigens: Tatort: Macht der Familie wurde mit dem Grünen Drehpass ausgezeichnet. Die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein setzt sich mit dem inzwischen in Grüner Filmpass umbenannten Grünen Drehpass seit 2012 für ein ökologisches und nachhaltiges Umdenken in der Filmbranche ein. Schön.

HMS

Tatort: Macht der Familie: Am 18.4.2021 um 20:15 Uhr im Ersten, um 21:45 Uhr auf one und bis zum 18. Oktober 2021 in der ARD-Mediathek verfügbar.

Tatort: Macht der Familie; Deutschland, 2021; Regie & Drehbuch: Niki Stein; Kamera: Arthur W. Ahrweiler; Darsteller*innen: Wotan Wilke Möhring, Franziska Weisz, Levin Liam, Tatjana Nekrasov, Judith Rosmair, Jakub Gierszal, Wladimir Tarasjanz, Jeanette Spassova, Nikolay Sidorenko, Anja Taschenberg, Jonathan Kwesi Aikins, Ercan Karacayli, Vanida Karun; Laufzeit ca. 88 Minuten; Eine Produktion der Cinecentrum Berlin Film- und Fernsehproduktion GmbH im Auftrag des NDR für Das Erste. 

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