Unmögliches möglich machen

Conchita Wurst aka Tom Neuwirth mag zwar gerade noch die letzten Genussmomente der wohlverdienten Spätsommerpause auskosten (in die sich die bärtige Diva mit dem passend betitelten Track „Erstmal Pause“ verabschiedete), doch das heißt nicht, dass es nicht ASAP mit neuem Material weiterginge. Morgen Abend um 23:30 Uhr startet mit Music Impossible im ZDF ein in der Tat gänzlich neues Format, das eine feine Fusion von Musikaffinität, Showeffekt und Reality-TV ist.

Den eigenen Song umdekorieren

In dem Musikformat treten jeweils zwei Künstler*innen sehr unterschiedlicher musikalischer Genres in einer Challenge gegeneinander an. Sie wissen im Vorfeld nicht, auf wen sie treffen werden. 

Es gehe darum, so Conchita Wurst in unserem Gespräch, dass die Künstler*innen einen Song aus ihrem Repertoire wählen und im Sound der anderen Person umdekorierten. Am Ende wird das Ergebnis live vor gemischten Publikum präsentiert und dieses entscheidet dann, wer die Aufgabe besser gelöst hat. 

Von links: Rapper Eko Fresh, Moderatorin Conchita Wurst und Schlagerstar Marianne Rosenberg im neuen Musikformat Music Impossible // Foto: © ZDF/Michael Clemens

Als Moderator*in ist Conchita/Tom am Start, um den Teilnehmenden aber auch darüber hinaus mit Rat und Tat (und etwas Gossip) zu Seite zu stehen. In der ersten Folge, die ebenfalls ab morgen in der ZDF-Mediathek verfügbar sein wird, treten Schlager- und Gayikone Marianne Rosenberg und Rapper Eko Fresh gegeneinander an. Wobei es mehr eine Art Zusammentreffen ist. Oder im Falle Rosenbergs ein Kennenlernen, da sie, was sehr witzig präsentiert wird, nicht so recht weiß, wer Eko Fresh eigentlich ist.

Coach und Freundin

Die Sängerin, die mit DIVA im Juli erst ein neues Album veröffentlicht hat, bekommt die Aufgabe „Hallo, mein Freund“ in einer Rap-Version darzubieten, derweil der Rapper Eko Fresh, der mittlerweile auch als Schauspieler reüssiert und seine Frau Sarah Bora kürzlich im verflixten 7. Jahr ein zweites Mal heiratete, seinen Hit „Quotentürke“ in einen veritablen Schlager zu verwandeln hat. Ohne zu viel vorwegzunehmen: Das sorgt neben Heiterkeit bei uns auch für manchen Stress bei den zwei Profis.

Wunderbar ist natürlich, dass in der fein inszenierten Sendung niemand vorgeführt wird und Conchita, die in der ersten Folge ebenfalls einen Megasong performt, ein wunderbares Coaching- und Buddyverhältnis mit beiden entwickelt, was diese schon sehr nahbar und persönlich wirken lässt. Ebenso freut es, dass der Fokus im letzten Drittel auch wirklich auf den Songs und den Performances liegt und dies nicht mal fix in sechzig Sekunden abgehandelt wird.

Was geil ist und was nicht so – Conchita im Gespräch

Mehr als sechzig Sekunden hatten wir auch, um mit der Österreicherin Conchita Wurst im Vorfeld zu sprechen. Dabei geht es neben Music Impossible, dem geilen Moment Marianne Rosenberg zu treffen und der Bedeutung von Musik auch um die Rechte, Resilienz und die Notwendigkeit der Sichtbarkeit queerer Menschen und einen gefühlten oder doch echten Backlash gegen die LGBTIQ*-Community sowie Liebe, Liebe, Liebe

the little queer review: Weil die Mail zur Sendung übrigens im Spam gelandet war, war das nun meine Frühstücksunterhaltung, bevor wir sprechen.

Conchita Wurst: Na, ich hoffe es war unterhaltend! Das würd’ mich freuen.

the little queer review: War es und spannend auch. Apropos: es muss doch recht spannend gewesen sein, diese zwei sehr konträren Musiker*innen Marianne Rosenberg und Eko Fresh für die erste Folge Music Impossible zu gewinnen. Gerade auch weil, wie Du in der Sendung sagst, eine Marianne Rosenberg ja nicht irgendwer ist.

Conchita Wurst: Es ist extrem geil. Es ist auch für mich als Privatperson ein absoluter Wahnsinn und ich bin jedes Mal starstruck, wenn wir eine neue Folge machen. An den Drehtagen hat man ein paar Stunden mit den Menschen und es ist extrem spannend Marianne Rosenberg kennenzulernen, den Eko kennenzulernen.

Und im Weiteren zu sehen, was passiert, wenn man die aus ihrer Komfortzone holt und sie sich darauf einlassen. Es ist mega spannend, sehr unterhaltsam und extrem interessant, wie unterschiedlich die Persönlichkeiten in diesen Prozess gehen, worauf sie Wert legen und natürlich wie sie ihre Songs auswählen. 

Dies ist immer sehr spannend, weil auch ich mich damit auseinandersetzen muss und möchte. Ich denk’ immer: „Oh, aha, das könnte die Nummer sein oder das könnte die Nummer sein…“ Es ist alles in allem auch für mich ein „Ah! So tickst du. I see you girl!“

So authentisch wie möglich

the little queer review: Das wird es sicherlich auch für die Zuschauer*innen sein, unbedingt. 

Conchita Wurst:Nicht zuletzt finde ich auch, dass Musik in unseren Leben sooft es geht stattfinden soll. Im Fernsehen, in unserem Leben. Weil, es klingt zwar cheesy, aber Musik ist eine universelle Sprache und in der Welt, in der wir gerade leben, ist Zusammenhalt echt das Einzige, was ich gerade nur in einem positive way sehe.

the little queer review: Apropos Musik sollte quasi überall sein: Ich hab mich sehr gefreut, dass Du zumindest kurz Deinen Song „Paris“ von der gleichnamigen EP performt hast. 

Conchita Wurst: Vielen Dank! Das freut mich echt!

the little queer review: Ja, unbedingt, sehr gern. Noch ein wenig zum Hintergrund von Music Impossible. Warst Du denn von Beginn an in die Sendung involviert und bist Du in die Auswahl der jeweiligen Künstler*innen eingebunden?

Conchita Wurst: Oh, ich bin stark involviert. Genau wie ich bei den Dingen, die ich mache, auch extrem selektiv bin. Es gab einige Vorgespräche, bevor wir gesagt haben „Okay, let’s do it!“ Mir ist es einfach wichtig, dass es so authentisch als möglich ist. Ich denk mir halt immer, wenn man mich ins Boot holt, kriegt man mich ganz, ich bringe mich ein und das bietet dieses Format. 

Conchita Wurst, Mike Singer und Doro Pesch in der zweiten Folge von Music Impossible // Foto: © ZDF/Michael Clemens

Gerade bei Music Impossible verbindet mich die Liebe zur Musik, die Liebe zu Menschen, die Neugier und mein unstillbarer Durst nach Unterhaltung [lacht begeistert, Anm. d. Red.].

the little queer review: Es ist auch deutlich zu merken, dass Du mit Spaß dabei bist und das nicht einfach irgendeine Performance ist. Das bringt natürlich Freude beim Anschauen. 

Conchita Wurst: Das freut mich sehr, danke Dir. 

„Worauf läuft das hinaus?“

the little queer review: Du hattest eben die Welt, in der wir gerade leben, angesprochen. Nun sind wir gerade mitten in der nahezu weltweiten Pride Saison. Gleichwohl erleben wir, dass die Rechte queerer Menschen und die Errungenschaften der LGBTIQ*-Community wieder massiv in Frage gestellt werden. Dies nicht nur in altbekannten Ländern oder Teilen der Ukraine durch den unverzeihlichen Angriffskrieg von Putins Russland, sondern auch in den USA, wo Gedanken geäußert werden, dass der Supreme Court die Eheschließung für homosexuelle Paare wieder rückgängig machen könnte oder auch in Deutschland, wenn wir auf die unsägliche und teils mit Lügen geführte Debatte um das Selbstbestimmungsgesetz schauen. Würdest Du da sowohl im Ton als auch in der geäußerten Haltung einen Backlash sehen oder ist das womöglich ein letztes, lautes Aufgebot, das bald vorüber ist?

Conchita Wurst: Ich habe ein extrem schweres Herz. Es ist glaub ich im Moment für uns alle eine extrem herausfordernde Zeit. Das sage ich, wohlwissend, dass ich in einer recht privilegierten Bubble bin und mich, wenn ich wollte, jederzeit aus der Realität zurücknehmen kann. 

Dieser Welt traue ich alles zu – sowohl im Positiven wie auch im Negativen. Ich habe das Gefühl, dass eine Generation heranwächst, die sich schon jetzt Fragen stellt, die so relevant und fundamental wichtig sind und ich denke, das ist gut und wichtig. 

Dennoch ist es immer wieder zu erkennen, dass es nicht aufhören wird, Menschen zu geben, die nicht daran glauben, dass wir existieren dürfen. So war auch für mich die Pride Saison in diesem Jahr, nicht zuletzt wegen des Anschlags auf den schwulen Club in Oslo, schon mehr ein „Ok, hold on a moment“, ein „Worauf läuft das hinaus?“

Definitiv ein Moment, sich wieder mehr darauf zu besinnen, Plattformen zu nutzen. Vor allem aber auch, den direkten Kontakt zu Menschen wieder so gut und egofrei als möglich zu gestalten. Weil ich daran glaube, dass Happiness wichtig ist. Und wenn ich zu einer fremden Person erstmal ohne Grund nett bin, verändert das den Tag dieser Person, die Grundeinstellung verändert sich. Mit jeder Begegnung kann ich also etwas dazu beitragen. 

Darauf konzentriere ich mich als Mensch, natürlich neben anderen Dingen, wie Charity-Events, Prides oder Reden, die also bedeuten, dass ich meine Plattform nutze. Aber ich bin so überwältigt ob der Absurdität, die gerade passiert in dieser Welt, dass ich mir denke, ich muss im Kleinsten starten. Respektvoll sein und Liebe, Liebe, Liebe, Liebe, Liebe, Liebe, Liebe verbreiten.

Weißt Du, ich oszilliere irgendwo zwischen: Alles wird gut, alles wird gut und, naja, wenn der Komet kommt – I guess that’s it then.

Ein Momentum für die Community

the little queer review: Da bin ich ganz bei Dir und klar, hofft man immer, dass der Komet nicht kommt, aber was will mensch groß machen, falls doch?!

Conchita Wurst: Ja… Ich find es allerdings geil, dass unsere Resilience zunimmt. Auch aufgrund einer gewissen Aufmerksamkeit und der Mainstream-Präsenz, die unsere Community in den letzten Jahren zunehmend erfährt, wie beispielsweise durch RuPaul’s Drag Race – she changed the fucking game. 

Damit sitzt jetzt nicht zuletzt eine monetäre Kraft mit am Tisch, die viele nicht mehr wegignorieren können. Das ist natürlich Kapitalismus pur, aber am Ende ist das immerhin eine Sprache, die viele verstehen. Weißt Du, wir sind genauso auf dem Planeten wie alle anderen und ich bin davon überzeugt, dass es gerade ein Momentum gibt, das von unserer Community genutzt wird und uns eine Stärke und Resilience beschert, die ich extrem geil find’. 

the little queer review: Das stimmt, seh ich alles in allem genauso. Was ich auch, beziehungsweise wir hier bei uns, spannend fand*en, war, dass in diesem Jahr, insbesondere nach Oslo, Wert darauf gelegt wurde, dass die CSDs und Prides wieder mehr als politische Demonstrationen und weniger als Partysituationen verstanden werden sollten. Dass auch kurzfristig und kleinteilig drauf reagiert wurde.

Conchita Wurst: Bei mir im Freundeskreis ist das auch so, da ist viel Aufmerksamkeit für das Wohlsein der Person uns gegenüber. Überhaupt nimmt die Gegenwärtigkeit in Bezug auf wichtige Themen zu, die lange nicht gesehen wurden. Wie zum Beispiel für die Black Lives Matter-Bewegung in Mitteleuropa. Themen, bei denen wir als Gesellschaft uns einfach updaten müssen. Ich hoffe wirklich, dass das funktioniert und darauf lenke ich auch meine Energie.

the little queer review: Das ist wunderbar und ebenso verantwortungsvoll, wenn die öffentliche Person so genutzt wird und nicht nur für Fun and Games. Vielen lieben Dank für dieses Gespräch.

Conchita Wurst: Ja, sehr gern und ebenso Dank und alles Gute!

AS

PS: „Erstmal Pause“, „Paris“ und weitere Songs von Conchita Wurst und vielen anderen Künstler*innen findet ihr natürlich auch in unserer QUEER SOUNDS-Spotify-Playlist.

Von links: Rapper Eko Fresh, Moderatorin Conchita Wurst und Schlagerstar Marianne Rosenberg im neuen Musikformat Music Impossible // Foto: © ZDF/Michael Clemens

Die erste Folge Music Impossible mit Marianne Rosenberg vs. Eko Fresh zeigt das ZDF am 2. September 2022 um 23:30 Uhr; am 9. September 2022 treffen zur gleichen Uhrzeit Metal-Queen Doro Pesch und Pop-Star Mike Singer aufeinander; beide Folgen sind jeweils ab dem Tag der Ausstrahlung in der ZDF-Mediathek zu finden. Schaut fleißig zu, dann gibt’s auch noch mehr Folgen!

Unser Schaffen für the little queer review macht neben viel Freude auch viel Arbeit. Und es kostet uns wortwörtlich Geld, denn weder Hosting noch ein Großteil der Bildnutzung oder dieses neuländische Internet sind für umme. Von unserer Arbeitstzeit ganz zu schweigen. Wenn ihr uns also neben Ideen und Feedback gern noch anderweitig unterstützen möchtet, dann könnt ihr das hier via Paypal, via hier via Ko-Fi oder durch ein Steady-Abo tun – oder ihr schaut in unseren Shop. Vielen Dank!

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