Dolly Parton und Christine Baranski bezirzen uns zu Weihnachten

Regina (Christine Baranski) begegnet Engel Dolly Parton auf einer Wolke. // COURTESY OF NETFLIX © 2020

Advent, Advent, die Weihnachtsfilmzeit beginnt. Zugegeben, so ganz reimt sich der Einstieg jetzt nicht. Dafür reimen sich allerdings einige der Songtexte in Dolly Parton’s Christmas on the Square, einem der ersten filmischen Beiträge zur diesjährigen Weihnachtssaison, der seit dem 23. November auf Netflix verfügbar ist. Das Weihnachtsmusical mit 14 neuen Songs von Dolly Parton ist so kitschig wie schwungvoll und überrascht uns mit manch einem netten Story-Kniff.

Fluffig-bunt & im richtigen Beat

Nur wenige Tage vor Weihnachten kehrt die reiche und eiskalte Regina Fuller (Christine Baranski, The Good Fight, Cybill) in ihren Heimatort zurück, den sie nach dessen Tod von ihrem Vater erbte. Sie hat vor, alle Bewohner vor die Tür zu setzen und den Ort an einen Investor zu verkaufen, der dort ein Einkaufszentrum errichten will. Doch als sie anfängt manch Einheimischen zuzuhören, ihre  frühere beste Freundin (Jenifer Lewis) und ihre alte Liebe Carl (Treat Williams) wiedersieht, beginnt sie nachzudenken, nicht ohne die Hilfe eines Engels (Dolly Parton) und einer Engelsanwärterin (Jeanie Mason). 

Dolly Parton als Engel umringt auf dem Platz. // COURTESY OF NETFLIX © 2020

Für mich stand es völlig außer Frage, dass Dolly Parton’s Christmas on the Square (der Film basiert auf ihrem gleichnamigen Bühnenstück) in diesem Jahr Teil meines freiwillig gewählten Pflichtprogramms sein würde. Einer der Gründe steckt im Titel: Dolly Parton. Türlich! Außerdem ein Musical… mit neuen Originalsongs… und Christine Baranski, die hier wie immer fantastisch ist und endlich mal wieder mehr singen darf. Und dann noch Debbie Allen (u. a. Produzentin und Gastdarstellerin als Dr. Catherine Fox bei Grey’s Anatomy) als eine der Ausführenden Produzentinnen, Choreographin und als Regisseurin mit an Bord?. Ja, ja und ja. 

Der Film beginnt einigermaßen klassisch und die erste Hälfte ist fluffig – es wird fröhlich-weihnachtlich eingeleitet, nur um dann die böseste Hexe aus der Mitte („the Wickedest Witch of the Middle“) Regina einzuführen, wie sie gemeinsam mit ihrer Assistentin Felicity Räumungsbescheide verteilt. Zwischen allem begegnet uns immer wieder eine obdachlose Dolly Parton, die zwar in der Szene ist, von der aber kaum Notiz genommen wird. Ausschließlich Standardweihnacht ist dann aber auch nicht. Es wird Stepptanz auf Bänken geboten und ein Haufen attraktiver Tänzer*innen (erneut: Debbie Allen hat die Choreographie und Auswahl der Tänzer zu verantworten) schwingt einander im Tango-Beat durch eine Bankfiliale.

Clevere & mutige Kleinigkeiten

Ihre vormals beste Freundin und erste Bürgermeisterin des Ortes, Margeline, führt einen Friseursalon, dessen Mitarbeiter auch Team-Stylisten oder Teilnehmer bei RuPaul’s Drag Race sein könnten und die Kundinnen scheinen aus einem weiteren Remake von Magnolien aus Stahl zu sein. Jenifer Lewis, die diese spielt, hat mit Queen of Mean einen der stärksten, sehr gospeligen Song des Films. Hier versucht sie Baranskis Regina ins Gewissen zu singen, die allerdings in erster Linie Marianne-esque schnippisch antwortet.

Regina und ihre alte Liebe Carl (Treat Williams). Niemals ruht die Vergangenheit so ganz. // COURTESY OF NETFLIX © 2020

Treat Williams, der die alte und unglückliche Liebe Reginas spielt, singt eine auch vom Text her wunderbare und klangvolle Ballade namens Keeper of Memories, die uns klar macht, dass Erinnerungen, ob gut oder schlecht, nicht verdrängt sondern geschätzt werden sollten. Allein diese beiden Songs machen den bunten Film schon sehr sehens- und hörenswert.

Einen weiteren ruhigen Moment im knallig inszenierten Christmas on the Square bietet Fairy Tale, den Christine Baranski mit der kindlichen Barkeeperin Violet (Selah Kimbro Jones) singt. Das ist aus zwei Gründen mutig. Erstens: Die beiden talentierten Damen räumen mit Klischees aus Märchen auf und sorgen für ein sachliches Rosa. Zweitens: Violet ist tatsächlich ein Kind und serviert Regina Whisky. Und Regina merkt an: „Vielleicht sollten alle Kinder im Hinterzimmer einer Bar aufwachsen.“ Zumindest für eine Zielgruppe in den USA ist das schon ordentlich.

Regina und Violet (Selah Kimbro Jones) reden und singen über das Leben und doofe Märchen. // COURTESY OF NETFLIX © 2020

Natürlich singt auch Dolly Parton reichlich und so überbetont auf Musical getrimmt, wie die meisten Songs es hier sind, so fühlen sich gerade ihre Nummern nie ganz voll an. Da wäre noch was gegangen, dachte ich mir häufiger. Die sind alle ohne Frage mindestens gut, es ist halt Dolly. Aber so der richtig große musikalische Wurf bleibt irgendwie aus, auch wenn die Musik durchweg Freude bereitet.

Weihnachten: Sing-Sang-Drama 2.0

Die Geschichte ist anfangs irgendwo zwischen Charles Dickens Weihnachtsgeschichte, Das Wunder von Manhattan, einem Robert-Stevenson-Gedicht (das auch mehr oder weniger direkt zitiert wird) und diesem einen Wham!-Song angesiedelt. Jedenfalls anfangs. Denn neben einer eher tragischen Nebenhandlung um Verlust und Schuldverlagerung, bekommen wir noch eine Art Amour fou (oder weniger romantisch: einen One-Night-Stand gone bad), einen unerfüllten Schwangerschaftswunsch, die Geschichte einer erzwungenen Adoption und einen schweren Unfall samt Medizin-Drama (erneut: es ist Debbie Allen). Das ist dann alles reichlich üppig, aber irgendwie passt es, da alle Beteiligten bei Christmas on the Square wohl wussten, was sie da taten. Oder wozu hat man Dolly Parton als Engel an Bord?! Siehste mal.

Entsprechend löst sich dieses bunte Musical-Knallbonbon in wenigen Minuten ganz fantastisch in allgemeinem Wohlgefallen auf, wie es Bonbons so an sich haben. Natürlich geht das hier nicht ohne christliche Message – so wird schon der Protest gegen Reginas Vorhaben vom nicht ganz unwichtigen Pastor namens Christian (Josh Segarra) organisiert – die allerdings in einer Art vorgetragen wird, wie sie selbst mir erträglich ist und, nun ja, das mag was heißen. Der Film versucht also niemanden zu bekehren, sondern offeriert eine feine Geschichte um Familie, Liebe und Leben und bedient sich dabei eben der christlich geprägten Narrative von Nächstenliebe und Vergebung. Dass das ganze gut klingt und einen Hauch queer ist, auch das dürfte bei Dolly Parton niemanden überraschen. 

Margeline (Jenifer Lewis) bringt die bunt-gemischte Gemeinde in Stimmung. // COURTESY OF NETFLIX © 2020

Dolly Parton’s Christmas on the Square ist ein extrem süßes, zwischendurch vergleichsweise stark dramatisches, im besten Sinne übertriebenes, wohlklingendes, buntes und hoffnungsfrohes Weihnachtsmusical, das in seinem charmanten campy-Stil echt Freude bringt.

AS

Dolly Parton’s Christmas on the Square; USA, 2020; Regie: Debbie Allen; Drehbuch: Maria S. Schlatter; Songtexte & Musik: Dolly Parton; Musikarrangement: Larry Blank; Kamera: Oliver Bokelberg; Darsteller: Dolly Parton, Christine Baranski, Jenifer Lewis, Treat Williams, Josh Segarra, Jeanine Mason, Mary Lane Haskell, Mary Donnelly Haskell, Selah Kimbro Jones, Brandon Hudson, Matthew Johnson, Brandon O’Neal, u. v. a.; Laufzeit: ca. 98 Minuten; FSK: 6; Magnolia Hill Productions, Sandollar Productions gemeinsam mit Warner Bros. Television für Netflix produziert; seit 23.11.2020 auf Netflix verfügbar

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Hier seht ihr den Trailer mit deutschen Untertiteln:

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