Ein Coming Out für über eine Million

Bild oben: Foto: Screenshot „Coming Out“ via Youtube, Joey’s Jungle // Komposition: the little queer review

„Ich hatte damit abgeschlossen, jemals das Gefühl zu spüren, von einer anderen Person geliebt zu werden“, sagt der 25-jährige Joey in seinem ganz schlicht Coming Out genannten, knapp achtminütigen Clip, den er am Sonntag auf seinem Youtube-Kanal Joey’s Jungle veröffentlicht hat und der bisher beinahe 1,1 Millionen Views verzeichnen kann. Nach dem Coming Out der 185 Schauspieler*innen im SZ-Magazin hier nun also das rührende Outing eines Youtubers.

Der Clip beginnt mit Aufnahmen Joeys aus seiner Kindheit, die sich durch das ganze Video ziehen, ergänzt um aktuelle Bilder, in denen Joey durch einen verschneiten Wald läuft oder passend zur Stelle, an der er über die Flucht vor seiner Umgehung und sich selbst spricht, über ein schneebedecktes Feld sprintet. Nach der Schule war er für einige Zeit nach Australien gegangen, um sein Leben hinter sich zu lassen und dort wie „hier“ niemandem zur Last zu fallen.

Ekel und Scham

Denn dieses Gefühl anders zu sein und nicht dazuzugehören war schier unerträglich. Schwul zu sein, das war nicht möglich, das konnte er für sich ausschließen, denn dann wäre er ja „eklig, jemand, für den sich meine Eltern schämen müssten und jemand, mit dem niemand was zu tun haben will.“ 

Er sei in einem Umfeld aufgewachsen, in dem es nicht okay war, schwul zu sein. Einem Umfeld „in dem Menschen, die nicht heterosexuell waren, vermeintlich nicht existierten. Denn solche Menschen gäbe es nur im Fernsehen. Denn darüber kann man nur lachen oder sich schämen.“ So wurde Joey, der Menschen so gern positive Gefühle vermittelte und den Klassenclown gab, sehr gut darin, seine Gefühle zu kaschieren und Menschen nicht wissen zu lassen, wie es in ihm aussah.

Also Flucht und das fortwährende Gefühl der Einsamkeit, das Gefühl niemanden zu haben, keine Freunde und keine Liebe finden und niemals ein normales Leben führen zu können. Doch schließlich reifte auch ihn ihm die Erkenntnis: „Ziemlich irrational davon auszugehen, dass wirklich jeder Mensch auf der ganzen Welt nen Grund dafür hätte dich kacke zu finden, hä?“

So geliebt, wie man sich’s nur wünschen kann

„Ich bin die glücklichste Version von mir selbst, die man sich nur vorstellen kann“, sagt Joey und spricht über eine Familie, die ihn liebt, Freunde, die ihn besser kennen würden als er sich selbst und seinen langjährigen Partner (der, zwar gesichtslos, aber doch im Video zu sehen ist), mit dem er nun in ein gemeinsames Haus gezogen ist. Ebenso habe ihm sein Kanal Joey’s Jungle ungemein dabei geholfen, diese Stärke und das Standing und, ja, wieder sich selbst zu finden.

Das Selbst, die Person, der Charakter machen darüber hinaus mehr aus als die Sexualität. „Ich habe gelernt, dass meine Sexualität nur ein winzig kleiner Bruchteil von all den vielen tausend Dingen sind [sic!], die aus mir eine Person machen, die wertvoll ist“, sagt er und spricht damit einen delikaten Punkt für viele LGBTQ*-Personen an: Wir werden gern auf dieses eine Merkmal reduziert und dies soll dann plötzlich unsere gesamte Biografie sein.

Joey, der sagt es gehe ihm heute so gut wie noch nie zuvor in seinem Leben, hat mit seinem Video, dem er lediglich die Vorbemerkung „Wollte da mal was loswerden, das mir sehr am Herzen liegt…“ vorangestellt hat, bisher wie erwähnt sehr viele Menschen erreicht und neben einigen dämlichen Kommentaren vor allem positive, berührende und berührte Reaktionen hervorgerufen. So lässt sich festhalten, dass nicht nur er Tränen in den Augen bei der Produktion des Clips hatte sondern viele, viele andere auch beim Schauen.

„Du bist richtig, genauso wie du bist.“

Zum Ende spricht er nochmals direkt die Zuschauer*innen an, die ähnlich fühlen wie er damals: „Ich weiß, dass es noch so viele unter uns gibt, die die gleichen Gefühle, wie ich sie hatte, jeden Tag spüren. Die sich verstoßen fühlen, einsam und ungeliebt.“ Die für etwas beleidigt würden, das doch eigentlich das schönste Gefühl der Welt ist: „Zu lieben und geliebt zu werden.“

Dieser sehr persönliche und emotionale Clip ist in der Tat nicht nur ein bewegendes Coming Out, sondern gleichsam ein Mutmacher für jene, die sich heute selber nicht sehen können, denen ihre Sexualität und vor allem die Reaktion darauf, wer sie sind, Angst macht. Ihnen gibt der 25-jährige Joey mit auf den Weg: „Ich weiß, dass du richtig bist, genauso wie du bist.“

Love & Peace 💙🌈💚

Eure queer-reviewer

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