Beitragsbild: Ketut Subiyanto // UPDATE vom 25. August 2021 am Ende des Textes.
OnlyFans gibt bekannt, keine sexuell expliziten Inhalte mehr zuzulassen. Mal wieder wird hier auf dem Rücken von Sexarbeiter*innen Bekanntheit erlangt und Geld gemacht, um sie dann in die Wüste zu schicken. Das ist wahrlich anrüchig. Ein Kommentar.
Geschichte wiederholt sich nicht? Hmm… Zumindest weckt die kurzfristig angekündigte Entscheidung der Online-Platform OnlyFans (wir erklären sie jetzt nicht – wer sie kennt fein, wer nicht, braucht das nun nicht mehr nachzuholen) das Posten von Inhalten, die „sexuell explizites Verhalten“ zeigen, zum 1. Oktober zu verbieten die eine oder andere Assoziation. Mal wieder hat ein Unternehmen sich mit der Leistung von Sexarbeitern sprichwörtlich einen goldenen Arsch verdient, nur um dann den Schwanz einzuziehen. Wer hätte das gedacht?
Dreckige Heuchelei
Vorab, nein der Schwanz ist nicht sexistisch, nur zutreffend: Das Unternehmen wurde 2016 vom britischen Entrepreneur Tim Stokely gegründet, der es auch noch führt und ist im Besitz des Internet-Unternehmers Leonid Radvinsky. Für 2022 rechtet das Unternehmen mit Einnahmen von 2,5 Milliarden Dollar. Hier beginnt das „Problem“: Die Entscheidung, sexuell explizite aka pornografische Inhalte zu verbieten, rührt wohl auch daher, dass die Partnerschaften mit Banken und Zahlungsanbietern (die die Accounts von Personen, die mit expliziten Inhalten Geld verdienen, ohnehin gern sperren) langfristig abgesichert sein sollen.*1 Also streicht man eben die schmutzige Nacktheit, die das Unternehmen überhaupt erst zu Relevanz führte.
Auch wenn die Ankündigung der Schauspielerin Bella Thorne, sich dort einen Account anzulegen und auch privatere Momente zu zeigen, ähnlich wie die von Cardi B und anderen A-List-Prominenten der Plattform viele neue Kundinnen und Kunden und somit viel neues Geld brachte, wären diese mutmaßlich nicht zu OnlyFans gekommen, hätte das Unternehmen nicht einen gewissen Kultstatus besessen und diesen hat es vor allem durch die Erwachseneninhalte erlangt.
Im Gegensatz zu XTube, das seinen Betrieb vor allem einstellt, weil es immer wieder Probleme, Proteste und Verfahren in Bezug auf die mutmaßliche Erleichterung von Menschenhandel, Revenge und Rape Porn wie auch Kinderpornografie und all diese entsetzlichen Dinge gab, entscheidet OnlyFans sich zu dem Schritt explizit sexuelle Inhalte zu verbannen, nur um Investoren sabbernd bleiben zu lassen. Dass die Plattform Nacktheit weiterhin erlaubt sein lassen will, solange sie nicht derb wird, zeugt nur von der geldgeilen Heuchelei. Nichts gegen Geld. Aber diejenigen in die Wüste zu schicken, die dich groß gemacht haben, das ist schon dreckig.
Produziert nach eigenen Maßstäben
OnlyFans hatte immer mal wieder Überlegungen angestellt, explizite Inhalte runterzufahren oder sie einzuschränken. Auch als Reaktion auf dieses Hin und Her, das niemals offen mit den Porno-Inhalten werben wollen und die Verunsicherung, die das bei den Urheberinnen und Urhebern der Inhalte auslöste, gründete sich 2017 JustForFans, die ganz offen mit ihrem Status als Demokratisierungsoption der Pornografie umgehen und dazu stehen, dass es die expliziten Inhalte sind, die die Einnahmen bringen.
Denn das ist doch eigentlich das Fantastische an diesen Plattformen, auf denen wir als Nutzerinnen und Nutzer uns anmelden und dann gegen eine Gebühr Inhalte der von uns gewünschten Performerinnen und Performer sehen zu können (doch kurz erläutert, was?!): Diejenigen, die hier Inhalte einstellen – ob nun Pornostars, aufstrebende Darstellerinnen und Darsteller oder solche, die es einfach mal probieren wollen – sie können dies zu ihren Bedingungen tun. Sie kreieren die Inhalte, die sie sich vorstellen, zu dem Moment, in dem sie bereit sind, mit den Mitteln, die sie nutzen und und gegebenenfalls den Partnerinnen und Partnern, mit denen sie sich gemeinsam zeigen wollen. Und bei ihnen verbleibt der Großteil des Geldes. Gerade in dem Business ein heikles Thema (dramatischer ist es da wohl nur in der Musikindustrie, aber über die ganz schmutzigen Sachen soll hier nicht gesprochen werden, das gibt’s kommende Woche bei Prince Charming…).
Einer der Gründe, dass OnlyFans „erst“ jetzt mit der Entscheidung um die Ecke kommt, dürfte eben auch wieder jenes Geld sein. Denn natürlich ging die Plattform noch einmal durch die Decke als Corona uns alle mehr oder weniger wörtlich ans Bett oder den Stuhl fesselte. Mehr und mehr Performerinnen und Performer meldeten sich an und natürlich auch Fans. Das sollte wohl noch mitgenommen werden. Nun aber fällt es dem Unternehmen schwer die nächste Milliarde für eine weitere Finanzierungsrunde einzustreichen, Banken sind halt konservativ (Pornos nur heimlich in der Mittagspause bitte, oder, wie bei der ARD-Produktion Goldjungs in Schmuddelheftchen) und hart und und feucht passt nicht so dazu. Also geschieht wieder, was so gern geschieht: Das Stigma wird verhärtet, indem man sich vom vermeintlich Anrüchigen trennt.
Schuss in den Ofen?
Viele, die ihre Inhalte auf OnlyFans zeigen, haben bereits angekündigt, zügig zu JustForFans (oder auch zu 4my.fans) zu wechseln. Der erfolgreiche Performer Rocco Steele (der dies bereits tat) stellte im amerikanischen Magazin Out die rhetorische Frage, ob das mit OnlyFans nun eine so schlechte Sache sei. Es wäre für eben jene genannten Unternehmen, die von schwulen und queeren Personen geführt werden an der Zeit, nun die Früchte zu ernten, die da kommen dürften und damit deutliche Zeichen zu setzen.
Und in der Tat könnte der Schuss für OnlyFans nach hinten losgehen. Statt dass das Unternehmen nun als eine „seriöse Adresse“ für kreative Inhalte steht, kann es auch als eines gesehen werden, das diejenigen, die ihm überhaupt erst zu Relevanz und relevanten Erträgen verholfen haben (die Plattform behält 20 % aller Einnahmen) nun verrät. Zudem hätte sicherlich versucht werden können, stärker damit zu arbeiten, dass man den Darstellenden einen sicheren Platz für ihre eigenen Produktionen bietet. Ist eben OnlyFans in erster Linie als ein Platz für guten Porno bekannt. So sind die Fans dort nicht als Fans der Plattform, sonder als die jener sexy Künstlerinnen und Künstler, denen sie für nachvollziehbares Geld folgen.
Vielleicht wird OnlyFans jetzt aber genau so erfolgreich Investitionen und Werbeeinnahmen generieren, wie es Tumblr gelang, nachdem die explizite Inhalte verboten hatten. Ach nee, warte…
AS
PS: Was dieses Stigma eigentlich bedeutet, ist ein Thema, mit dem wir uns gern mehr beschäftigen wollen.
UPDATE, 25. August 2021: OnlyFans hat via Twitter verkündet, das Verbot pornografischer Inhalte doch nicht umzusetzen. Man habe von den Partner Zusicherungen bekommen, dass eine Finanzierung gesichert bliebe. Ebenso bedankt sich OnlyFans, dass die Leute so hörbar protestiert haben. Sieht so aus, als hätten die Investoren und Zahlungsdienstleister ebenfalls realisiert, dass ihn XXX-Inhalte das wichtigste Standbein des Portals wegfiele. Immerhin.
*1 Das Statement im Auszug (komplett findet ihr es u. a. hier, aber im Grunde inzwischen überall): „Effective 1 October, 2021, OnlyFans will prohibit the posting of any content containing sexually-explicit conduct. In order to ensure the long-term sustainability of the platform, and to continue to host an inclusive community of creators and fans, we must evolve our content guidelines. Creators will continue to be allowed to post content containing nudity as long as it is consistent with our Acceptable Use Policy. These changes are to comply with the requests of our banking partners and payout providers. We will be sharing more details in the coming days, and we will actively support and guide our creators through this change in content guidelines.“
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