Die Wege der Freundschaft sind unergründlich. Selten könnten wir auf die (unhöfliche) Nachfrage „Wieso bist Du eigentlich mit XY befreundet?“ eine aufs sachliche reduzierte Antwort geben. Wäre auch seltsam. Sind sogenannte wahre Freundschaften doch etwas, das sich organisch und nach und nach entwickelt und nichts, das wir einfach mal so als „zweitbester Freund gesucht, Vollzeitstelle, abseitiger Humor, Interesse am Tatort, Sachbüchern und Lust auf spritzige Benefits von Vorteil“ annoncieren, um dann aus einem Bewerberfeld auszuwählen (andererseits…).
Mafioso-Mörder?
Nun ist diese Einleitung eigentlich schon wieder viel zu komplex für einen Münsteraner Tatort. Denn, so unterhaltsam Ein Freund, ein guter Freund ist, so vorhersehbar ist es. Das wird schon klar, als Prof. Dr. Dr. Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) eine Abschiedsrede für seine allerbestestens Besties Veronika Fabian (toll: Proschat Madani) und Friedhelm Fabian (weniger toll: Jan Georg Schütte) hält. Die selbstvergewissernde Selbstgerechtigkeit des Ehepaars (und ihre spontane Einführung), lassen uns zügig ahnen: Egal was passiert, sie waren es.

Dass Boerne mal wieder seinen Kollegen Frank Thiel (Axel Prahl) hintergeht und Silke Haller (ChrisTine Urspruch) gewohnt schlecht behandelt, muss schon kaum mehr erwähnt werden. Dennoch ist dieser Tatort, in dem zu Beginn ein halbbedarfter Anwalt vermeintlich von einem Klischee-Mafioso (Claudio Caiolo) ermordet wird, absolut kurzweilig und es darf mehr als einmal heftig gelacht werden.
Schlechtes Gedächtnis?
Was im Drehbuch von Benjamin Hessler hingegen so gar nicht funktioniert, sind die dramatischen Momente. Boerne ist also unglücklich verliebt… Aha. Boerne will also kaum wen an sich heranlassen… Aha. Kürzlich feierten die Münsteraner ihren 40. Fall. Es ist schon beinahe erschreckend, dass die Figuren immer wieder neu geschrieben werden müssen. Es ist schlicht egal, ob Boerne sich allein fühlt, er ist halt nur eine laufende Karikatur.

Denkt eigentlich noch irgendwer an Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter)? Solch ein Verlust (im Übrigen in einer sehr besonderen Folge, bei der Jan Georg Schütte Regie führte) könnte doch nochmals aufgegriffen werden. In Münster aber scheint kein Verlust, keine Freundschaft, keine Unsicherheit etwas wert zu sein. Es scheint auch so, als sei die 40. Folge – Des Teufels langer Atem – niemals geschehen.
Nicht im Schmerz geboren
Unterm Strich bleibt also ein von Janis Rebecca Rattenni solide inszenierter, risikofreier Tatort, der niemandem wehtut aber auch keiner Person im Kopf bleiben dürfte. Aber womöglich ist das gar besser, als der Dresdner Tatort kommende Woche, der mutig ins Risiko schreitet und grandios daran scheitert.

Achso, Spoiler-Alert: Es gibt keine authentischen Freundschaften in Münster. Wenn wir schon Staatsanwältin Klemm (Mechthild Großmann) aufs Abstellgleis packen!
AS

Tatort: Ein Freund, ein guter Freund läuft am 13. November 2022 um 20:15 Uhr im Ersten, um 21:45 Uhr auf one und ist anschließend für sechs Monate in der ARD-Mediathek verfügbar.
Tatort: Ein Freund, ein guter Freund; Deutschland 2022; Regie: Janis Rebecca Rattenni; Drehbuch: Benjamin Hessler; Kamera: Victor Voß; Musik: Michael Klubertanz; Darsteller: Axel Prahl, Jan Josef Liefers, ChrisTine Urpsruch, Mechthild Großmann, Björn Meyer, Claus D. Clausnitzer, Jan Georg Schütte, Proschat Madani, Claudio Caiolo, Hendrik Heutmann, Uwe Rohde, Katja Danowski, Hadi Khanjanpour; Laufzeit: ca. 88 Minuten; Eine Produktion der filmpool fiction GmbH im Auftrag des WDR für die ARD.
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