Interreligiöser Regenbogenfamilienkram

Auf der einen Seite wünsche ich mir mehr queere deutsche Filme im Hauptprogramm und das seit Jahren und dann gibt es welche und sie gehen an mir vorbei. So muss es auch bei Familie verpflichtet gewesen sein, der schon aus dem Jahr 2015 ist, mir und uns hier jedoch gänzlich neu war, irgendwie. Und das, obwohl doch Maren Kroymann eine Nebenrolle spielt und Corny Littmann einen feinen Gastauftritt hat. Wie dem auch sei: Die Feel-Good-Regenbogenfamilien-Komödie läuft an diesem Mittwoch in der ARD.

Ein Muslim, ein Jude und eine Schwangere kommen in eine Bar…

Khaled (Omar El-Saeidi) und David (Max von Pufendorf, der aussieht als sei der junge Hape Kerkeling gegen Richy Müller gelaufen) leben in Hannover und sind seit geraumer Zeit ein Paar. Eines Tages macht David Khaled einen Heiratsantrag, der jäh von dessen homophoben Vater Aledrissi (Ramin Yazdani) unterbrochen wird. Der hat ein Wörtchen mit Davids Mutter Lea (Maren Kroymann) zu reden, die als Geschäftsführerin der jüdischen Gemeinde den Mietvertrag für das Restaurant Aledrissis gekündigt hat. Also nicht der beste Zeitpunkt für Khaled sich zu outen? Außerdem steht auf einmal die hochschwangere Sarah (Franziska Brandmeier) vor der Tür und informiert David darüber, dass er der Vater des Kindes sei, was für Mutter Lea dem jüdischen Fasching gleichkommt. 

Hoppala: Sarah (Franziska Brandmeier, Mitte) trägt ein kleines Geheimnis mit sich herum. David (Max von Pufendorf, re.) und Khaled (Omar El-Saeidi, li.) sind schockiert. // © NDR/Heimathafen Film & Media GmbH

Es ist also klar: Die Ausgangslage bietet alles, was es für eine ordentliche Menge an unterhaltsamen Verwerfungen und Verwirrungen braucht. Dazu kommen noch diverse Nebenhandlungsstränge, wie der um den von Galerist David entdeckten Künstler Nils (Hendrik von Bültzingslöwen), der sein Atelier im Haus der Familie Silbermann eingerichtet hat, statt mit Kunst aber primär mit Ficken und Saufen befasst ist. Das führt auch zu der einen oder anderen sehr offenen Szene, wie man es vielleicht nicht unbedingt von einer ARD-Familienkomödie erwarten würde. 

„Wenn du nochmal einmal die Fresse aufreißt, dann hat dein Arsch aber Kirmes.“

Khaled hat nicht nur damit zu kämpfen, seinem Vater irgendwie doch mal beibringen zu müssen, dass er schwul ist (nicht zuletzt auch auf Druck Davids), sondern auch an der Schule, an der er noch um eine Festanstellung kämpft, ist er nicht geoutet und in seinem Sportkurs kommt es immer mal wieder zu homefeindlichen Sprüchen – tatsächlich von einem Verwandten. Außerdem ist die Rektorin (Nicole Marischka; die für einen der größten Lacher sorgt) ein wenig zu interessiert an ihm.

Familie verpflichtet ist an vielen Stellen durchaus sehr witzig, der Film ist ganz eindeutig auf die Entwicklung von Pointen ausgerichtet, weniger auf die der Charaktere. Das fällt allerdings kaum ins Gewicht, da er so viele Finten schlägt, es so viele kleinere und mittelgroße nicht immer nur Notlügen-Lügen gibt und er durch eine flotte Inszenierung sehr kurzweilig ist. 

Hoppala 2: Khaled (Omar El-Saeidi) bekommt regelmäßig unmoralische Angebote von seiner Kollegin (Nicole Marischka). // © NDR/Heimathafen Film & Media GmbH

Nicht jeder Witz zündet, aber doch viele, wenn man sich auf ihre meist seichte Natur einlässt. Dass die Geschichte in Hannover und nicht im Sündenpfuhl Berlin spielt, ist ebenfalls ein netter Kniff. Homosexualität, ja, oi vey, es gibt sie überall. Für Tante Gerda und Onkel Günther dürfte das genau die richtige Mischung an Weltoffenheit gepaart mit Witzen auf Kosten der einen oder anderen Minderheit, gefolgt von behutsamer Aufklärung, sein. Grenzen werden hier jedenfalls kaum überschritten. Außer…

Harte Abzüge in der B-Note

…wenn es um diese raffgierigen und egoistischen Juden geht. So mag es – neben einer primär heterosexuellen Besetzung, aber mei – den Zuschauer*innen etwas sauer aufstoßen, wie die ganze Ebene um die Religiosität der Familien gehandhabt wird. Khaled und seine Familie sind Muslime, Davids Familie ist wie erwähnt jüdisch. Natürlich bieten sich da viele humorvoll aufbereitete Konflikte an und selbstredend spiegeln sich da Homosexualität und Religion. Ist es bei Davids Mutter, die jetzt einen Jiddisch-Kurs an der Volkshochschule belegt, doch eher der Gedanke keine Enkelkinder zu haben, als sonst etwas, das sie an seinem Schwulsein stört, so scheint Khaleds gesamte Familie homophob, abgesehen von seiner jüngeren Schwester Ajna (beste Leistung im Film: Kristin Hunold). Das führt am Ende zu einem tatsächlich interessanten Konflikt und einer Art Katharsis, nicht ohne kaum uneigennützige Hilfe von Davids Mutter Lea.

Lea Silbermann (Maren Kroymann) und Schlomo (Michael Prelle) – da bleibt das Lachen im Hals stecken. // © NDR/Heimathafen Film & Media GmbH

Die jedoch ist ein Klischeeabziehbild der bösen Jüdinnen und Juden, Humor hin und her. Sie kündigt diesen „Islamisten“ ohne Not den Laden, hasst Khaled förmlich weil er ein Muslim ist und damit automatisch irgendwie auch Terrorist sein muss, sie ist als besitz- und geldfixiert charakterisiert und nutzt auch Letzteres, um sich vermeintlich den Wunsch nach einem Enkelkind zu erfüllen – quasi Menschenhandel in Homonover. Ihr Mann schätzt dieses „Böse“ an ihr und wird mit seiner Kippa im Kitschbett ganz wuschig. Das wird zwar irgendwie mit Augenzwinkern kommuniziert, da es hier aber keinen doppelten Boden, keine ironische Metaebene gibt, ist der Witz lediglich der, dass wir über diese „verschlagenen Juden“ lachen sollten. Das bleibt uns dann doch eher im Hals stecken und ärgert. Sehr. 

Insofern kann die Frage in den Raum gestellt werden, ob Familie verpflichtet überhaupt gesehen werden sollte. An sich schon, da wir den Macher*innen keine Judenfeindlichkeit sondern einfach Unbedarftheit unterstellen wollen. In vielerlei Hinsicht ist er gut gemeint, bei aller immer wieder deutlichen Biederkeit witzig und eben doch an mancher Stelle ein klein wenig derb. Wer also nicht zu viel erwartet, kann sich gut 80 Minuten gut unterhalten und ein wenig ärgern lassen. 

Familie verpflichtet lief zum FilmMittwoch im Ersten am 14.4.2021 um 20:15 Uhr im Ersten und wird erneut am 18.4.2021 um 20:15 Uhr auf one ausgestrahlt; der Film ist bis zum 29.5.2021 in der Mediathek verfügbar.

Familie verpflichtet; Deutschland, 2015; Regie: Hanno Olderdissen; Buch: Lucas Banuscha, Michael Comtesse; Kamera: Carol Burandt von Kameke; Musik: Jörg Gollasch; Darsteller*innen: Omar El-Saeidi, Max von Pufendorf, Maren Kroymann, Ramin Yazdani, Franziska Brandmeier, Nikola Kastner, Kristin Hunold, Hendrik von Bültzingslöwen, Corny Littmann; Laufzeit ca. 84 Minuten

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