(Kein) Kanzlerkandidat auf der Kaiserburg

CSU-Chef Markus Söder stellt die bayerische Kultur ja gerne zur Schau. Letzte Woche quasi-royale Schnappschüsse auf Schloss Herrenchiemsee mit der Bundeskanzlerin und gestern im ZDF-Sommerinterview auf der Kaiserburg seiner Heimatstadt Nürnberg. Wir stellen die Highlights aus dem Interview mit dem Ministerpräsidenten vor.

Corona macht (noch keinen) Kanzler

Moderator Theo Koll steigt gleich mit einem aktuell populären bis populistischen Thema ein: Kanzlerkandidat Söder. Vor allem der Zweikampf mit Armin Laschet, Söders Amtskollege aus Nordrhein-Westfalen und Bewerber für den CDU-Vorsitz, prägt das Gespräch. Zu Beginn mit einem äußerst charmanten Zusammenschnitt aus Interviews der beiden Landesfürsten fragt Koll Söder nach dessen „Kommunikation mit dem Florett“. Lustig. Söder kontert nüchtern, aber treffsicher: „Das klingt nach gut zusammengeschnitten.“ Touché!

Seine gute Laune wird sich mit kleinen Schmunzeleien und Schmutzeleien durch den Rest des Gesprächs ziehen, das fast zur Hälfte aus Versuchen Kolls besteht, Söder eine Aussage zu seinen Ambitionen zu entlocken, gepaart mit Corona-Bewältigungs-Fragen. Söder erklärte ja bereits, dass „nur wer Krisen meistert, wer die Pflicht kann, der kann auch bei der Kür glänzen“. Auch das ein dezenter Angriff auf Laschet und die Eintracht, die noch im März 2019 bei der gemeinsamen Kabinettssitzung herrschte, scheint wie weggeblasen.

Politprofi Söder nutzt die Steilvorlagen stets, um zu wiederholen, wie gut Bayern Corona bewältigt und wie schlecht das alle anderen machen – auch wenn die tatsächlichen Fallzahlen in Bayern eine andere Sprache sprechen. NRW hat derzeit (Stand: 20. Juli, 00:00 Uhr; Quelle: tagesschau.de unter Berufung auf das Robert-Koch-Institut) mit knapp 2 000 Infizierten die höchste Zahl an akut Infizierten, gefolgt von Bayern mit 923. Insgesamt hatte Bayern jedoch seit Beginn knapp 50 000 positive Fälle, das einwohnertechnisch etwa anderthalbmal so große NRW „nur“ etwas über 46 000 Fälle. Klar, es gab ja Ischgl und alles, aber dennoch ist es erstaunlich, dass dieser Fakt in der öffentlichen Tönnies-Empörung quasi nicht stattfindet.

Einen potentiellen Kanzlerkandidaten Söder dürfte dieser Fakt bestimmt irgendwann einholen. Irgendwann startet Koll seine letzte Nachfrage nach der K-Frage. Söder behauptet, die Frage „schon vier-, fünf- oder sechsmal schon beantwortet“ zu haben. Wobei er eher vier-, fünf- oder sechsmal ausgewichen war. Aber das gehört zum Florettkampf ja auch dazu.

Weitere Kriegsschauplätze: Maut, StVO und Kabinettsumbildung

Danach ging es dann zu weiteren Kriegsschauplätzen. Koll sprach Söder auf das Maut-Debakel des CSU-Manns und Bundesverkehrsminister Andi Scheuer an, ebenso wie die formell fehlerhafte und dadurch jüngst einkassierte Novelle der Straßenverkehrsordnung. Dass Scheuer nach solchen Fehltritten noch im Amt ist, ist für viele verwunderlich, zumal ausgerechnet der CSU-Chef Söder noch zu Jahresbeginn forderte, dass das Bundeskabinett noch vor Ablauf der Wahlperiode deutlich verjüngt werden solle. Söder hält dennoch weiterhin zu Scheuer, vielleicht einfach nur als Sündenbock, der jetzt die Möglichkeit habe „das nochmal zu klären und gutzumachen“. Klingt nach Gnadenfrist und leichter Druckerhöhung. Scheuer sollte jetzt auch liefern. Aufhorchen lässt ganz am Ende auch Söders aufgeweichte Haltung zu einem Tempolimit auf Autobahnen – eine neue (wieder aufgebrachte) Kernforderung der Grünen bei einer Regierungsbeteiligung im kommenden Jahr.

Außerdem als Randnotiz: Von der Forderung nach der Kabinettsumbildung rückt er zwar ab, allerdings nennt er den in der Krise durchaus präsenten und erfolgreichen Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) namentlich in diesem Zusammenhang, wenn auch lobend. Erstmals sagt Söder, wen er Anfang des Jahres meinte. Volle Breitseite also gegen den Wirtschaftsminister.

Außenpolitik 101 mit Markus Söder

Nach einem kurzen Intermezzo zum Thema Polizeigewalt und der von Söders Vorgänger und dem heutigen Innenminister Horst Seehofer nicht durchgeführten Studie zu Extremismus und Rassismus in der Polizei geht es nochmal um staatliche Gewalt, allerdings die, die China in Hongkong ausübt. Söder muss – untypisch lange – erst einmal durchatmen und laviert sich durch das heikle Thema. Er sagt Sätze wie: „Wir haben eine Vereinigte Staaten von Amerika, die früher unser wichtigster Partner waren, bei deren manches Verhalten eher bizarr anmutet […]“. Er hat recht, über die USA und ihren Präsidenten schütteln wir hierzulande oft den Kopf. Aber wer bitte wäre denn sonst unser wichtigster Partner, wenn nicht die USA? Ok, Frankreich und die EU liegen auf der Hand, aber ein Bundeskanzler müsste das auch durchaus benennen können. Der Moment ist kurz, aber irritierend.

An der Stelle fällt tatsächlich auf, wie wenig außenpolitisches Profil Markus Söder hat. Klar, Außenpolitik ist keine Ländersache, aber bei allen anderen potentiellen Kanzlerkandidaten der CDU – also den Kandidaten für den Vorsitz – besteht zumindest ein wenig außenpolitisches Profil. Norbert Röttgen als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses ist in quasi allen außenpolitischen Themen sprechfähig, Friedrich Merz ist überzeugter Transatlantiker und war lange Vorsitzender der Atlantik-Brücke. Selbst Armin Laschet kann man noch Euro- und Frankophilie zuordnen, wahrscheinlich auch weil der Aachener Vertrag vor anderthalb Jahren in seiner Heimatstadt unterzeichnet wurde.

Aber Söder? Er schließt seine erste Antwort mit den vollkommen trivialen Worten, dass es die größte Herausforderung sei, die richtige Balance zwischen Interessen und Werten in der deutschen Außenpolitik zu finden. Dieser Satz steht ganz oben auf der Homepage des Auswärtigen Amts und in jedem Lehrbuch zur deutschen Außenpolitik. Dass er nicht mehr als das parat hat, zeigt, wie gering sein außenpolitisches Wissen (und Interesse?) bislang ist und dass sein außenpolitischer Aktionsradius bisher nicht über Ischgl und Wien hinausreicht. Selbst Annegret Kramp-Karrenbauer hatte vor ihrem CDU-Vorsitz und kurzzeitigen Kanzlerinnenambitionen mehr außenpolitisches Profil entwickeln können.

Zur Außenpolitik gehört übrigens auch die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik. Hier wäre aber vermutlich auf Dauer auch mehr als nur Herrenchiemsee und Kaiserburg nötig, wenn Söder entsprechende Ambitionen hegen sollte.

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