Bärenklau

Alte und/oder reiche Männer um den Finger wickeln und sie ihrer Habseligkeiten entledigen. Ein bisschen Trickbetrug hier, ein paar K.o.-Tropfen da – und dazu ein Mord oder vielleicht auch „nur“ eine Tötung aus Versehen. Manch eine diebische Elster hat es in der Vergangenheit doch hin und wieder übertrieben und das Karma zu sehr herausgefordert.

Karma und Kismet in Wiesbaden

Um das Karma nämlich geht es im Tatort: Murot und das Gesetz des Karma, dem neuesten Fall aus Wiesbaden. Ulrich Tukurs Felix Murot muss gemeinsam mit seiner Kollegin Magda Wächter (Barbara Philipp) in einem Todesfall ermitteln, der sich in einem Hotel zugetragen hat, in dem zufällig auch Murot die Nacht verbrachte. Sowohl der Tote (Dirk Martens) als auch Murot waren scheinbar – wie sich im Rahmen der Ermittlungen zeigen soll – Opfer ein und derselben Frau (Anna Unterberger) geworden, Murot allerdings mit dem Vorteil, wieder aus seinem Schlummer erwacht zu sein (wenn auch um eine Geldbörse samt Dienstausweis leichter).

Schöller (Philipp Hochmair) und Eva (Anna Unterberger) // © HR

Bei dem Toten handelt es sich offenbar um einen wichtigen IT-Experten, der auf seinem Notebook brisantes Material über die Machenschaften seines Chefs Schöller (herrlich schmierig: Philipp Hochmair; kürzlich als Reinhard Heydrich im mit dem Deutschen Fernsehpreis prämierten Film Die Wannseekonferenz zu sehen gewesen) hat. Als dieser davon Wind bekommt, dass das Notebook im Vorfeld des Ablebens (Verzeihung: der Reinkarnation) des Mitarbeiters verschwunden ist, schickt er seine rechte Hand Xavier (wunderbar tragisch: Thomas Schmauser) auf die Suche. Dass Kismet – also das Schicksal – ihm Eva – also die Trickbetrügerin, die auch Murot „flachgelegt“ hat – mit einer stattlichen Ablösesumme ins Haus rollen lässt, hat er wohl nicht erwartet, erleichtert aber dem korrupten Unternehmer den Ermittlungsaufwand erheblich.

Ganzheitliche Ermittlungen

Pflichtgemäß begeben sich aber auch Murot und Wächter auf den Ermittlungspfad und es gibt erstaunliche Parallelen zu dem bereits legendären Fall Im Schmerz geboren aus dem Jahr 2014. Wie damals taucht auch hier mal wieder zumindest der Verdacht einer unbekannten Nachkommenschaft Murots auf und wie damals wird Barbara Philipp zur „Wächterin“ über ein dieses Mal nicht ganz so großes Murot-Geheimnis.

Freundinnen: Eva (Marina Mitterhofer) und Eva (Anna Unterberger, re.) // © HR/Bettina Müller

Ihr indischer Wunderheiler (Mohammad-Ali Behboudi) – Verzeihung, natürlich ein Arzt mit „ganzheitlichem Ansatz“ – vermag Murot auch nur bedingt zu helfen, als der von den K.o.-Tropfen seiner „Errungenschaft“ noch immer geplättet ist. Fakt ist allerdings, dass Wächter in diesem Fall die eindeutig treibende Figur ist, wohingegen Murot sich einmal mehr mit seiner Vergangenheit, einer alten Liebschaft und unklaren Vaterschaftsverhältnissen auseinandersetzen muss. Wenn das mal keine Honigfalle ist…

Karikatur ohne Feuer

Trotz einer erneut sehr starken Leistung von Wächter und Barbara Philipp – wieso ist sie eigentlich nicht bereits Murots gleichrangige Partnerin? Hat sie häufig doch weit mehr Durchblick als ihr Vorgesetzter („Wächter, Sie spionieren mir nach“? – „Ich habe ermittelt, und Sie waren ja nicht erreichbar, schon vergessen?!“) – plätschert dieser mittlerweile 11. Murot-Tatort einmal mehr vor sich hin. Wirkliche Spannung mag nicht so recht aufkommen; Sympathie oder Antipathie stellt sich ebenfalls für keine der Figuren wirklich ein, was auch daran liegen mag, dass nahezu jede Figur im Drehbuch von Lars Hubrich und Matthias X. Oberg (ebenfalls Regie) bis an die Grenze zur Karikatur überzeichnet ist. 

Felix Murot (Ulrich Tukur), Magda Wächter (Barbara Philipp) und Xavier (Thomas Schmauser, re.) // © HR/Bettina Müller

Es scheint in der Tat, dass mensch sich entschieden hat, nach dem recht beeindruckenden und explosiven Angriff auf Wache 08 vorrangig humoristisch-abstrus geprägte Murot-Filme zu machen. Was okay ist. Doch so nett Die Ferien des Monsieur Murot und philosophisch verspielt, aber belanglos Murot und das Prinzip Hoffnung auch waren – der Funke springt mit diesem Film nun zum dritten Mal in Folge nicht so recht über.

Somit darf allerdings auch nicht wenig gelacht werden. Ebenso gibt es feine Bilder von Emmy-Preisträger Max Preiss, die hier und da ein wenig kribbelige Stimmung aufkommen lassen. Murot und das Gesetz des Karma ist also nicht langweilig oder dröge, lässt uns einigermaßen solide unterhalten und doch mit der Frage: „Was für eine Fingerübung war das?“ zurück. 

HMS, Mitarbeit AS

Felix Murot (Ulrich Tukur) schaut in die Vergangenheit // © HR/Bettina Müller

Tatort: Murot und das Gesetz des Karma läuft am 25. September 2022 um 20:15 Uhr im Ersten, um 21:45 Uhr auf one und ist anschließend für sechs Monate in der ARD-Mediathek verfügbar.

Tatort: Murot und das Gesetz des Karma; Deutschland 2022; Buch: Lars Hubrich, Matthias X. Oberg; Regie: Matthias X. Oberg; Kamera: Max Preiss; Musik: Christof Söhngen; Darsteller*innen: Ulrich Tukur, Barbara Philipp, Anna Unterberger, Thomas Schmauser, Philipp Hochmair, Dirk Martens, Yorck Dippe, Stephan Bieker, Sascha Nathan, Marina Mitterhofer, Lukas Watzl, Jan Georg Schütte, Mohammed-Ali Behboudi; Laufzeit ca. 88 Minuten; Eine Produktion des Hessischen Rundfunks

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