„Dieses Leid gehört allein der Familie“

Als Sonia (Aline Kuppenheim) am Telefon zu Marina (Daniela Vega) sagt, sie solle – oder viel eher dürfe – sie nicht siezen, ist die Stimmung schon angespannt, aufgeladen. Marina hat ihren geliebten Partner Orlando ((Francisco Reyes) verloren und informierte dessen Bruder Gabriel (Luis Gnecco), der wiederum die Familie ins Bild setzt. Diese Familie, Ex-Frau, Sohn, etc., mochte die neue Frau an Orlandos Seite nie. Vor allem nicht, dass sie nicht wussten, was sie aus dieser Perversen zu machen hatten.

Glücklich verliebt: Orlando (Francisco Reyes, links) und Marina (Daniela Vega) // Fabula/Komplizen Film

Pervers, weil eine trans*Frau. Für die (Ex-)Familie nur ein nicht zuzuordnendes Stück Fleisch. Eine Chimäre, sieht sie, sagt Sonia an einer besonders dramatischen und doch von Regisseur und Autor Sebastián Lelio (Drehbuch mit Gonzalo Masa) still umgesetzten Stelle von Eine fantastische Frau. Still ist der ganze Film, der 2018 mit dem Oscar als bester fremdsprachiger Film prämiert worden ist – was durchaus Bewegung in queerpolitische Anliegen brachte.

Die chilenisch-deutsch-amerikanischspanische Koproduktion legt den Fokus voll und ganz auf die Figur Marinas, die eine Palette von Emotionen auszudrücken weiß, selbst dann, wenn sie die sie freundlich erpressende Kommissarin Adrian Cortés (Ampara Noguera) nur niederstarren muss. Was natürlich nicht ohne Konsequenzen bleibt.

Statt dass Marina sich voll und ganz auf die ihr zustehende Trauer nach dem Verlust eines Menschen den sie liebte, mit dem sie ihr Leben geteilt hat, konzentrieren kann, muss sie sich diverser Vorwürfe und Unterstellungen erwehren. Hat Orlando sie benutzt? War sie das Toy-Girl? Gab es Gewalt in der Beziehung? Gab es überhaupt eine Beziehung?

Marina (Daniela Vega) // Fabula/Komplizen Film

In Eine fantastische Frau wird häufiger von Perversion gesprochen. Davon wie krank das alles sei. Was wir als Zuschauer*innen dieses 90-minütigen intensiven und bei aller Bitterkeit durchaus auch manches Mal federnden Films feststellen, ist, dass die Dreckigsten jene sind, die sich für die Normalen halten. Und: Die Trauer gehört allen, die geliebt haben.

QR

Der BR zeigt Eine fantastische Frau am heutigen Donnerstagabend um 23:15 Uhr im Rahmen von BR Queer; anschließend ist der Film für 30 Tage in der Mediathek verfügbar.

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