„It‘s madness.“

Die sechste und letzte Staffel von The Crown, dem Historien-Hochglanz-Prestigeprojekt des Streamingriesen Netflix, startet mit einem Knall und einem Experiment: Die erste Folge der Finalstaffel beginnt mit dem aus einem gewissen Abstand wahrgenommenen Unfall Lady Dianas, Dodi Fayeds und Fahrer Henri Paul im Pariser Tunnel der Pont de l‘Alma. Dann heißt es acht Wochen vorher. Fast wie bei Élite

Acht Wochen

Acht Wochen, in denen die seit nunmehr einem Jahr von Prinz Charles (Dominic West) geschiedene Princess of Wales Diana (Elizabeth Debicki) auf dem Saint-Tropez-Sommeranwesen von Mohamed Al-Fayed (Salim Daw) aus ihrem Leben und den Erinnerugen auszubrechen versucht, dabei immer die Söhne Harry (Fflyn Edwards) und William (Rufus Kampa) im Blick. Acht Wochen, in denen sie viel Zeit mit Dodi (Khalid Abdalla) auf der großen Yacht der Familie verbringt; sich nebenher um die Opfer von Landminen zu kümmern bemüht ist (hier in Bosnien nach dem Krieg) und zwischen Ferien und Familie pendelt.

Geburtstag Camillas ohne Mummy aber mit Tante // © Keith Bernstein/Netflix

Acht Wochen, in denen Charles mit Hilfe seines mittlerweile ebenfalls recht bekannten PR-Beraters Mark Bolland (Ben Lloyd-Hughes) nicht nur darum bemüht ist, den Krieg um die Sympathien der Regenbogen– sowie der seriösen Presse und Öffentlichkeit im Sinne Camillas (Olivia Williams) zu gewinnen, sondern auch seine Mummy, die Queen (Imelda Staunton), davon überzeugen will, Camilla an seiner Seite offiziell anzuerkennen. Ein Anliegen, das von Prinzessin Margaret (Lesley Manville) durchaus unterstützt wird, wie wir im Rahmen des 50. Geburtstags von Camilla erfahren (der durchaus seine Cringe-Moments hat). Zu diesem Anlass wollte Charles seine Mutter unbedingt als Gast sehen („[Y]ou improve any occassion with your presence.“).

Stillstand

Acht Wochen die sich über drei der vier seit dem 16. November 2023 auf Netflix verfügbaren Folgen erstrecken. Ein Experiment also. Noch nie seit ihrem Start im Jahre 2016 hat die Serie einen so verdichteten Zeitraum über eine so lange Zeit erzählt. Zweieinhalb Stunden nehmen Headautor und Schöpfer der Historien-Soap Peter Morgan sowie die Regisseure Alex Gabassi (Folge eins) und Christian Schwochow (zwei bis vier) sich, um zu erzählen, wie es Diana in jenem Sommer erging.

Sommer, Sonne, Sonnenyacht // Foto: Daniel Escale/Netflix © 2022 Netflix, Inc.

Wie sie sich in eine Affäre flüchtete. Wie der Fayed-Patriarch sie zur Schwiegertochter und endlich als Eintrittskarte in die britische Gesellschaft und wohl auch jene der Royals suchte. Wie sehr Charles um Anerkennung von Mummy und Öffentlichkeit bemüht war. Wie wenig in diesem Sommer in der Wahrnehmung der Welt(-politik) geschah, außer jenem die Welt zum Stillstand bringenden Unfall am Ende des Sommers 1997.

Beinahe wie aus dem echten Leben I: Charles, William und Harry lassen sich von Duncan Muir familiär auf Balmoral ablichten // Foto: Keith Bernstein/Netflix © 2022 Netflix, Inc.

In der vierten Folge, als Charles Dianas Leichnam von Paris nach England überführt, sagt er in einem „Geistergespräch“ zur jüngst verstorbenen Ex-Gattin sinngemäß, dass wohl nur sie es schaffe, eine der belebtesten Städte der Welt zum Innehalten zu bringen. Auch die Queen wird am Ende dieser vierten Folge mit der Erinnerung Dianas sprechen. Ein Selbstgespräch quasi, das diese dazu bewegen wird, von Balmoral nach London zurückzukehren, wo die Massen auf der Straße trauern.

Gelungenes Experiment

Das Experiment jedenfalls gelingt. Dass die Macher*innen von The Crown sich noch einmal Zeit nehmen, Diana – die von Elizabeth Debicki erneut mit all ihren Manierismen perfekt verkörpert ist –, ihren inneren Kampf um sich selbst, die Liebe zu den Söhnen, ihren komplexen, widersprüchlichen Charakter usw. usf. zu zeigen, zahlt sich aus. Wir alle wissen um den tragischen Unfall in der Nacht vom 30. auf den 31. August 1997. Und doch wirkt das hier noch einmal nach.

Beinahe wie aus dem echten Leben II: Diana und Dodi // Foto: Daniel Escale/Netflix © 2022 Netflix, Inc.

Zumal dieser in mehrfacher Hinsicht so unnötig scheint. Wenn es auch durchaus zu beachten gilt, dass die Fiktion in The Crown immer eine wesentliche Begleiterin war und ist, eine Dokumentation wie etwa The Princess, ist die Serie eben nicht. Dessen unbenommen geben uns diese drei Folgen nochmals einen Einblick in die Zeit unmittelbar vor ihrem Tod, ziehen uns erneut in den Bann der Princess of Wales.

Beinahe wie aus dem echten Leben III: Ein Foto, wohl inspiriert von einem Mario Testino-Shoot mit Lady Di. Könnte so auch in der (britischen) Vogue erschienen seinen, wie es im Bildband ROYALS einige zu sehen gibt // Foto: © Charlotte Hadden/Netflix

Mitsamt all der überbekannten Fotografien, die in der Zeit entstanden – seien es jene heimlich von Paparazzi geschossenen, jene, die Diana goutierte und wollte oder jene, von Charles, William und Harry auf Balmoral. Wie schon in Staffel fünf drängt die gegenwärtige Erinnerung stark in die Handlung der Serie. Ein Eindruck, der sich mit den verbleibenden sechs Folgen The Crown, die Netflix am 14. Dezember veröffentlicht, noch verstärken dürfte. (Apropos Bilder: Im Prestel Verlag ist vor einiger Zeit der Bildband ROYALS von Robin Muir und Josephine Ross erschienen, den wir in Kürze ausführlich besprechen werden, der aber schon einmal empfohlen sei.)

Durchatmen

Mit der vierten Folge wird dieses Experiment allmählich wieder aufgelöst. Sehr zu begrüßen auch, dass Vater Fayed nicht einfach mit dem Tode des Sohnes verschwindet, sondern wir auch dessen Trauerprozess erleben. Nach der ausführlichen und sehr starken Einführung der Figur in Staffel fünf, ist das nur gut und recht.

Der trauernde Vater und Patriarch Fayed // © Netflix

Ein gelungener, tragischer und etwas anderer Einstieg in die sechste Staffel, nach welchem eine Aufteilung in zwei Teile gar Sinn ergibt. Erstmal durchatmen und die siebte (nach ebenfalls vier Folgen bisher sehr schwache und erstmals auf ein „XX Wochen vorher“ verzichtende) Élite-Staffel weiterschauen.

AS

PS: „And I‘d rather not be lectured on how or when to grieve or show emotion.“ – „Particularly by the person who caused her the most pain“ – Mummy und Papa als Charles darauf besteht, dass Diana ein großes öffentliches Begräbgnis brauche und die Alten sich mal nicht so haben sollen. Die Szene ist überhaupt stark: Charles versucht seinen verdatterten Eltern hier zu vermitteln, dass die royale Familie es nicht beidseitig haben kann. Privat, wenn sie mögen. Öffentlich, wenn es ihnen taugt. Das habe man versucht und es sei nie, nie, nie gelungen. Recht hat er. Übrigens spielt Dominic West den Charles famos, allerdings wohl mit weit mehr Charisma, als der echte Charles es bislang je auszustrahlen vermochte.

PPS: „I‘m happy you‘re so manifestly happy.“

Netflix veröffentlichte die ersten vier Folgen der sechsten Staffel von The Crown am 16. November 2023; die verbleibenden sechs Episoden sind ab dem 14. Dezember 2023 verfügbar.

The Crown – Staffel 6, Teil 1; UK, USA 2023; Buch: Peter Morgan; Regie: Alex Gabassi, Christian Schwochow; Musik: Martin Phipps; Darsteller*innen: Elizabeth Debicki, Dominic West, Imelda Staunton, Jonathan Pryce, Khalid Abdalla, Salim Daw, Olivia Williams, Lesley Manville, Bertie Carvel, Claudia Harrison, Marcia Warren, Rufus Kampa, Fflyn Edwards, Ben Lloyd-Hughes, Harry Anton; vier Folgen à 39 – 57 Minuten; seit dem 16. November auf Netflix

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