Beitragsbild: Reichstagsgebäude, Winter 2013 // © Deutscher Bundestag/Achim Melde
Es gab in den vergangenen Tagen mehrfach Berichterstattung über das Fragerecht im Deutschen Bundestag. Die Zahl der Kleinen Anfragen habe laut Auskunft der Bundestagsverwaltung in der seit Herbst 2017 laufenden Wahlperiode bereits fast die Summe der in den beiden vorangegangenen Wahlperioden eingereichten Anfragen erreicht. Mit dem Instrument der Kleinen Anfrage können die Fraktionen (vornehmlich der Opposition) Informationen seitens der Bundesregierung einholen und für ihre politische Arbeit verwenden. Fußnote: Eine gute Zusammenstellung des Verfahrens und eine durchaus kluge Einschätzung findet sich hier.
Die Rechte der Opposition…
So weit, so gut. Die Rechte der Opposition sind nicht nur in der Demokratie von höchster Bedeutung. Während die Linkspartei in Person ihres 1. Parlamentarischen Geschäftsführers Jan Korte fordert, dass die Regierung besser informieren und so Anfragen vermeiden könne, verschließt die Partei dennoch die Augen, wenn es um die Rechte der Opposition in Venezuela geht. Egal, die Linke flutet die Bundesregierung seit Monaten mit Anfragen zu Lobbyismus, Sozialausgaben und Ähnlichem. Bei den Grünen geht es meist um Klima- und Umweltthemen und bei der FDP um die Wirtschaft. Für die kleinen Parteien und ihre jeweilige Klientel ist dies auch sehr nachvollziehbar, auch wenn sich bei Anfragen zu Apfelexporten nach Kanada und Taiwan (FDP) durchaus Fragen nach der Sinnhaftigkeit mancher Informationsersuchen.
Nicht mehr nachvollziehbar ist jedoch teils das Gebärden der AfD, der das Fragerecht natürlich ebenfalls zusteht. Inhaltlich kreisten im vergangenen Jahr viele Anfragen latent um das Thema Migration, anhängige Kosten und negative Entwicklungen in der Gesellschaft hierdurch. In den letzten Monaten hat sich der Tenor aber mehr und mehr in eine Richtung entwickelt, die der Bundesregierung überall Vetternwirtschaft und Medienmanipulation vorwirft und lediglich destruktiv Misswirtschaft und Scheitern in der Regierungsarbeit aufdecken will.
…schamlos ausgenutzt
Die Kontrolle der Regierung ist ein mehr als legitimes Interesse und die wohl wichtigste Funktion der Opposition. Warum die AfD letztes Jahr aber die entsprechenden Referate der Bundesministerien flutete und für jede einzelne Bundesbehörde fragte – insgesamt um die 200 Anfragen – welche Korrekturbitten die jeweilige Institution in den letzten Jahren an die Medien stellte bleibt das Geheimnis der AfD. Warum die AfD in den vergangenen Monaten die Digitalstrategie der Bundesregierung nahm, in unzählige Einzelteile zerlegte und quasi jedes winzige Vorhaben aus dem Papier nach deren aktueller Umsetzung abfragte bleibt ebenfalls ihr Geheimnis.
Das Spannende hieran ist – im Gegensatz zu den Korrekturbitten – dass viele Fragen, die die Einreichenden stellen, eigentlich überflüssig sind. Die meisten Informationen, die hier abgefragt werden, sind bereits öffentlich verfügbar. Die AfD, deren Abgeordnete und Mitarbeiter, müssten sich nur einmal die Mühe machen, eine bekannte Suchmaschine zu benutzen und die einschlägigen Schlagwörter einzugeben. Das hier praktizierte Vorgehen deutet jedoch entweder auf eine mangelnde Medienkompetenz bei den fragenden Akteuren oder auf ein sehr bewusstes Vorgehen zur Lahmlegung der Regierung hin.
Der frühere Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat im vergangenen Jahr ein Buch über das Handwerk des Regierens geschrieben. Effektives Regieren kann allerdings auch nur eine begrenzte Portion Störfeuer vertragen. Daher ist es durchaus legitim, die Motive vieler parlamentarischer Anfragen zu hinterfragen: Geht es den Petenten darum, Öffentlichkeit und Transparenz herzustellen und die Regierung zu kontrollieren oder werden hier Minderheitenrechte missbraucht, um die Herrschaft der vom Volk gewählten Mehrheit einfach nur zu blockieren. Ersteres sollte in einer Demokratie selbstverständlich und ein nur schwer anzutastendes Gut sein. Letzteres hingegen schadet am Ende allen: der lahmgelegten Regierung und den Regierten, die keine Fortschritte im öffentlichen Diskurs mehr erwarten können.
HMS
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