Mehr Mehr, aber auch mehr Weniger wagen

Salahdin Koban, Jahrgang 1987, kurdischer Abstammung, geboren in der schwäbischen Provinz, säkularer Muslim und konservativer Christdemokrat (Mitglied seit 2010) fordert in seinem Buch Deutschlands freiwilliger Untergang – Identitätskrise einer Nation, die keine sein will, dass wir Deutschen eine gesündere Wahrnehmung des Begriffs Patriotismus benötigen, uns von zu laxen Gerichtsurteilen gegen Zugewanderte verabschieden sollen, außenpolitisch deutlicher Stellung beziehen müssen und dringend an unserem teils übertriebenen Toleranzbegriff arbeiten sollen. Sein Debattenbeitrag ist kurzweilig, oft treffend, manchmal jedoch etwas eindimensional und zu polemisch.

Was passiert: In insgesamt neun Kapiteln, plus Einleitung und Nachwort und inklusive eines Vorworts von Arye Sharuz Shalicar setzt sich das Buch mit einigen der aktuellen Probleme unseres Landes auseinander, wie beispielsweise der Zuwanderung und einer im Großen und Ganzen kaum funktionierenden Integration der Zuwanderer (insbesondere Kapitel 1 und 2). Ebenso argumentiert Autor Koban für „Mehr Patriotismus“ (Kapitel 3) und „Pro Deutsche Leitkultur“ (Kapitel 4). Er setzt sich für eine „Realpolitische Nahostpolitik“ (Kapitel 6) ein, argumentiert für eine veränderte und mehr auf Stärke setzende Außenpolitik (Kapitel 7). In Kapitel 8, einem der längsten des Buches, arbeitet er sich dezidiert an linker Politik unter dem Motto „Irrwege ideologischen Denkens“ ab. 

Was passt: Salahdin Koban formuliert auf den Punkt, hin und wieder pointiert, aber nicht ohne Ernst. Wie er über unseren Mangel an Verständnis für Zuwanderer speziell aus muslimisch geprägten Ländern schreibt, trifft den Nagel auf den Kopf. Dass wir aus zu viel vermeintlichem Verständnis genau dieses vermissen lassen und uns dann wundern, dass die Integration nicht wie gewünscht gelingt. Das habe aber auch damit zu tun, dass wir keine definierte „Leitkultur“ haben, womit er nicht ganz unrecht hat. So schreibt er ganz richtig: „Die Deutschen formulieren gern abstrakte Prinzipien und wundern sich dann, weshalb die zwar alle teilen, aber nicht leben.“ (S. 73) Boom. Richtig ist auch, dass er mehr Begeisterung für den Rechtsstaat fordert. Gerade nach den Ereignissen der letzten Wochen ist das eine erst recht nachvollziehbare Forderung.

Seine Ausführungen zur Nahostpolitik und zum Antisemitismus hätte man sich ausführlicher gewünscht, allein weil er das Thema kann. So trifft seine kurze Analyse zu und seinen Anmerkungen zum UNRWA, dem palästinensischen Flüchtlingswerk, ist nur zuzustimmen. Man merkt seinen Ausführungen durchaus an, dass im Nahen und Mittleren Osten einer seiner thematischen Schwerpunkte liegt. Sie gehören bei aller Knappheit zu den nachvollziehbarsten des Buches.

Wie Koban in verschiedenen Schwerpunkten die vielen Widersprüche und die Heuchelei linker Politik auseinandernimmt, ist bei allem Ärger über die Sachverhalte dennoch unterhaltsam. Zu linker Politik zählt der konservative Autor auch die Grünen und den linken Flügel der SPD. Bei den Grünen wird man nun sicherlich ebenso wie bei der SPD abwägen können. Aber gerade nach den Äußerungen der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, wie auch dem linken SPD-Vorzeige-Erklärer-&-Spin-Doctor Kevin Kühnert, sowie der Weigerung der Grünen-Führung, eine Koalition mit der Linkspartei auszuschließen, lässt sich der Zuordnung wohl kaum widersprechen (siehe dazu auch unsere Analysen der diesjährigen Sommerinterviews).

Was passt nicht so: Bleiben wir bei dem Kapitel über „Linke Politik“: Wenn auch in erster Linie vieles zutrifft, so bringt er ausgerechnet hier auch das Thema „Geschlecht ist kein Konstrukt, sondern eine körperliche Tatsache“ unter. Hier argumentiert Koban nach dem Motto „von jeder passenden These“ etwas und spielt dann noch Feminismus und Transgender gegeneinander aus, was sicherlich J.K. Rowling ein bisschen feucht werden lassen könnte, aber viel zu vereinfacht ist. Seine Haltung kann man hier durchaus hinterfragen (ist ja auch ein Debattenbeitrag) und nicht allein mit dem Wort „konservativ“ begründen, sagt hier ein progressiver Konservativer mit liberalem Einschlag. Recht hat er allerdings wieder, als er sich gegen die Härte (Gewalt, Redeverbote, …) mit der für Transgender-Rechte, insbesondere in den USA und UK, gestritten wird ausspricht und feststellt, dass dieses Thema, zumindest vernehmbar, in erster Linie von linken Kreisen besetzt ist und da auch manch eine Forderung viel zu weit greift und schlicht niemandem hülfe. 

Wie erwähnt, ist manch eine Argumentation so kurz geraten, dass es über ein paar Erläuterungen zur Situation und einige knackige Allgemeinplätze nicht hinausgeht. So wirkt das Buch an mancher Stelle wie die Vorschau auf ein größeres Werk. Ein Problem, das Salahdin Koban, der sich 2017 über die Liste erfolglos um den Einzug in den Bundestag bewarb, mit der Jungen Gruppe der CDU-Bundestagsfraktion teilt. Das ist insofern bedauerlich, weil diese Stellen in Konsequenz beinahe beliebig wirken.

Deutschlands freiwilliger Untergang will vom Autoren als „gesellschaftspolitischer Debattenbeitrag“ verstanden werden und das gelingt dem Buch absolut. Viele Themen die Salahdin Koban hier in aller Kürze aufgreift, sind sicherlich gut debattierbar und er bringt viele richtige Argumente und wichtige Fragen auf. Nicht ganz klar ist jedoch, ob es an mancher Stelle einfach als lauter und möglichst polemischer Beitrag gelesen werden soll oder er sich nicht mit der Menge an Themen in einem so kurzen Büchlein ein wenig verrannt hat und ein, zwei Abstriche dem Buch nicht doch besser getan hätten. 

AS

Hier könnt ihr einen Blick in das Buch werfen.

Koban, Salahdin: Deutschlands freiwilliger Untergang – Identitätskrise einer Nation, die keine sein will; 160 Seiten; Hardcover; ISBN: 978-3-95972-297-1; FBV FinanzBuch Verlag; 18,99 €

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