Der lange Weg zum richtigen Namen

Zu den Eckpunkten des geplanten Selbstbestimmungsgesetzes

Von Nora Eckert

Die Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen) und der Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) haben heute in der Bundespressekonferenz das Eckpunktepapier zum Selbstbestimmungsgesetz vorgestellt. Es geht darin um die wesentlichen Inhalte des in Entstehung begriffenen Selbstbestimmungsgesetzes. Es soll das seit 1981 in Kraft befindliche sogenannte Transsexuellengesetz (TSG) ablösen. Das neue Gesetz wird, so der Plan, noch in diesem Jahr in einer „kabinettsfähigen Fassung“ vorliegen, um dann seinen parlamentarischen Weg zu gehen.

Das Selbstbestimmungsgesetz wird zwei wesentlich Dinge regeln: die Änderung der Vornamen und die Änderung des Personenstands. Es richtet sich an trans*, inter* und nicht-binär lebende Menschen.

Hier die Eckpunkte:

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  1. Die Begutachtung bei Änderung von Vornamen und Personenstand entfällt.
  2. Der Wunsch und die Willenserklärung zu den Änderungen erfolgt durch Selbstauskunft vor dem Standesamt.
  3. Bei Menschen ab 14 Jahren bedarf dies der Zustimmung der Sorgeberechtigten. Im Fall der Nicht-Zustimmung entscheidet ein Familiengericht (das am Kindeswohl orientiert ist).
  4. Bei Menschen bis zum 14. Lebensjahr erfolgt die Erklärung generell durch die Eltern („Erklärung statt des Kindes“).
  5. Für die Änderungen gilt eine Sperrfrist von einem Jahr. 
  6. Fragen im Zusammenhang mit trans* und nicht-binärer Elternschaft regelt ein gesondertes Abstammungsrecht, das ebenfalls im Entstehen begriffen ist.
  7. Es gilt ein striktes Offenbarungsverbot, um ein Zwangs-Outing zu verhindern. Zuwiderhandlungen werden mit einem Bußgeld belegt.

Inzwischen haben die Bundestagsabgeordneten Tessa Ganserer und Nyke Slawik hierzu eine Pressemitteilung unter der Überschrift „Selbstbestimmung für alle!“ vorgelegt und auch der Bundesverband Trans* e. V. (BVT*) hat heute eine Presseerklärung zum öffentlichen Auftakt des Gesetzgebungsverfahrens veröffentlicht.

Ich glaube, kein Mensch, der Anstand und Verstand besitzt, wird an der Notwendigkeit für ein Selbstbestimmungsgesetz zweifeln. Es ist überfällig und wird eine entwürdigende Rechtspraxis beenden, wie sie durch das Transsexuellengesetz, seit mehr als vierzig Jahren festgeschrieben ist. Die Pathologisierung und Stigmatisierung von Transmenschen werden nicht länger die Art und Weise bestimmen, wie dieser Staat uns gegenübertritt. Marco Buschmann sprach davon, es werde nun das Versprechen unserer Verfassung eingelöst, dessen erster Artikel bekanntlich lautet: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Durch die Rechtspraxis des TSG war und ist aber genau das nicht der Fall – bis auf den heutigen Tag. Denn 1981 war ein Gesetz von einem maximal repressiven Charakter entstanden. Ich habe mich in verschiedensten Zusammenhängen und schon sehr oft darüber geäußert, und die Erwartung, dass dieses TSG bald auf dem Müllhaufen der Geschichte landen wird, erfüllt mich mit großer Freude, weshalb ich jetzt lieber in die Zukunft schaue. Denn diese Zukunft wurde heute für mich zum Greifen nahe.

Seit 46 Jahren (so lange lebe ich mittlerweile von meinen insgesamt 68 Lebensjahren als Frau und Transfrau) warte ich auf ein Gesetz, wie das, was heute zwei Bundesminister*innen in Eckpunkten vorgestellt haben. Der Kampf dafür dauert mittlerweile schon ein ganzes Jahrhundert und begann übrigens hier in Berlin, und zwar am Institut für Sexualwissenschaft und ist verknüpft vor allem mit einem Namen: Magnus Hirschfeld. Er begann vor mehr als hundert Jahren den Kampf für die Verrechtlichung unseres trans*Seins. Erst 1978, nachdem einzelne Transmenschen immer wieder versuchten, Vornamen und Personenstand von Gerichten ändern zu lassen (meistens vergeblich), gelang es einer Transfrau (und wieder in Berlin), den bis dahin geltenden Rechtsgrundsatz von der „Unwandelbarkeit des Geschlechts“ zu kippen. Damals wie heute ging es um die Freiheit, wir selbst sein zu können. Und ja, ich gestehe, dass es mir, während ich die Pressekonferenz verfolgte, ganz warm ums Herz wurde. Aber schließlich wurde ich Zeugin, wie ein weiterer Meilenstein in der Geschichte unserer Emanzipation in Position gebracht wurde. … und nächstes Jahr wird vor dem Standesamt gefeiert!

Nora Eckert ist Publizistin und Ausführender Vorstand bei TransInterQueer e. V. und Teil der Queer Media Society

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