Ein Seitenhieb

Anders als Fußball oder Volleyball sowie in gewissen Teilen Tennis ist Fechten keine Mainstream-Sportart. Im Gegenteil, ähnlich wie Golf ist es relativ zeit- und kostenintensiv und oft eher wohlhabenderen oder besonders begabten Personen vorbehalten. Graphic Novels hingegen sind nicht unbedingt nur für eine bestimmte Gesellschaftsschicht verfügbar, aber haben dennoch eher eine kleine (wenn auch konstant wachsende) Zielgruppe.

Ein neuer Band von C.S. Pacat (Text), Johanna The Mad (Illustrationen) und Joana Lafuente (Farben) verbindet nun diese beiden Aspekte. Der erste Band der Graphic Novel Fence ist im April 2023 in der Übersetzung von Denis Martynov bei CROCU/Cross Cult erschienen und spielt – Überraschung – in einem kleinen Kosmos von jungen Fechterinnen und Fechtern.

Fechtfamily

Hauptcharakter ist der junge Nicholas Cox, ein nichteheliches und der Öffentlichkeit unbekanntes Kind der Fechtlegende Robert Coste. Nicholas hat das Ziel, zu einem bekannten und erfolgreichen Fechter zu werden und das ihm in die Wiege gelegte Talent seines Vaters zu nutzen. Dafür nimmt er an einer Vorausscheidung im Regionalverbund Connecticut, verliert dort jedoch haushoch gegen den Finalisten der Junioren-EM Seiji Katayama, was Nicholas zuerst zwar betrübt, aber seinen Ehrgeiz weiter anheizt.

Ein halbes Jahr später nämlich schafft Nicholas es dank eines Stipendiums auf die Kings Row Boys School, auf der er sein Talent weiter ausbauen möchte. Dort trifft er wieder auf Seiji, mit dem er sich ein Zimmer teilen und sich gegen eine Reihe von Mitschülern durchsetzen muss, um in die Schulauswahl um den bisherigen Teamführer Aiden zu kommen.

Ziel: Der Sieg gegen die Favoriten der Eliteschule Exton. Deren Teamleader wiederum ist Jesse Coste, der in der Öffentlichkeit bekannte Sohn des bereits genannten Profis Robert Coste. Auf dem Weg in die Schulauswahl jedoch liegt ein interner Ausscheidungskampf, dem sich jeder Interessent stellen muss – so auch Nicholas und Seiji…

Brillierende Illustrationen…

Die hier vorliegende Graphic Novel Fence ist der erste Band einer auf mehrere Teile angelegten Reihe, was es etwas schwierig macht, sie zu besprechen – zumal als Fechtlaie und als jemand, der nicht allzu viele Graphic Novels konsumiert. Positiv hervorzuheben sind auf jeden Fall die stechend scharfen und relevante Momente einfangenden Grafiken und Zeichnungen von Johanna The Mad, die uns die Stimmungslagen der jungen Frauen und (vor allem) Männer näherbringen.

Gerade Gesichtszüge und Mimiken werden in den Illustrationen wunderbar wiedergegeben. Darüber hinaus gibt es immer wieder kurze Erklärungen zu grundlegenden Fechtbegriffen, die für diesen Sport praktizierende Personen vielleicht überflüssig erscheinen und die Geschichte stören mögen, für Laien jedoch eine große Hilfe sind und uns den Fechtsport etwas näherbringen.

…und Fäden, die noch zusammengebunden werden müssen

Schwieriger ist es allerdings auf der Handlungsebene. Es gibt einige Bilder und Szenen, die uns an vermeintliche Nebenschauplätze führen, vielleicht aber später noch wichtig werden könnten. Darunter fällt beispielsweise ein queerer bzw. schwuler Handlungsstrang oder die zu erwartende Animosität von Nicholas und Jesse, die sich vermutlich noch nicht begegnet sind.

Das lässt die Geschichte trotz des offenen Endes erst einmal etwas unrund wirken, kann sich aber am Ende des letzten Bandes durchaus positiv ausspielen, wenn bis dahin all diese lose hängenden Fäden zu einem großen Ganzen zusammengebunden werden. Dass das allerdings schiefgehen kann, haben wir beispielsweise im letzten Tatort-Zweiteiler aus Berlin gesehen, der fulminant gestartet ist, in der zweiten Folge jedoch viel zu viele Fragen offengelassen hat (die möglicherweise in der Zukunft auch noch einmal aufgegriffen werden könnten).

Noch nicht ganz warm geworden

Darüber hinaus ist die Erzählung aber auch an anderen Stellen nicht immer ganz sauber. Es passiert leider doch relativ häufig, dass wir mit abrupten Szenenwechseln konfrontiert werden und relativ unvermittelt eine Rückblende, einen Zeitsprung oder einen Wechsel des Handlungsorts mitmachen müssen. Andere Graphic Novels, beispielsweise Igorts Berichte aus Russland oder Nacha Vollenweiders Zurück in die Heimat schalten hier gerne gewisse Stilelemente dazwischen, um den Übergang für die Leserinnen und Leser etwas geschmeidiger zu gestalten. So etwas fehlt in dieser Graphic Novel leider an einigen Stellen.

Ganz ergriffen hat uns der erste Band der Graphic Novel Fence von C.S. Pacat, Johanna The Mad und Joana Lafuente also noch nicht. Zugegeben, wir sind nicht die Experten in Bezug auf diese Darstellungsform und auch auf das Thema. Sehr schön ist, dass es einen queeren Handlungsstrang zu geben scheint, aber ob und wie sich das in den Folgebänden ausspielen wird, wird sich erst zeigen müssen. In der Welt von Comic-Enthusiastinnen und -Enthusiasten mag es aber bestimmt Personen geben, die sich hiermit anfreunden können. Und auch für Liebhaberinnen und Liebhaber von Young Adult-Geschichten könnte Fence eine interessante Lektüre sein.

HMS

PS: Unsere Besprechung zu den Folgebänden zwei, drei und vier lest ihr während der Pride Season.

C.S. Pacat (Text), Johanna The Mad (Illustrationen), Joana La Fuente (Farben): Fence – Band 1; April 2023; 144 Seiten; Softcover, Format: 16 x 24 cm; ISBN 978-3-98743-041-1; CROCU/Cross Cult Verlag; 18,00 €

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