Neue Wege und ganz bei sich: Cassy Carrington im Gespräch

Manche gehen zum Lachen in den Keller, Cassy Carrington zum Singen und Knutschen. Für uns ging sie für ein Gespräch ans Telefon.

Wir telefonieren mit einer beschwingten Cassy Carrington kurz nachdem sie ihre erste Solo-Single „Bei mir“ veröffentlicht hat und den Song bereits vor Live-Publikum aufführen durfte. Unser Gespräch am Freitagmorgen ist durchzogen von vielen Lachern und spannenden Anekdoten. Zum Beispiel jener, dass Cassy am Abend unseres Gesprächs nach langer Zeit das erste Mal wieder Musik auflegte – auf der Shize-Party. 

the little queer review: Warst Du vor der Veröffentlichung Deiner ersten Solo-Single aufgeregt? So in der Form hast Du das ja auch noch nicht gemacht.

Cassy Carrington: [lacht] Ja, ich war definitiv aufgeregt, es ist doch etwas anderes gewesen als sonst. Bei diesem Projekt musste ich am Ende jede Entscheidung doch selbst treffen und nicht mit anderen absprechen wie früher. Das war ein ganz anderes Gefühl. 

the little queer review: Aber, aber, also gut anders, oder? 

Cassy singt und tanzt sich ins Glück, ganz bei sich // © Cassy Carrington/Joseph Vicaire

Cassy Carrington: Ja, absolut! Es ist eine andere kreative Freiheit da gewesen. Definitiv eine tolle Erfahrung.

the little queer review: Die Idee zu „Bei mir“ kam Dir während eines Klinikaufenthalts, wie Du bei Instagram geschrieben hast, aber der Gedanke, mal wieder etwas solo zu machen, der war davon losgelöst?

„Es war wichtig, neue Wege zu beschreiten“

Cassy Carrington: Das war unabhängig voneinander. Als ich den Text zu „Bei mir“ geschrieben habe, war noch nicht ganz klar, wie die Zukunft aussieht. Ich wusste, dass ich an neuen Songs schreiben möchte, ob das aber mit Herrn Cosler sein wird oder allein, war noch nicht klar. Es ist auch einfach irgendwo der Moment gekommen, in dem mir bewusst geworden ist, dass bei dieser Duo-Tätigkeit nach zehn Jahren der kreative Fluss nicht mehr so da war, wie er es früher war. Das meine ich gar nicht negativ, das ist wohl einfache eine natürliche Entwicklung. Da hab ich dann entschieden: Dann muss ich einfach mal einen neuen Weg beschreiten. Wie es in der Zukunft aussieht, das sieht man dann. Für diesen Moment war es wichtig, diesen neuen Weg zu beschreiten.

the little queer review: Wie schnell war denn der Gedanke da, dieses Video so zu inszenieren? Also das passt natürlich wie Arsch auf Eimer – Text und Bild. Diese Keller-Momente sind ja schon recht weit vorn und überhaupt ist das Video sehr charmant.

Cassy Carrington: Es ist ja immer so mein Ziel, auch in Videos mit einem Augenzwinkern an die Sachen ranzugehen. Ich habe das Glück, da ein ganz tolles Team zu haben, das mir hilft. Einmal den Regisseur Joseph Vicaire und die Kamerafrau Conny Beißler, mit denen habe ich schon viele Videos umgesetzt. Joseph und ich haben lange überlegt, da es im Song ja auch um Orte geht, was gibt es da so für Orte, an denen wir drehen können und wollen, auch unter Coronabedingungen. Da haben wir dann tatsächlich bei mir im Haus im Keller gedreht, im Laden eines Freundes von Joseph, wir haben am Ebertplatz in Köln gedreht, der irgendwie bekannt dafür ist nicht so schön zu sein, im Video aber schon fast zu schön rüber kommt und dann noch vor diesen Graffiti-Wänden. Jedenfalls so, dass optisch auch viel Abwechslung drin ist.

the little queer review: Das ist auf jeden Fall gelungen. 

Cassy Carrington und Band // © Cassy Carrington

Cassy Carrington: Und natürlich die Szenen mit der Band, auch schon, um noch eine andere musikalische Lebendigkeit reinzukriegen.

the little queer review: Wie kam denn der Gedanke das mit dem heterosexuellen Queer-Ally Cedric Beidinger zu machen?

Cassy Carrington: Ich hab tatsächlich lange überlegt: Wer könnte meinen Liebhaber spielen? 

the little queer review: …und Du hast sie erstmal alle abgewiesen!

Nicht mehr in Klischees denken

Cassy Carrington: [lacht] Ja, erstmal ein Casting gemacht. Uhm, nee, ich hatte zunächst den Gedanken, ich brauche unbedingt jemanden der mindestens so groß ist wie ich (Cassy ist mit High Heels ungefähr 2,10 m groß, wie sie noch mitteilte). Dann fiel mir aber irgendwann ein: Warum hast Du eigentlich diesen alten Klischeegedanken im Kopf? Nur weil ich groß bin, muss es die andere Person nicht auch sein. Sie muss einfach nur gut sein, in dem was sie tut. 

Und wir reden immer von Vielfalt und Toleranz, dann sollte auch in diesem Rahmen Vielfalt gegeben sein. Cedric und ich haben gemeinsame Freunde und jemand meinte dann, ich solle den doch einfach mal fragen. Ich kannte ihn von Big Brother 2020, das ich geschaut habe, und fand ihn da sehr sympathisch und offen. Dann hab ich ihm geschrieben, er hat prompt geantwortet, fand die Idee gut und nach einem Telefonat war klar, dass er’s macht. Er kommt mit so einem Selbstbewusstsein und einer Souveränität in dem Clip rüber, dazu noch sehr charmant, ich war ganz begeistert. Also es war auf jeden Fall die richtige Entscheidung.

Cassy Carrington und Cedric Bedingen im Video zu „Bei mir“ // © Cassy Carrington

the little queer review: Schön, schön. Du hattest am vergangenen CSD-Wochenende in Köln auch bereits die Möglichkeit „Bei mir“ live vor Publikum zu performen. Wie kam das an?

Cassy Carrington: Erstmal muss ich sagen, war es unglaublich toll, mal wieder auf dieser großen Bühne vor vielen Leuten spielen zu können. Es war super interessant, die älteren Songs mit dem neuen Material zu mischen. Das hat funktioniert und auch der Song kam toll an. Die Leute haben auch richtig Spaß bei dem Text, also sie lachen auch [was wir nun ebenfalls tun]. Also für alle, die gern auf einer Mülldeponie oder dahinter auf nem Parkplatz knutschen wollen… Und obwohl die meisten den Song ja noch gar nicht kannten, haben sie auch gleich körperlich reagiert – fangen automatisch an zu klatschen oder schwofen mit. Das ist ein ganz tolles Zeichen. 

the little queer review: Können wir nur bestätigen. Als wir den das erste Mal hörten, ging der direkt schnell rein. Macht schon Spaß.

Cassy Carrington: Das liegt natürlich auch an meinem Produzenten Stefan Rebelski, der die Musik geschrieben hat. Ich hatte ihm den Text geschickt und maximal eine Stunde später kam eine Demo-Melodie von ihm und ich wusste sofort: Das isses! Wenn jemand so anspringt auf den Text, dann muss es das Richtige sein.

the little queer review: Der Text kann ja, neben diesem ökologischen Faktor, den wir da auch sehen, auch als ein Semi-Post-Corona-Habt-Euch-Mal-Alle-Nicht-So-Zuhause-Ist-Es-Doch-Auch-Schön gelesen werden, irgendwie.

Lebendige Zukunft

Cassy Carrington: Ahahahahaha… Ich glaube, ich habe das nicht gezielt in diese Richtung geschrieben, aber unterschwellig war das sicherlich da. Ich hab` den Song mitten im Lockdown geschrieben. Und dann war ich in dieser trostlosen Kurklinik und alles mit Abstand und Maske und grau und es fehlte jede Lebendigkeit. Wenn nun die richtige Person hier wäre, die könnte das Ganze noch irgendwie retten. Das war eigentlich der Gedanke, aber irgendwo gibt es dort auch diesen Hintergrund, ja.

Auf zum noch mehr neuer Musik! // © Fabian Stürtz

the little queer review: Zu Hause ist es ja auch schön; wohl selbst am Ebertplatz, wie wir im Video sehen können. Wie sieht es denn nun in der Zukunft aus – was erwartet uns als nächstes? Gibt es überhaupt „etwas Nächstes“?

Cassy Carrington: Ja, definitiv. Im Grunde ist das jetzt ein Langzeitprojekt. Ich habe mit Stefan mehrere neue Songs gemacht und die sind, wie ich finde, wirklich alle so gut geworden, dass sie nach und nach oder auch Single für Single veröffentlicht werden. Um dann auch für nächstes Jahr ein neues Programm zu haben, wo dann ältere und neuere Songs gemischt werden. 

Was speziell den Song „Bei mir“ angeht, da wird es eine, wie ich es nenne, Candle-Light-Version geben, um die Leute noch mit einer anderen Variante zu überraschen. Also es kommt einiges.

the little queer review: Aber Kerzen im Keller sind gefährlich, immer dran denken.

Cassy Carrington: [lachen] Ja, das stimmt, da muss man aufpassen. 

the little queer review: Das klingt jedenfalls schön und reichhaltig.

Cassy Carrington: Vor allem sind auch sehr unterschiedliche Songs entstanden. Also man darf nicht glauben, dass der Sound der ersten Single auch der Sound der anderen Singles sein wird. Ich wollte mich auch musikalisch total ausleben und das ist mit Stefan, der als Produzent total vielseitig arbeitet, wunderbar möglich. Das war wirklich aufregend, um ehrlich zu sein

the little queer review: Das ist doch mit das Wichtigste und Schöne. Vielen Dank, liebe Cassy.

Cassy Carrington: Voll gern und euch auch alles Gute!

PS: Den Song findet ihr u. a. bei Apple Music, Spotify, Deezer und Co. – in Cassys Linktree gibt’s alle Quellen. Und natürlich in unserer QUEER SOUNDS-Spotify-Playlist.

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