…Verräter sein dagegen sehr

Cocktailpartys sollen ja eine gewisse Freude bereiten. Gute Gespräche, gute Leute, gute Drinks. Aber nicht immer ist das der Fall. In der RTL-Produktion Die Verräter nämlich ist eine Cocktailparty zur Mitte der Serie vordergründig eine nette Abwechslung für die noch verbliebenen Promis. Eine oder einer von ihnen jedoch hat das eigene Cocktailglas einmal außer Acht gelassen und prompt hat die Verräterin Anna-Carina Woitschak ihr oder ihm symbolisch Gift in den Drink gemixt. Das war es dann wohl für einen der Stars…

Die Cocktailwende

Überhaupt soll sich diese Cocktailparty als Wendepunkt in dieser Staffel des quasi True-Crime-Reality-Formats erweisen. Die Verräter fangen an, einander zu verraten und auszuspielen, die Loyalen machen das ohnehin bereits seit einer Weile. Und am Ende war’s sowieso Irina – also zumindest für Friedrich. Nur dass der zwar immer wieder den Namen der ersten Princess Charming ins Spiel bringt, allein sich hierfür eine Mehrheit zu organisieren, das klappt scheinbar nicht so ganz.

Folge 5 – Beim Frühstück: Ulrike von der Groeben (r.) möchte das Bild vom ermordeten Pascal Hens behalten und nimmt es überschwänglich entgegen. Irina Schlauch verdrückt bei der Nachricht von Pascals Tod eine Träne, was Friedrich nicht entgeht und sie in seinen Augen noch verdächtiger macht // Foto: RTL

Dabei ist es wirklich tricky: Das Morden geht ja weiter und natürlich nagt das an der Gruppe. Sabrina Setlur und Ulrike von der Groeben wirken lange unauffällig, scheinen sich aber doch eine gewisse Meinung zu bilden. Und am nächsten Tag wieder eine ganz andere zu vertreten. Pascal „Pommes“ Hens wird von allen irgendwie geschätzt und arbeitet sich nach und nach in die Rolle eines Wortführers. Und die „Silberrücken“ (O-Ton Vincent Gross) Jean-Claude und Friedrich, ja, die spielen sowieso irgendwie ein eigenes Spiel

Mörderianne und Michael?

Viele der Teilnehmerinnen und Teilnehmer verhalten sich für eine gewisse Weile auffällig. Da die Gruppe wiederholt glaubt, aus Kleinigkeiten etwas herauszulesen und manchmal damit sogar richtig liegt, gelingt es Teilnehmerinnen wie Anna-Carina oder eben Irina immer wieder, in die nächste Runde zu kommen, denn jemand anders vereint am abendlichen Runden Tisch dann doch immer mehr Stimmen auf sich. Gut für beide, will mensch sagen.

Folge 4: Spiel „Wem gönnst du den Schutz nicht?“ – Wer keinen Zugang zur Waffenkammer erhält, entscheiden die Spieler:innen durch werfen mit in roter Farbe getränkten Bällen auf eine Strohpuppe mit dem enstsprechendem Namen. – Jalil wirft auf die Puppe von Anna-Carina // Foto: RTL

Aber ist es auch gut für die Gruppe? Ein Bitch-Fight unter den Verrätern führt diese nach der Cocktailparty an den Rande der Enttarnung und nur mit Not kann sich einer oder eine über die Runden retten – um später noch einen neuen Komplizen unter Todesdrohung zu rekrutieren. Was einerseits als naheliegende Wahl scheint – vielleicht zu naheliegend –, erweist sich schnell als Glücksfall, denn die oder der Erpresste füllt die Verräterrolle erstaunlich gut aus. Wandelbarkeit zeichnet sich im Showbusiness eben aus

Keine Menschenkenntnis, Bauchgefühl, Instinkt oder Intuition

Was in dem Business ebenfalls ein Vorteil ist, ist Menschenkenntnis. Und hier beweist ein Star, der es bis ins Finale schafft, dass sie oder er weder diese noch ein Bauchgefühl, Instinkt oder sonst irgendeine Art von Intuition besitzt. In den letzten Runden – es wird bis zum Schluss verbannt – beweist eine Person, dass sie sich leichter täuschen lässt als ein farbenblinder Mensch von einer Packung Buntstifte. Hoffen wir nur, dass niemand auf die Idee kommt, den Enkeltrick an dieser Person auszuprobieren.

Folge 6: Das große Finale „Die letzte Offenbarung“ – (v.l.) Verräterin Anna-Carina Woitschack und Verräter Vincent Gross haben gemeinsam den Silberschatz im Wert von 46.500.- gewonnen. Mariella Ahrens kann nicht fassen, dass sie den beiden auf den Leim gegangen ist // Foto: RTL / Stefan Gregorowius

Vertrauen nämlich, das wird bei Die Verräter immer wieder klar, ist neben Menschenkenntnis eine zentrale Fähigkeit. Wenn die Stars in ihren Confessionals oder auch im Anschluss über soziale Medien preisgeben, dass „diese Show etwas mit mir gemacht“ habe, dann ist das mehr als nachvollziehbar. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer stehen hier über die gesamte Zeit unter Dauerstress, denn jede und jeder, mit dem ich ein Gespräch führe, könnte ein Verräter sein. Wie viel von meinem Verdacht kann und soll ich dann preisgeben? Was ist, wenn ich zu viel sage, was, wenn zu wenig? Wie ist es einzuordnen, wenn sich jemand anders mal irgendwo komisch äußert? Ist hat er oder sie sich damit selbst verraten? Oder einfach nur versprochen? Oder ist es eine bewusste Äußerung, um Verwirrung zu stiften?

Narben dürften bleiben

Es ist anzunehmen, dass dieses permanente Beobachtetwerden und selbst Beobachten eine enorme geistige Anstrengung verlangt – auch von den Verrätern, die ja permanent in der Gefahr stehen, sich zu verraten und in Widersprüche zu verstricken. Aber dennoch bauen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Bindungen zueinander auf, versuchen einander zu vertrauen. Wenn dieses Vertrauen dann so gnadenlos ausgenutzt wird wie von einem Verräter gegenüber der Person mit dem Enkeltrick in der letzten Folge, spätestens dann dürften Narben bleiben.

Personen wie Irina, die scheinbar viel aushalten können und die entsprechende Resilienz mitbringen, meinen wir die Erschöpfung ansehen zu können. Mit jedem Tag wirkt sie müder und angestrengter und ob sich das Verhältnis zwischen ihr und einer ChrisTine Urspruch im realen Leben wieder verbessert, dürfte keine unberechtigte Frage sein, um nur ein sehr plakatives Beispiel zu nennen. Die Verräter hingegen scheinen zumindest einen halbwegs guten Schlaf zu finden. Wir sind gespannt auf die Aussprache der Teilnehmenden, die RTL(+) offenbar noch plant.

Loyal verraten

So viel dürfte also am Ende der ersten (und hoffentlich nicht letzten) Staffel von Die Verräter klar sein: Die Show fordert ihren Kandidatinnen und Kandidaten unglaublich viel ab und ist für uns Zuschauerinnen und Zuschauer so unterhaltsam wie fesselnd. Am Ende der Staffel gibt es einen oder mehrere verdiente Sieger*innen, der oder die das Spiel zweifelsohne sehr gekonnt gespielt haben – und vor allem (es kann nicht oft genug gesagt werden) das wohl loyalste und naivste Schäfchen bis ins Finale gelotst haben.

Folge 4: Mission „Weinfässer“ – Die Spieler müssen als Team Weinfässer mit unterschiedlichem Silberbarrenwert über unterschiedliche Hindernisse zu einem Weingut, auf dem sie Moderatorin Sonja Zietlow bereits erwartet, befördern // Foto: RTL / Stefan Gregorowius

Sonja Zietlows Moderation ist auch in der zweiten Hälfte der Staffel gekonnt ironisch-bissig und den Kandidatinnen und Kandidaten dennoch zugewandt. Das Team der Redaktion hat sich sowohl in der ersten als auch in der zweiten Hälfte der Staffel sehr viele – auch teils unerwartete – Kehrungen und Wendungen einfallen lassen, um uns gut zu unterhalten. Unter vielen anderen Reality-Formaten ist dieses wohl eines der herausstechendsten und schreit geradezu panisch nach einer Neuauflage.

HMS

Folge 6: Mission „Kunstraub“ – Die Spieler müssen in drei Räumen knifflige Aufgaben lösen. (v.l.) Mariella Ahrens, Irina Schlauch, Anna-Carina Woitschack, Sabrina Setlur, Friedrich Liechtenstein, Vincent Gross // Foto: RTL / Stefan Gregorowius

Die Verräter – Vertraue Niemandem! (6 Folgen), moderiert von Sonja Zietlow, seit dem 20. September 2023, immer mittwochs, 20:15 Uhr bei RTL. Auf RTL+ ging’s los mit einer Doppelfolge am 13. September, danach immer wöchentlich eine neue Folge im Stream.

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