Queer-Noir-Rom-Com-Melodrama?!?!

Schwule oder queere Thriller lassen sich vermutlich recht zügig an zwei bis drei Händen abzählen. Häufig sind sie… ein wenig seltsam. So zum Beispiel The Dark Place aus dem Jahr 2014 von Jody Wheeler mit Sean Paul Lockhart (auch gut bekannt als Brent Corrigan) in einer entscheidenden Nebenrolle. Der Film ist extrem campy und sehr, sehr seicht, hat aber für immer einen Platz in meinem Herzen. Der Fremde am See wiederum war ein großes Stück Queer Cinema. Mit Last Ferry haben nun die junge New Yorker Regisseurin und der Drehbuchautor und Hauptdarsteller Roman O. Torres ihren Beitrag zum, wie ich es nennen möchte, Queer Noir vorgelegt.

Fire Island in der Nebensaison. Upps

Joseph ist ein junger Anwalt aus New York, der alles im Leben zu haben scheint. Da er aber eine Leere spürt und ihm vor allem Liebe, Freunde und wohl auch Sex fehlen, beschließt er einen Trip zur berühmt-berüchtigten Partyinsel Fire Island. Vermutlich hat er aber vergessen das Internet zu befragen, denn er landet in der Nebensaison dort, ergo ist es ziemlich dröge. Dennoch lernt er einen Typen kennen und es scheint gut zu laufen, doch dann dreht sich alles. Joseph wird unter Drogen gesetzt, ausgeraubt und Zeuge eines Mordes, kann dem Mörder selber nur knapp entkommen. Schließlich wacht Joseph im Haus von Cameron und dessen Freunden auf. Er integriert sich in die Gruppe, verliebt sich und alles scheint wunderbar. Doch der Mörder ist näher als gedacht.

Sex mit Fremden? Hmm… // © PRO-FUN Media

Last Ferry möchte sowohl Thriller, ein wenig Screwball-Komödie und leichtes Drama um die Entwicklung von Persönlichkeit und schädlichem Abhängigkeitsverhältnis sein. Inspiriert sei der Film laut Aussagen von Autor, Produzent und Hauptdarsteller Ramon O. Torres in Teilen von dem südkoreanischen Horror-Thriller The Wailing – Die Besessenen und dem großartigen schwulen, hier bereits erwähnten Thriller-Drama Der Fremde am See aus dem Jahr 2013.

Nach Sichtung des Trailers hatte ich einen anderen Film erwartet – weit mehr camp und diverse unfreiwillige Lacher, diese Erwartungshaltung wurde, wenn man so will, „enttäuscht“.

Vermeintliche Soziopathen, Verliebte und Verwirrte

Joseph (Ramon Torres) beim Brunch mit Cameron (Sheldon Best) und Shane (Larry Owens) // © PRO-FUN Media

Obwohl alles in hellen Bildern abläuft, bleibt die Bedrohung konstant, auch da man im Grunde von Anfang an weiß, wer der Killer ist und wie nah er Joseph ist. Die Rolle des Antagonisten füllt Myles Clohessy als Rafael dann auch mit einer guten Portion Grusel aus, zumal man nie so recht weiß, ob der Mord eher ein Versehen, ein Verbrechen aus Leidenschaft war oder ob Rafael schlicht ein kleiner Soziopath ist.

Besonders gelungen sind aber auch die Gruppenszenen innerhalb der Clique um Cameron, in die Joseph wohlwollend aufgenommen wird. Hier zeigt sich, wie wichtig, neben Talent, eine gute Chemie zwischen den Schauspielern ist, denn sonst gerät ein schlagfertig-witziger Austausch schnell zur absoluten Peinlichkeit. Diese Chemie ist auch zwischen Ramon O. Torres (Joseph) und Sheldon Best (Cameron) spürbar, was deren Anbandeln unterhaltsam und real macht, eine Stärke, die sich zum Ende des Films besonders auszahlt.

Gruppenbild mit Aubergine // © PRO-FUN Media

Die Mischung aus romantischer Komödie, Melodrama und Thriller funktioniert im Großen und Ganzen recht gut. Ein wenig zu bedauern ist, dass manch eine Handlungsmotivation recht verschwommen bleibt, wie auch ein wenig mehr Hintergrund zu den drei Hauptcharakteren, insbesondere aber Cameron und Rafael fein gewesen wäre. So wiederum kann man sagen, dass sich der sehr kompakte Film nur auf das Wesentliche konzentriert und uns als Zuschauer letztlich das erfahrbar gemacht wird, was auch für Cameron sichtbar ist. Das hat natürlich auch seinen Reiz.

Also doch keine unfreiwillig komische und überzogene Nummer. Stattdessen gibt es einen recht originellen Film, mit geistreichen Dialogen, einigem Witz, stimmungsvollen Bildern (Kamera Alexa Wolff), einem launigen Soundtrack von Wonderly und guten Maß an Spannung.

AS

Alles entspannt bei den besten Freunden Rafael (Myles Clohessy) & Cameron (Sheldon Best)?! Naja. // © PRO-FUN Media
© PRO-FUN Media

Last Ferry; USA 2019; Regie: Jaki Bradley; Drehbuch: Ramon Torres;  Musik: Wonderly; Darsteller: Ramon Torres, Sheldon Best, Myles Clohessy, Larry Owens, Gabirel Sloyer, Henry Ayres-Brown, R. Ward Duffy; Laufzeit: ca. 87 Minuten; FSK: 16; Pro-Fun Media; erhältlich auf DVD, als VoD und Download

Der Soundtrack ist übrigens bei Spotify und iTunes zu finden und sei stark empfohlen.

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