Verräter werden ist nicht schwer…

Sie sind unter uns! Nein, die Rede ist nicht von Echsenmenschen oder Außerirdischen, sondern von den Verrätern. Bei RTL hat sich kürzlich in einem neuen Reality-Format eine Gruppe von Prominenten auf einem Schloss in Frankreich zusammengefunden, um ein soziales Experiment zu wagen.

Schaurig-unterhaltsam geht es zu bei der RTL-Sendung „Die Verräter“ // Foto: RTL/Stefan Gregorowius

Die Verräter heißt die Show ganz simpel und wird wöchentlich mittwochs ausgestrahlt. Auf dem Streaming-Portal RTL+ sind die Folgen bereits eine Woche vorher verfügbar. 16 Stars – viele mit RTL-Bezug – kämpfen hier in der Gruppe um einen Preis von bis zu 50.000 Euro, die von den Promis in täglichen Herausforderungen jedoch erst erspielt werden müssen.

Unberechenbare Zeiten

Welches Spiel wird hier gespielt? Drei der Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden von der Moderation und Spielleitung Sonja Zietlow in der ersten Folge zu „Verrätern“ auserkoren. Sie zu finden ist die Aufgabe der restlichen 13 „Loyalen“. Die Verräter wiederum dürfen nach Lust und Laune (eigener wie auch der der Spielmacher*innen) Loyale „ermorden“ und treffen sich regelmäßig abends zum „Konklave“, in dem festgelegt wird, wer heute Nacht getötet wird – also im übertragenen Sinne.

Diese Person muss das Spiel direkt verlassen und beim morgendlichen Frühstück wird den verbliebenen Loyalen gewahr, wen es in der vergangenen Nacht erwischt hat. Sie haben nun während des Tages Zeit, in Gesprächen und anhand des Verhaltens ihrer Co-Kandidatinnen und -Kandidaten herauszufinden, wer die Verräter sind. Am abendlichen Runden Tisch gibt es dann schließlich eine Aussprache und eine Wahl, wer aus der Runde verbannt wird. Wer am Ende übrig bleibt, gewinnt das erspielte Vermögen (oder, RTL?).

Mafia meets Cluedo meets Werwölfe

Das klingt wie eine Mischung aus dem allseits beliebten Brettspielklassiker Cluedo und dem Gruppenspiel „Werwölfe“, das offenbar auch einigen Kandidatinnen bekannt ist. Die erste Princess Charming Irina Schlauch und die frühere Miss Europe Shermine Shahrivar jedenfalls kennen letzteres und haben sich nach eigenen Aussagen auch deshalb auf die Teilnahme an diesem Format eingelassen.

Eine illustre Runde von Prominenten hat sich hier zusammengefunden – unter anderem, um ein Katapult zu bauen // Foto: RTL/Stefan Gregorowius

Vierzehn weitere Personen wohnen dem Spektakel bei, selbst wenn mancher Gastaufritt nur von kurzer Dauer ist (in vollkommen willkürlicher Reihenfolge): Sportmoderatorin Ulrike von der Groeben, Ex-Handballer Pascal „Pommes“ Hens, die Schauspielerinnen und Schauspieler Claude-Oliver Rudolph, ChrisTine Urspruch, Susan Sideropoulos, Timothy Boldt, Florian Fitz und Mariella Ahrens, Rapper Jalil, seine Kollegin Sabrina Setlur, die Schlagersternchen Anna-Carina Woitschak und Vincent Gross, Quizmaster Sebastian Klussmann sowie Werbefachmann Friedrich Liechtenstein.

Spannender als viele Tatorte

Was ist nun von diesem Format zu halten? Ist es eine drittklassige Krimi-Reality-Soap? Oder erleben wir hier hochwertiges Spannungsentertainment? Eindeutig letzteres – auch wenn es sich dennoch um ein Reality-Format handelt und entsprechende Elemente natürlich vorhanden sind. Es überwiegen aber tatsächlich die spannenden, ja sogar fesselnden Momente. Den Mitspielerinnen und Mitspielern wird schnell klar, dass sie wirklich auf jede Aussage, Handlung, Reaktion oder Körpersprache ihrer Mitspielerinnen und Mitspieler achten müssen. Bauchgefühl und Intuition treffen hier auf rationale Abwägung und Menschenkenntnis.

Wem ein höherer Intellekt zugeschrieben wird, der oder die ist schnell verdächtig. So geht es der Quizlegende Sebastian Klussmann, dem Schauspieler Timothy Boldt oder der bereits erwähnten Irina Schlauch. Alle drei stehen von Beginn an im Visier vieler ihrer Kolleginnen und Kollegen – teils einfach nur, weil ihre analytische und faktenbasierte Herangehensweise als berechnend und stark zielgerichtet wahrgenommen wird. Es überrascht nicht, dass sich eine*r von ihnen gleich in der ersten Folge verabschieden muss und dadurch einige Blessuren am Ego davonträgt.

„Es heißt das Konklave“

Empathie und ein hohes Einfühlungsvermögen in andere Figuren wird hingegen den Vertreterinnen und Vertreter der Schauspielzunft zugeschrieben. Verräter zu sein, sich aber nach außen als Loyaler zu geben, dürfte für viele kein Problem sein, wie wir immer wieder hören. Das trifft sich besonders gut, wenn jemand wie James-Bond-Bösewicht Claude-Oliver Rudolph sowieso schon den Nimbus des Bösewichts in sich trägt. Dass nicht er, sondern sein Schauspielkollege Florian Fitz gleich in der ersten Show zum Verräter auserkoren wird, erkennen viele dennoch erst einmal nicht.

Auffallend hingegen ist die uns aus den Münsteraner Tatorten bekannte ChrisTine Urspruch, die schnell zu den Irina-Kritikerinnen gehört, dies jedoch vor allem mit den bereits genannten Argumenten nicht stichhaltig belegen kann. Gerade in der ersten Hälfte der auf sechs Folgen angelegten Serie wird an ihrer Person deutlich, wie viel es falsch zu machen gibt und wie schnell auch nur kleinste Versprecher den weiteren Weg (ins Abseits?) vorzeichnen können.

ChrisTine Urspruch auf dem Weg, einen Verräter zu brandmarken – oder zumindest jemanden, den oder die sie dafür hält // Foto: RTL/Stefan Gregorowius

Das birgt vor allem deshalb eine gewisse Ironie in sich, da sie im Rahmen der Show auf die Frage, wie sie als Verräter vorgehen würde, erklärte: „Ich würde mich sehr unauffällig verhalten, loyal eben… Niemanden in der Gruppe öffentlich und vehement verdächtigen, denn das macht dich verdächtig. Ich hätte schlaflose Nächte und würde mich sehr in Frage stellen: Wann würde man mir auf die Schliche kommen?“. Als Loyale hingegen würde sie sich unauffällig verhalten, Gesprächen folgen und Richtungen aufweisen. Wie schnell diese Ansprüche an der Realität scheitern können, kann das Publikum wie gesagt gerade in den ersten Folgen an ihrer Person sehen.

„Holy fucking moly“

Vieles entwickelt sich überaus dynamisch in Die Verräter, was am Verhalten der Kandidatinnen und Kandidaten liegt, aber auch an den gekonnten Schnitten und Einspielern, an meist unvorhergesehenen Ereignissen seitens RTL und natürlich an der grandiosen Moderation von Sonja Zietlow, die erst vor wenigen Tagen mit dem Dschungelcamp als „Beste Unterhaltung Reality“ mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet wurde. Witzig wäre es übrigens gewesen, wäre einer ihrer Co-Moderatoren (früher: Daniel Hartwich, jetzt: Jan Köppen) in das Château eingezogen.

Moderatorin Sonja Zietlow hat ihre Augen und Ohren überall – selbst und gerade im Beichtstuhl // Foto: RTL/Stefan Gregorowius

Die Verräter kann vom Unterhaltungswert auf jeden Fall mit dem Dschungelcamp mithalten und legt beim Spannungsfaktor noch einmal eine deutliche Schippe drauf. So sehr der diesjährige Dschungel als gelungenes soziales Experiment in die Annalen der Fernsehgeschichte eingeht, Die Verräter kann hier eindeutig mithalten. Zwei Folgen sind bereits gelaufen, vier weitere folgen noch – die dritte am heutigen Abend. Und es ist zu erwarten, dass sie an Spannung und Dramatik einiges für uns bereithalten. Oder, um mit Vincent Gross einen kleinen Ausblick zu wagen: „Holy fucking moly“.

HMS

Schlossherrin Sonja Zietlow (vorne) begrüßt die Spieler von ‚Die Verräter – Vertraue Niemandem!‘ vor dem Schloss. (v.l.) Timothy Boldt, Jalil, Shermine Shahrivar, Sabrina Setlur, Susan Sideropoulos, Florian Fitz, Ulrike von der Groeben, Quizmeister Sebastian Klussmann, ChrisTine Urspruch, Friedrich Liechtenstein, Irina Schlauch, Mariella Ahrens, Vincent Gross, Claude-Oliver Rudolph, Anna-Carina Woitschack, Pascal Hens // Foto: RTL/Stefan Gregorowius

Die Verräter – Vertraue Niemandem! (6 Folgen), moderiert von Sonja Zietlow, seit dem 20. September 2023, immer mittwochs, 20:15 Uhr bei RTL. Auf RTL+ ging’s los mit einer Doppelfolge am 13. September, danach immer wöchentlich eine neue Folge im Stream.

Unser Schaffen für the little queer review macht neben viel Freude auch viel Arbeit. Und es kostet uns wortwörtlich Geld, denn weder Hosting noch ein Großteil der Bildnutzung oder dieses neuländische Internet sind für umme. Von unserer Arbeitszeit ganz zu schweigen. Wenn ihr uns also neben Ideen und Feedback gern noch anderweitig unterstützen möchtet, dann könnt ihr das hier via Paypal, via hier via Ko-Fi oder durch ein Steady-Abo tun – oder ihr schaut in unseren Shop. Vielen Dank!

About the author

Comments

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert