Dokumentation „Grüne Versprechen“ – interessant, aber unentschlossen

Nachhaltigkeit mag einzelnen als Modewort erscheinen und in mancherlei Hinsicht wird es inflationär genutzt. Ob als bedeutungsschwangerer Claim für Buchtitel, die im Grunde nur der Selbstbeweihräucherung der Autor.innen dienen, für Werbezwecke von Unternehmen oder als Aufmerksamkeitsgenerator für belanglosen Nischenkram. Nichtsdestoweniger ist der Klimawandel real, ist es ein Fakt, dass wir aktiv Ressourcen verbrauchen und viel zu oft auch verschwenden, Quantität oft vor Qualität geht, wir den Planeten ausbeuten und wir gern so tun, als seien Natur und Umwelt uns Untertan. Nachhaltigkeit ist also nicht nur ein Modewort, sondern sollte das Gebot der Stunde sein. 

Denn es stellt sich die Frage: In welcher Welt wollen wir Leben? Genau das ist auch der Titel einer ZDFinfo-Themenreihe, in deren Rahmen um die zwanzig Dokumentationen in der Mediathek zusammengefasst sind. Einige sind sehr aktuell, andere schon ein paar Monate alt, beinahe alle wurden aber kürzlich oder werden in Kürze auch auf ZDFinfo ausgestrahlt. Beispielsweise die Dokumentation Grüne Versprechen – Wie Verbraucher getäuscht werden aus dem Jahr 2019, welche am 3.10.2020 um 9:00 Uhr morgens gezeigt wird.

Greenwashing als Marketinginstrument

Die knapp 45-minütige Doku setzt sich, wie der Titel es bereits sagt, damit auseinander, wie einzelne Unternehmen sich oder einer ihrer Marken zwar ein grünes Image geben, aber häufig nichts dahinter steckt, außer der Wunsch mit dem vermeintlichen Umweltbewusstsein den Umsatz zu steigern. Es geht also um das so genannte Greenwashing

So befasst die Dokumentation sich unter anderem mit der in vielen Köpfen sicherlich noch immer recht präsenten Regenwald-Kampagne der Brauerei Krombacher vom Anfang der Nullerjahre (mit einem Kasten Krombacher, einen Quadratmeter Regenwald retten), beworben vom vertraut-vertrauensvollen Gesicht Günther Jauchs, der damals wohl noch lieber Bier als Wein trank. Der Film setzt sich mit dem Wahrheitsgehalt des grünen Versprechens auseinander und kommt hier zu dem eher ernüchternden, wenn auch vielleicht nicht überraschenden, Ergebnis, dass die Kampagne mehr kostete als man spendete, dem Umsatz aber gut tat. 

Erwin Ehemann aus der Oberpfalz ist Bio-Landwirt der ersten Stunde. // © ZDF/Dunja Keuper

Ebenso wird eine Kampagne aus dem Jahr 2008 von RWE unter die Lupe genommen, „in der ein freundlicher Riese Windräder pflanzte“, obwohl der Energiekonzern nur einen marginalen Anteil seines Stroms mit Windkraft erzeugte. Überdies wird der Sinn oder Unsinn von Biodiesel bewertet, auch im Zusammenhang mit Palmöl, dass in der Dokumentation, natürlicherweise, immer wieder auftaucht. 

Ein langer Teil befasst sich mit der Kreuzfahrt-Industrie, was insofern nicht erstaunlich sein mag, als dass nicht nur 28 000 000 Menschen im Jahr 2018 eine Kreuzfahrt unternahmen, sondern die Macher.innen der Dokumentation anhand von Kreuzfahrten auf viele Problemfälle aufmerksam machen können. Untersucht werden hier die (Marketing-)Konzepte von AIDA, das sogenannten Green Cruising und es wird eine recht seriöse Option aus Göteborg angeführt, wie der dortige Hafen seinen Einfluss nutzte, um die Emissionen der dort anlegenden Schiffe zu reduzieren. So interessant vieles ist, wirkt der Teil ein wenig lieb- und leblos zusammengeflickt. 

Die Botschaften sind ähnlich flexibel wie ein Glas Bio-Wasser

Ein schönes Beispiel für gelebte Nachhaltigkeit ist Erwin Ehemann, der für eine Erzeugergemeinschaft arbeitet. Er betreibt in der Oberpfalz bereits seit 1978 ökologischen Landbau, seine Felder sind von Blühstreifen gesäumt und er sagt, dass er Biodiversität und Nachhaltigkeit schon betrieben habe, bevor diese den Leuten ein Begriff gewesen oder zum Modewort geworden sei. Allerdings wirkt dieser Teil ein wenig in die Doku implantiert.

Weltweit einzigartig ist zertifiziertes Bio-Mineralwasser aus Deutschland. // © ZDF/Dunja Keuper

Ein großes Fragezeichen entsteht, als es um Bio-Wasser geht, wo es in der Entwicklung eines Bio-Zertifikats ein das vergleichsweise kleine Unternehmen Neumarkter Lammsbräu gegen einen Branchenriesen und das Institut Fresenius steht. Hier wird kommentiert, dass Neumarkter Lammsbräu bei seinem Bio Kristall Wasser zwar darauf Wert lege, dass es um ökologische Landwirtschaft gehe und die Quelle entsprechend geschont werde, man aber nicht wisse, ob Bio qualitativ einen Unterschied beim Wasser mache. Das klingt dann kritisch, was verwirrt. Denn im Kern der Dokumentation geht es um ressourcenschonende und ökologisch sinnvolle Maßnahmen, welche Neumarkter Lammsbräu ohne Zweifel betreibt. An der Stelle scheint es so, als würde die Macherin von Grüne Versprechen, Dunja Keuper, nicht so recht wissen, was ihr Film aussagen soll.

Der Blick über den Tellerrand fehlt

Was ein wenig irritiert, ist die vollständige Nichtbehandlung einer Thematik, die sich auf europäischer Ebene genau zur Zeit, in der Keuper die Dokumentation produziert haben dürfte, abspielte. Um dem Wildwuchs im Finanzwesen um „Grüne Anleihen“ und ähnliches Einhalt zu gebieten, debattierte und verabschiedete die Europäische Union im Herbst 2019 ihre Regeln zur „Taxonomie“. Damit sollten klare Abgrenzungskriterien geschaffen werden, welche Anlageinstrumente als „grün“ oder „ökologisch“ beworben werden dürfen. Klar, in Grüne Versprechen geht es nicht um Finanzprodukte, sondern um Unternehmen aus der Realwirtschaft. Aber wenn sich der europäische Gesetzgeber aktuell damit beschäftigt, an einer anderen Stelle grünen Versprechen den Riegel vorzuschieben, wäre das zumindest eine Erwähnung im Abspann wert.

Kommentiert und bewertet werden die aufgezeigten Kampagnen und Maßnahmen unter anderem von Lucia Reisch, Konsumforscherin an der Copenhagen Business School, die insbesondere zum Verhalten jüngerer Verbraucher forscht; der WWF-Palmöl-Expertin Ilka Petersen; der Journalistin und Buchautorin Kathrin Hartmann; wie auch der Wald-Expertin von Greenpeace Deutschland, Gesche Jürgens oder auch dem Wirtschaftsethiker Peter Seele, bei dem klingt es allerdings, als würde er lediglich die Gedanken anderer vortragen.

Grüne Versprechen ist eine alles in allem sehenswerte und auch informative Dokumentation, auch wenn sie wie Flickwerk wirkt und sich ihrer eigenen Kernthese nicht immer sicher zu sein scheint. 

Grüne Versprechen – Wie Verbraucher getäuscht werden von Dunja Keuper wird am 3. Oktober 2020 um 9:00 Uhr auf ZDFinfo gezeigt und ist bis zum 2. Oktober 2021 in der ZDF-Mediathek verfügbar.

AS / HMS

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