(Vor-)Weihnachtszeit, Geschenkezeit. Gerade haben wir Anfang Dezember und das Care-Paket von Muttern ist schon angekommen. Lieber Ende November, als den Terror mit ewigen Wartezeiten im Dezember mitzumachen. Soweit die Konsumentensicht.
Und dann könnten wir aber das machen, was zu Weihnachten eigentlich laut christlicher Lehre angesagt ist und einmal auf unsere Nächsten gucken. Zum Beispiel die Paketbotinnen und -boten, die sich nicht nur, aber gerade in den Wochen vor Weihnachten den Arsch abrackern, damit wir unsere neue PS 5 (haha), Bücher oder das, was bei vielen in einem Jahr schon wieder Elektroschrott sein wird, rechtzeitig unterm Baum liegen haben.
Eingeschleust
Dieser Gruppe nähert sich auch der aktuelle Kölner Tatort: Des anderen Last. Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) ermitteln in dem Fall des getöteten Paketboten Milan Strasser (Dennis Svensson) des privaten Zustelldienstes der sympathischen Sybille Jäger (Susanne Bredehöft). Oder vielmehr: Sie lassen – auf eigenen Wunsch – primär ihre Kollegin Natalie Förster (Tinka Fürst) undercover ermitteln, denn mit Milans Tod fehlt gerade in der Hauptsaison ein Fahrer.
Natalie wird also eingeschleust und lässt sich von der ebenfalls erst seit Kurzem dort beschäftigten Jenny Wegner (Paula Kober) einarbeiten – Kollege Boris Riedle (Nils Hohenhövel) ist zu sehr damit beschäftigt, seinen Rekord aus dem letzten Jahr zu brechen. Und, wie wir später herausfinden, scheinbar auch die eine oder andere Mauschelei mit der Schmerzengelin Sybille in die Tat umzusetzen.
Sprengstoff
Wie so häufig bekommen wir hier aus Köln sozialen Sprengstoff geliefert. Und wie so häufig, kommt auch hier wieder ein Obdachloser vor (zwar eher am Rande, aber immerhin – gerade bei den aktuell frostigen Temperaturen tun wir dennoch alle gut daran, auch an die von Obdachlosigkeit betroffenen Menschen erinnert zu werden). Im Zentrum stehen aber Konsumwahn und die Arbeitsbedingungen – der Stress – unter dem die Paketfahrerinnen und -fahrer stehen. Und natürlich die Todesfälle – ja, es werden mehr – aber die sollten im Tatort ohnehin Standard sein.
Unser aller Konsumlust ist dafür verantwortlich, dass wir vielen Menschen zwar vielleicht Arbeit verschaffen, aber eben auch viel, viel Stress. Wir haben uns so daran gewöhnt, dass wir alles direkt vor die Haustür geliefert bekommen, dass wir uns mit den Arbeitsbedingugnen, denen die Menschen, die das zustellen müssen, ausgeliefert sind, gar nicht mehr wahrnehmen. An öffentlicher Diskussion hierüber mangelt es nicht, die Verhältnisse sind bekannt. Aber wir entschließen uns doch immer wieder wegzusehen, denn es ist ja unbequem.
Gezwungen
Das ist ein großes Verdienst dieses Tatorts aus Köln: Er legt hier den Finger in die Wunde, geht auch in einem gar nicht so unwesentlichen Nebenhandlungsstrang „das Prekariat“ besuchen und zeigt uns, zu welchen Taten sich Menschen gezwungen sehen, wenn sie trotz Arbeit in Armut leben müssen.
Unabhängig davon ist die Story in Des anderen Last spannend und einnehmend erzählt, Schenk und Ballauf halten sich wie gesagt tatsächlich eher im Hintergrund, was dem Fall guttut – auch wenn de Sache mit dem Wichteln am Ende anders als der Fall nicht ganz aufgelöst wird. Kollegin Natalie scheint nach dem Fall Spur des Blutes, der sich vor einem Jahr um ihre Familiengeschichte drehte, immer mehr in den Mittelpunkt zu rücken. Steht hier vielleicht eine Verjüngung im Kölner Team bevor? Wünschenswert wäre es nach mehr als 25 Jahren Ballauf und Schenk allemal.
HMS
Der Tatort: Des anderen Last läuft heute um 20:15 im Ersten und ist anschließend in der ARD-Mediathek verfügbar.
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