Geschichte vergessen

Manchmal, da sind Ambition und Wirklichkeit recht weit auseinander. Mensch will das Beste für ein Buch, einen Film, eine Dokumentation, ein Thema. Und rennt dann doch energisch am Ziel vorbei. Das konnten wir jüngst in Michael „Bully“ Herbigs Verfilmung von Juan Morenos Tausend Zeilen Lüge. Das System Relotius und der deutsche Journalismus sehen, der beharrlich von nichts erzählt. Ähnlich gestaltet es sich leider bei Der Passfälscher, der auf dem Papier wunderbar aussieht, dem in der Umsetzung aber leider nahezu jede Essenz fehlt. 

Keine rettenden Grübchen

In dem Film von Maggie Peren, die auch das Drehbuch schrieb, geht es um die wahre Geschichte von Cioma Schönhaus, der sich als Jude im Berlin der Nazi-Diktatur als Arbeiter in der Rüstungsindustrie und eben Passfälscher verdingte. Dabei geht er so frech und lebensfroh vor, dass es ihn manches Mal in die Bredouille bringt oder gerade aus dieser wieder heraushilft. Louis Hofmann spielt Cioma mit dem verschmitzten Charme, wie wohl nur seine Grübchen es können. 

© DREIFILM

Begleitet wird er dabei von seinem besten Freund Det (Jonathan Berlin, der in Das weiße Haus am Rhein gerade eine andere, sehr sehenswerte Nazigeschichte absolviert und den wir kürzlich interviewen durften), der sich gut mit Frauen versteht, was hin und wieder frische Kaffeebohnen bringt. Gemeinsam fälschen sie sich durchs Leben und tanzen gar als Marine-Offiziere auf glattem Parkett (einer der stärkeren Momente des Films). Mimikry ist hier also das große Motto, der auf den Memoiren von Schönhaus basierenden Geschichte, die 2006 beim S. Fischer Verlag erschienen sind (erstaunlicherweise gibt es keine Film-Neuauflage, das irritiert irgendwie).

Richtige Zutaten…

Dass hier keine Opfergeschichte aus Tätersicht erzählt wird, sondern die, nach dem Verlust der Eltern, anpassungsfähige Lebensfreude eines Lebenskünstlers, ist fein. Zumal sie real untermauert ist. Nun ist Leichtigkeit die eine Sache; eine sich durch die schon nahezu verantwortungslose Seichtigkeit holpernde Geschichte eine andere. Dabei sieht alles passend aus: Tolle Darsteller*innen agieren in teils kammerspielartige Situationen; die Nazis sind nur im Hintergrund präsent und doch wird die stete Gefahr immer mal wieder manifest; verschiedene Personen mit ganz individuellen Vorstellungen bestücken den Film.

Det (Jonathan Berlin) und Cioama (Louis Hofmann) als Marine-Offiziere // © DREIFILM

Doch hier fängt das Problem schon an: Det als Ciomas bester Freund ist nahezu unnötig. Das hat nichts mit Jonathan Berlin zu tun, sondern damit, dass der ganze Film auch ihn verlaufen könnte. Er dient lediglich als Stichwortgeber, ist dann einfach mal eine zeitlang weg, ohne das es auffiele und als er wiederkommt, ändert sich auch nichts. Das ist umso tragischer, als dass es Det wirklich gab und er im Gegensatz zu Cioma, der 2015 92-jährig in Basel starb, nicht so glimpflich davonkam. 

Aus einer Person Staffage zu machen und aus dieser dann einen Charakter formen zu wollen ist schade. In einem Film wie diesem, der mit dem Anspruch vom Fokus auf Figuren angetreten sein will, ist es vor allem ärgerlich. Dass Jonathan Berlin alle alerte Würde in diese Figur packt, ist ihm hoch anzurechnen (es gibt eine Kuschelszene, die durchaus die Verbundenheit der beiden deutlich werden lässt; vieles andere ist simple Exposition).

…falsch vermengt

Wie Cioma den Verlust seines Freundes im Film aufnimmt, das ist schon beinahe soziopathisch. Ja, da gibt’s mal einen kurzen Heulkrampf und dann wird weiter durch die Gegend gelächelt. Dafür, dass Peren im Presseheft zum Film erzählt, dass Schönhaus durchaus von den Verlusten in seinem Leben geprägt wurde und eine ambivalente Figur ist, kommt davon im Film erstaunlich wenig rüber. Am ambivalentesten ist da noch die Vermieterin Frau Peters (klasse: Nina Gummich, weniger klasse: hat auch bei #allesdichtmachen mitgewirkt), die zwar überzeugte Nazitrulla ist, aber auch wunderbar all die Absurditäten des Regimes verkörpert.

Böse Blicke: Frau Peters (Nina Gummich) // © DREIFILM

Oder verkörpern könnte, denn die Tiefe, die in der Figur angelegt ist, erzählt das Drehbuch von Maggie Peren nicht aus. Das geht die ganzen knapp zwei Stunden so, die vor sich hinplätschern und sich jedes Mal, wenn es relevant werden könnte, vor der eigenen erzählerischen Courage zurückschrecken. Es muss nicht immer grausam zugehen; Filme, die allein in Erinnerung bleiben, weil sie die Kamera auf die Tat richten, sollten nicht als relevante Erzählungen missinterpretiert werden. Aber es gibt Raum zwischen Nazi-Porno und Irrelevanz. 

Aus dem Kino, aus dem Sinn

„Aus Ciomas Buch ließen sich zehn Serien und zwanzig Spielfilme machen“, sagt Maggie Peren im Presseheft — und in der Tat wäre eine Limited Series mit zwei Staffeln à acht Episoden mit jeweils 60 Minuten wohl die bessere Option gewesen. Wirkt Der Passfälscher doch wie ein überlanger Trailer. Der Film, den sie machen wollte „über Rassismus und Ausgrenzung [….]. Und über den unfassbaren Schmerz, der dabei entsteht“, ist es jedenfalls nicht geworden. 

© DREIFILM

Nun wollen wir uns nicht zu sehr ärgern. Der Gedanke des Films ist ein Guter, die Geschichte im Grunde gut. Doch dürfte kaum etwas in diesem Film nachhallen. So traurig es ist, so bedauerlich ich finde, das zu schreiben: Der Passfälscher ist kein schlechter Film, nur einer, wie fürs Vergessen gemacht. 

AS

PS: Wenigstens ist er nicht so ärgerlich wie Tausend Zeilen.

Der Passfälscher startet am heutigen Donnerstag in unseren Kinos.

Der Passfälscher, Deutschland, Luxemburg 2022; Buch und Regie: Maggie Peren; Kamera: Christian Stangassinger; Musik: Mario Grigorov; Darsteller*innen: Louis Hofmann, Jonathan Berlin, Luna Wendler, Nina Gummich, André Jung, Marc Limbach, Yotam Ishay, Adrien Papritz; Laufzeit: 116 Minuten; FSK 6; ab dem 13. Oktober im Kino

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Der Trailer:

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