„Heranwachsen und über sich Hinauswachsen“

Nachdem wir in der vergangenen Woche unsere 5 Fragen an…-Reihe aussetzen mussten, da, wie vielen von euch bekannt, unsere Homepage aufgrund eines beim Provider liegenden Problems so gut wie gar nicht funktionierte, freuen wir uns, diese Woche mit dem Schauspieler Ralph Kinkel zu starten. Geboren wurde er 1990 in Regensburg als Sohn einer banater-schwäbischen Aussiedlerfamilie. 

Nach seinem Studium an der Salzburger Universität Mozarteum ist er primär zu Hause am Theater und dem Fernseh- beziehungsweise Streamingpublikum im vergangenen Jahr durch die Comedy-Serie The Drag and Us bekannt geworden. Diese schnitt (nicht nur) bei uns zwar nicht sonderlich gut ab, das jedoch hatte mit Ralph, dessen Darstellung und Wandlungsfähigkeit wir positiv hervorhoben, nichts zu tun. Schon damals stand er uns in einem ausführlichen Gespräch Rede und Antwort und ließ uns ein wenig hinter die Kulissen der Serie und seines Lebens blicken.

Aus The Drag and Us: Ralph Kinkel als Cathérine // © ZDF/Walter Wehner

Ganz klar darf er, der aktuell im Anhaltischen Theater Dessau zu sehen ist, also natürlich auch in unserer 5 Fragen an…-Reihe nicht fehlen – und wieder werden auch wir durch die Antworten auf manch eine Sache aufmerksam oder freuen uns auf weitere Fans der Arbeit von Justin Roiland und Mike McMahan zu begegnen. Nun also los…

Welches Buch hat Dich zuletzt geprägt oder berührt?

Ralph Kinkel: Mir kommt zur Zeit immer wieder das Buch Telegraph Avenue in den Sinn. Der Roman von Michael Chabon erzählt von Veränderung – von Modernisierung und Gentrifizierung. Vom Heranwachsen und das über sich Hinauswachsen, und auch vom auf der Strecke bleiben. Im Mittelpunkt steht das Schicksal eines kultigen Jazzplattenladens im Nordkalifornien der frühen 2000er-Jahre, dessen Besitzer sich gegen die Eröffnung einer neuen Mall samt modernem Hifi-Store wappnen müssen. Nebenbei ist eine queere Coming-Of-Age-Story in die Handlung eingebettet, an die ich häufiger denken muss.

Die Melancholie, die dieses Buch bei mir ausgelöst hat, fasziniert mich deshalb, weil ich bis heute nicht sagen kann ob ich sie angenehm oder bedrückend finde. Ich habe den Roman vor einigen Jahren das letzte Mal gelesen, fühle mich aber seit Corona und Krieg häufiger daran erinnert – vielleicht weil es sich ein wenig so anfühlt, als würden wir uns auch gerade beim Übergang von einer Ära zur anderen befinden.

Welcher Film/welche Serie ist Dir deutlich in Erinnerung?

Ralph Kinkel: In den letzten Monaten habe ich kaum Filme und hauptsächlich Serien geguckt. Und genau genommen klamaukige amerikanische Comic-Serien. Solar Opposites zum Beispiel – eine Alienzweckgemeinschaft, die nach der Zerstörung ihres Heimatplaneten auf der Erde landet und fortan als Familie in den Suburbs zusammenlebt. Während die außerirdischen Protagonisten darauf warten, dass ihre mitgebrachte Superwaffe The Pupa in Form einer katzengroßen Nacktschnecke anfängt sich zu verpuppen, um die Erde zu ihren Gunsten umzuwandeln, gehen sie zur Schule, erleben Sci-Fi Abenteuer, sammeln geschrumpfte Menschen in der Terrariumwand und stiften Chaos unter den Amerikanern. Auch die Geschlechterrollen sind über den Haufen geworfen, weil die Hauptfiguren simpel kein Konzept davon haben. Hinter dem Spaß stecken die Macher von Rick & Morty, die sich damit wieder selbst übertroffen haben. Bestimmt nicht jedermanns Sache, klar aber meine. 

Gibt es auch was an Musik?

Ralph Kinkel: Auch dieses Jahr bin ich meinem Musikgeschmack wieder mal treu geblieben und kann allen nur wärmstens die Band Parcels ans Herz legen. Mein derzeitiger Ohrwurm ist „Apple Pie Bed“ von Lawrence Arabia und meine persönlichen Neuentdeckungen sind die Musicals Next to normal und Hadestown – vom letzteren kann ich sehr das Tiny-Desk Konzert auf Youtube empfehlen!

Was kommt Schönes auf den Teller, und was auf gar keinen Fall?

Ralph Kinkel: Da ich gerade fast das komplette Jahr in Theater-Gästewohnungen und Hotels lebe und selten eine gute oder große Küche habe, koche ich in letzter Zeit recht wenig. Vielleicht kommt mir das auch ganz gelegen. Vielleicht koche ich nicht allzu gern. Vielleicht würde ich im Herbst Hokkaido Kürbisse mit Pasta servieren. Vielleicht könnte ich so ein Mensch sein. 

Ein letzter Gedanke, der nicht fehlen darf?

Ralph Kinkel: Ein letzter Gedanke – dieser Winter, über den wir schon seit dem Frühjahr reden, steht vor der Tür. Neben den Gaspreisen steigen auch wieder die Coronazahlen und jeder scheint gerade Sorgen, Zweifel oder mindestens Skepsis zu haben. Manche werden sich Sorgen um Zukunft und Geld machen, andere schützen immer noch tapfer gefährdete Angehörige vor dem Virus und stehen einer coronamüden Welt gegenüber. 

Foto: © Mira Huber Fotografie

Ich hoffe wir können diesen Winter erneut aufeinander Acht geben und emphatisch sein für die großen und kleinen Ängste unserer Freunde, Familie und Kollegen. Mehr Geduld. Mehr Liebe. Für alle. 

🎭🚀

Auf Instagram findet ihr ihn übrigens ebenfalls und wir empfehlen natürlich, dem Rocket Man dort zu folgen. 

Ab dem 19. November ist Ralph Kinkel am Anhaltischen Theater in Dessau in Das Gespenst von Canterville nach einer Erzählung von Oscar Wilde zu sehen und ab dem 20. Januar 2023 im gleichen Haus im Tom Waits Musical The Black Rider The Casting of the Magic Bullets basierend auf einer Story von William S. Burroughs.

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