Wenn das Kindlein nicht mehr kommet

Mütter und ihre Kinder… vor allem Mütter und ihre Söhne: Nicht selten wird hier ein ganz besonderes Band vermutet. Im Polizeiruf 110 mit Claudia Michelsen wird uns immer mal wieder vermittelt, wie sehr sie darunter leidet, zu ihrem Sohn keinen Kontakt mehr zu haben. Auch deswegen geht ihr der Fall um den verschwundenen titelgebenden Ronny (Johann Barnstorf) so nah. Eben besuchte der 10-jährige Junge noch seine Mutter. Es war sein Geburtstag, den er nach nettem Umgang in einem Kinderheim eben doch mit Mama Sabine (sehr gut: Ceci Chuh), Halbschwester und dem Stiefvater René (Oskar Bökelmann) verbringen wollte.

Der schöne Schein?!

Der wiederum hat es nicht so sehr mit dem Jungen, wie Mama es sich wünschen würde. Kurz danach ist Ronny verschwunden. Mutter Sabine verstrickt sich in Widersprüche, als Doreen Brasch (Michelsen) sie zum Verschwinden des Jungen befragt. Doch auch im Kinderheim, das ihr durchaus vertraut ist, scheinen die Leiterin Gaby Kleinschmidt (Maja Schöne) und Erzieher Matthias Precht (Thomas Schubert) nur sporadisch lückenlose Angaben zu machen.

Ronny (Johann Barnstorf) ist traurig, weil seine Mutter noch nicht angerufen hat. Matthias (Thomas Schubert) überredet ihn seine Geschenke auszupacken // © MDR/Stefan Erhard

Dabei ist Brasch, dem Vorgesetzten Uwe Lemp (Felix Vörtler) und Kollegen Günther Márquez (Pablo Grant) klar, dass das Unterfangen Ronny (lebend) zu finden, zeitsensibel sondergleichen ist. Als Bilder von ihm in einem blutigen Shirt und Blutspuren auf dem Boot von Precht auftauchen, wird Brasch angespannter — und unberechenbarer. 

Was wie ein atemloser Thriller klingt, ist im Polizeiruf 110: Ronny eher eine Abhandlung von Reaktionsmechanismen. So ist Brasch zuerst verleitet, den eigenwilligen Matthias Precht für einen pädophilen Triebtäter zu halten. Und nach Schuberts eindrücklicher Leistung im AltenbergerPolizeiruf 110: Bis Mitternacht, sind wir geneigt, ihn selber schnell zu verdächtigen. Doch vielleicht sollten wir nicht zu schnell urteilen?!

Gutes Handwerk, unrunde Erzählung

Das ist etwas, das der von Jan Braren geschriebene Sonntagskrimi immer wieder verdeutlicht: Mit manch einer Einschätzung sollten wir nicht zu sicher sein. Ist Sabine wirklich die verantwortungslose Mutter, die ihren Sohn zurecht verloren hat? Hat Heimleiterin Gaby, die Maja Schöne kräftig spielt, wirklich alles so gut im Griff, wie sie es gern vermittelt? Ist ihr Sohn Gordon (stark: Valentin Oppermann) schlicht ein pubertär-aufmuckender Halbstarker, oder lebt er ein Leben, von dem eine Mutter lieber nichts wissen möchte?

Die Taucher vom THW und der Polizei finden Ronnys Fahrrad // © MDR/Stefan Erhard

Diese Fragen ziehen sich durch, werden vor allem durch ein zweifelndes Spiel getragen. Dialoge setzt Braren, der schon Der Verurteilte schrieb, sparsam ein. Manches Mal dann allerdings ein wenig schwer nachzuvollziehen. Wenn Brasch und Lemp sich etwa über einen früheren Fall unterhalten, der an diesen aktuellen erinnert und bei dem es so gut wohl nicht lief. Das kommt etwas unvermittelt und wird auch nicht so wirklich in einen greifbaren Kontext gepackt.

Passend ist die zurückhaltende Regie von Barbara Ott (Druck, Deadlines), die gut die Waage zwischen Exposition und Distanz hält. Dennoch fühlte sich dieser durchaus etwas andere, sich nicht nach gängigen Krimimechanismen richtende, handwerklich gut gemachte Polizeiruf 110: Ronny ein wenig unrund an. Irgendwas fehlte, irgendwas hat mich die knapp 90 Minuten eher unbeteiligt beobachten lassen. Dann wiederum bin ich keine Mutter, sondern nur Sohn. Daran wird sich allerdings auch nichts machen lassen.

AS

Gaby Kleinschmidt (Maja Schöne) versucht in Anwesenheit von Doreen Brasch (Claudia Michelsen) auf Gordon Kleinschmidt (Valentin Oppermann) einzureden // © MDR/Felix Abraham

PS: Mittlerweile gehen wir beinahe immer davon aus, dass Doreen Brasch in ihren Polizeirufen physische Gewalterfahrungen macht. Das war dieses Mal nicht so. Der Autor dieser Zeilen hat das ausgeglichen, indem er kürzlich auf die Fresse bekommen hat. 

PPS: Der vorhergehende Polizeiruf mit trans*Thematik hieß Daniel A., dieser nun Ronny. Heißt der kommende dann einfach V. oder so?

Lemp (Felix Vörtler), Brasch (Claudia Michelsen) und Màrquez (Pablo Grant) ermitteln am Fundort des Fahrrades // © MDR/Stefan Erhard

Polizeiruf 110: Ronny läuft am Sonntag 19. März 2023 um 20:15 Uhr im Ersten, um 21:45 Uhr auf one und ist anschließend sechs Monate in der ARD-Mediathek verfügbar.

Polizeiruf 110: Ronny; Deutschland 2023; Regie: Barbara Ott; Drehbuch: Jan Braren; Bildgestaltung: Falko Lachmund; Musik: Jasmin Reuter; Darsteller*innen: Claudia Michelsen, Felix Vörtler, Pablo Grant, Ceci Chuh, Thomas Schubert, Maja Schöne, Valentin Oppermann, Johann Barnstorf, Oskar Bökelmann, Yuri Völsch; Laufzeit ca. 88 Minuten; Eine Produktion der filmpool fiction GmbH im Auftrag des Mitteldeutschen Rundfunks für Das Erste.

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