„Ich drehe ganz bewusst fürs Kino“

Heute startet François Ozons neuer Film Peter von Kant in unseren Kinos. Nachdem die freie Adaption von Rainer Werner Fassbinders Die bitteren Tränen der Petra von Kant bereits die 72. Berlinale und das diesjährige Queerfilmfestival eröffnete, ist die Hommage an den ursprünglichen Stoff und ihren Erschaffer, die ebenso ein Spiegel Ozons selbst ist, nun also einem breiten Publikum zugänglich. 

Im Vorfeld der Premiere am 8. September hatten wir Gelegenheit mit François Ozon zu sprechen, der es bedauerte, nicht die Fassbinder-Retrospektive in der Bundeskunsthalle Bonn gesehen zu haben.

the little queer review: Erst kürzlich wurde Ihr Film Sommer 85 gefeiert, wo ebenfalls eine schwule Thematik im Fokus steht beziehungsweise den Rahmen bildet. Nun Peter von Kant. Und doch sind beide Filme in Ton und Wirken sehr unterschiedlich. Ist es eine große Herausforderung, sich von einem Thema auf das nächste umzustellen? 

François Ozon: Ich bin jemand, der sich nur sehr ungern wiederholt und springe sehr gern von einem Thema zum anderen. Für mich ist jeder Film ein eigenes Abenteuer. Gleichzeitig können es Filme sein, die einander thematisch anverwandt sind und doch sind es eigene Erfahrungen anderer Formen. Es geht mir bei Peter von Kant zum Beispiel um die Frage der Leidenschaft, der Passion als Thema.

„Wir waren an einem Ort eingeschlossen“

the little queer review: Denis Ménochet, der Peter von Kant spielt, und Isabelle Adjani, die Sidonie spielt, sind zwei sehr erfahrene und renommierte Darsteller*innen denen mit Khalil Gharbia als Amir und Stefan Crépon als Karl zwei Darsteller, die eher als Newcomer zu bezeichnen sind, gegenüber. Wie ist es, diese beiden schauspielerischen Erfahrungsniveaus einander gegenüberzustellen, das kommt ja auch einem Experiment gleich.

François Ozon // © Jean-Claude Moireau

François Ozon: Für mich ist es immer interessant und angenehm, eine Mischung aus Leuten zu haben, die nicht den gleichen Background haben, da entsteht eine ganz eigene Chemie zwischen den Figuren. Interessanter war es, dass Khalil Gharbia gar nicht wusste, wer Isabelle Adjani eigentlich ist, aber Denis Ménochet kannte. Das ist spannend, denn vor der einen Figur spielt man mit mehr Freiheit, wohingegen die andere einschüchternder wirkt und der gegenüber man mehr unter Spannung steht. 

the little queer review: Der Film ist im Grunde ein Kammerspiel. Stellte es eine besondere Herausforderung dar, alle Beteiligten in dieser Enge des Raumes so frei und ausschweifend agieren zu lassen?

François Ozon: Interessanterweise ist der Film im Lockdown entstanden, wo sich viele Schauspieler gefragt haben, wie können wir weiterdrehen, wie wird es weitergehen können. Letztlich waren wir nun auch an einem Ort eingeschlossen und bemerkenswerterweise war es angenehm so eng zusammen zu sein. Draußen war Corona und wir haben uns auf kleiner Fläche in knapper Zeit, in einer geschützten Atmosphäre auf diesen Film konzentrieren können. Das hat uns in einer gewissen Art und Weise mehr Freiheiten gegeben, was allerdings auch wieder paradox war.

„Hanna Schygulla verkörpert diesen Film“

the little queer review: Das versteh ich wohl. Dass Hanna Schygulla hier als Mutter Peter von Kants besetzt wurde, ist natürlich ein kleiner, feiner Kniff [in Fassbinders Film spielte sie das Mannequin Karin Thimm, die in der Adaption von Ozon Amir entspricht; Anm. d. Red.] – war es denn leicht, sie für die Rolle zu gewinnen? Hat sie gar schon darauf gewartet, dass sich jemand noch einmal dieses Stoffes annähme? 

Hanna Schygulla als Peter von Kants (Denis Ménochet) Mutter // © Carole Bethuel_Foz / 2022 FOZ – France

François Ozon: Ich hatte mir ihr bereits in meinem vorhergehenden Film über Sterbehilfe Alles ist gut gegangen zusammengearbeitet. Da spielt sie eine Schweizer Dame, die einem Menschen, der nicht mehr leben will, weiterhelfen will. Da hab ich ihr von meiner Idee zu Peter von Kant erzählt und die fand sie gleich tolle; auch, die Mutter von Peter also von Fassbinder zu spielen, die sie wiederum persönlich kannte. 

Außerdem finde ich es charmant und interessant, dass Hanna Schygulla in diesem Film zwei Mal, in zwei unterschiedlichen Fassungen und zwei verschiedenen Rollen mitgespielt hat, eben nur mit fünfzig Jahren Abstand. Und sie verkörpert diesen Film und bringt das blühende Leben in diese Figur mit.

„Wir müssten da auch stärker politisch agieren“

the little queer review: Zum Abschluss eine Frage etwas weg von Peter von Kant und hin zum Kino als Ort und Film als Produkt: In Deutschland startet gerade wieder eine kleine Debatte über Filmförderung, angestoßen auch dank Björn Koll von Salzgeber, in der es darum geht, dass Filme, die womöglich auch mainstream-tauglich aber doch eher in einer Arthouse- oder Indie-Nische verortet sind, ganz gleich ob queer oder nicht, es schwerer haben, finanziert und überhaupt ins Kino gebracht zu werden. Wohingegen eher plumpe und allseits bekannte Themen sich vor Zuschüssen kaum retten können. 

Karl-Darsteller Stefan Crépon und Regisseur François Ozon im Gespräch mit Heike-Melba Fendel, Barbarella Entertainment, im Rahmen der Eröffnung des Queerfilmfestivals in Berlin // © the little queer review

François Ozon: Ja, auch in Frankreich gibt es da Schwierigkeiten, solche, die Covid und der Shutdown noch verstärkt haben. Nun haben alle die so genannten Plattformen entdeckt und das Kino wird nun, auch in Zeiten, in denen alles wieder lockerer ist, nicht mehr so stark besucht. Das Kino hat ein enormes Problem derzeit. Sehr viele Menschen, die cinephil sind, die früher häufig ins Kino gegangen sind, schauen die Filme inzwischen zu Hause in ihrem Home-Cinema an. 

Ich glaube, wir müssten da auch stärker politisch agieren. Wir müssen mit den Kinobetreibern sprechen und, etwas das für mich denkbar wäre, dafür sorgen, dass die Kinoeintritte günstiger werden. Wenn man sich anschaut, dass ein Netflix-Abo im Monat 9,00 Euro kostet und ein Platz im Kino, also pro Person und Film, 14,00 Euro kostet, dann sieht man, dass es da ein großes Problem gibt. Und irgendwas müssen wir tun, damit wir die Kinosäle erhalten.

the little queer review: Oh ja, herrje, das sollten wir in jedem Fall…

François Ozon: …und es gibt noch ein weiteres Problem: Neben diesem finanziellen Gesichtspunkt, gibt es noch die kreative Perspektive. Da sehr viele kreative Künstler, also Regisseure, Autoren und so weiter, zugesagt haben, für Netzanbieter zu produzieren. Eine Jane Campion etwa oder ein Martin Scorsese, die nun Filme für die Plattformen machen die eigentlich Kinofilme sind. Ich mache das anders, ich drehe ganz bewusst weiterhin fürs Kino. 

the little queer review: Wunderbar, vielen, vielen Dank für dieses Gespräch. 

François Ozon: Sehr gern, Ihnen auch. 

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