„A breaking heart in an empty apartment / Was the loudest sound I never heard“ — ich kenne wenige Zeilen, in denen Einsamkeit besser besungen wurde. Getragen von der eindringlichen Stimme Blake Hazards ist „Brighter Discontent“ wohl einer der intensivsten Songs über das Ende, die Angst und das Wortlos-Sein. Oft wortlos ist auch das schwule Charakterdrama Lonesome, das das Programm schon im Titel hat. Zu viele Worte sollen hier auch nicht verloren werden, nur so viel: Es ist ein beeindruckender Film über all die Dinge, die wir so schlucken.
Kein Standard
Im Fokus steht Casey (Josh Lavery), der als Anhalter aus seiner Kleinstadthölle flüchtet, unterwegs etwas anonymen Sex hat und Suff klaut. Irgendwann landet er in Sydney und trifft auf Tib (Daniel Gabriel), der einen weit sortierteren Eindruck macht. Doch auch der trägt so seine Dämonen mit sich rum. Das klingt nun etwas pathetisch und in der Tat sieht Lonesome auf dem Papier nur nach einem weiteren Drama mit Hindernissen aus.
Wie der australische Autor und Regisseur Craig Boreham uns aber die beiden Hauptcharaktere nahebringt, das hat durchaus Neuwert. Verrückt daran ist, dass sowohl Casey als auch Tib nur selten tief blicken lassen. Es werden keine großen Reden geschwungen, keine derben Geständnisse formuliert. Kennen lernen wir sie vor allem über Körperhaltung, Ausdruck und Gebaren.
Wer wir sind
Josh Lavery und Daniel Gabriel spielen famos auf. Vor allem Lavery trägt den Film im ersten Drittel mit einer Mischung aus Genügsamkeit und Desillusion auf so eine ganz besondere Art, die wohl nur Menschen verstehen können, die sich zu früh im Leben von ihrem vermeintlich verpflichtenden Umfeld losgesagt haben. Dass er mit Tib jemanden trifft, der die Dinge locker im Griff zu haben scheint, dabei aber erstmal übersieht, dass auch dieser charmante Fick eine Person mit Vergangenheit ist, passt.
Und da ist es dann: Das Schweigen. Sich nicht zu trauen, Fragen zu stellen. Keine Antworten geben zu wollen. Immer davon auszugehen, dass das Gegenüber schon wissen wird, was aus der eigenen Haltung zu machen ist. Und dann doch daraus zu lernen. Womöglich ist ja genau das das Geheimnis: Als kaputter aber nicht gebrochener Mensch still sehen zu lernen, wer mit Dir Bett und Dusche teilt.
AS
PS: Hut auf oder ab? Definitiv unentschlossen.
Lonesome wird an diesem Montag im Rahmen der Pride Night in diversen Cineplex-Kinos gezeigt. Bundesweiter Start ist am 19. Januar. Am 10. April 2023 ist der Film um 22:00 Uhr im Berliner Kino International im Rahmen von MonGay zu sehen.
Lonesome; Australien 2022; Regie und Drehbuch: Craig Boreham; Musik: Tony Buchen; Kamera: Dean Francis; Darsteller*innen: Josh Lavery, Daniel Gabriel, Anni Finsterer, Ian Roberts, Ally Morgan; Laufzeit: 95 Minuten; FSK: 18
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