Perlen des Bösen — die Fantasy Filmfest Nights

Es ist noch gar nicht lange her, da hat uns unser Gastautor Alexander Schütz in seinem schmissigen Beitrag zu den Fantasy Filmfest White Nights den Fetisch des Grusels und Grauens näher gebracht. Und uns Blut lecken lassen (Füße gingen ja nicht, wie er zu berichten wusste). Welch ein Fest also, dass das Fantasy Filmfest schon in den Startlöchern der Nights steht, die uns in den meisten Städten (siehe Textende) ab dem 20. April für vier Tage und Nächte das Fürchten lehren werden (in Frankfurt am Main ab dem 27. April). Es folgt ein Blick auf einige der Filme.

Die Auferstehung des Bösen im Podcast

Eröffnet und geschlossen wird mit jeweils sehr heiß erwarteten Filmen, die mensch schon in die Kategorie Blockbuster zählen kann. Beinahe zehn Jahre ist es her, dass Fede Álvarez’ Evil Dead eine Neuinterpretation des Klassikers von Sam Raimi wagte und dabei eher durchwachsene Reaktionen hervorrief (der Autor dieser Zeilen war durchaus angetan). Nun kommt mit Evil Dead Rise ein weiterer Film des Franchise in die Kinos (regulärer Start: 27. April 2023). Zur Story von Lee Cronins (The Hole in the Ground) soll gar nicht zu viel verraten werden. Dieses Mal jedenfalls wird’s wohl sehr familiär (ergibt Sinn, immerhin kommen unsere Dämonen gern aus dem Familienkreis).

*klopfklopf* – Mami ist da – Evil Dead Rise // © Warner Bros. Germany

„In Evil Dead Rise dominiert der Sound von brechenden Knochen und sich selbst verstümmelnden Körpern. Eine gesamte Wohnungseinrichtung wird dabei kreativ als tödliche Waffe umfunktioniert, nie wieder werden wir eine Käsereibe mit denselben Augen sehen können“, heißt es im Programm der Nights. Wir sind gespannt — auch weil von vielen handgemachten Effekten die Rede ist. Ebenso können wir in diesem Film die Schauspielern Lily Sullivan kennenlernen, die in einem weiteren Nights-Film zu sehen ist: Monolith, der als High-Concept-Science-FictionThriller beschrieben wird.

Lausch! in Monolith // © Blue Finch Film Releasing

Sullivan gibt hier eine blamierte Journalistin, die nun einen Podcast betreibt und einer ganz großen Verschwörungsgeschichte auf die Schliche kommt (Hey, Inventing Anna meets The X-Files). Es geht um Paranoia, Aktivismus, moralische Flexibilität und so weiter. Spannend an dem Film von Matt Vesely, den Lucy Campbell geschrieben hat, dürfte zudem sein, dass Sullivan die einzige Person ist, die wir sehen. Alle anderen werden nur stimmlich auftauchen. In Australien startete der Film mit besten Reviews und hat eine Rotten Tomatoes-Wertung von 90 %.

Stimmungsvoller Husten

Apropos Stimmen: In Kyle Edward Balls Skinamarink wachen die Vorschulgeschwister Kaylee und Kevin nachts in ihrem Haus auf — allerdings hat es nun keine Fenster und Türen und keinen Vater mehr. Mit Kindervideos versuchen sie sich abzulenken… doch irgendwer oder -was ist mit ihnen im düsteren Haus. Leute, ohne Scheiß — allein der einzigartige Trailer hat mir schon alles einschießen und den eigenwilligen Film prompt zu einem Must-See werden lassen.

Power gegen Raucher in Smoking Causes Coughing // © Gaumont

Sehr eigenwillig und dabei doch immer sich selbst treu sind die Filme von Quentin Dupieux. In seinem neuen Werk Smoking Causes Coughing geht es um eine Gruppe militanter Nichtraucher*innen im Power Rangers-Style, die von ihrem Gruppenleiter, einer schleimrotzenden Stoffratte, nach verhauener Mission zu einem Teambuilding-Wochenende geschickt werden. Dabei werden sich diverse Geschichten erzählt. So weit, so bizarr, so Dupieux. Dürfte gut werden. 

Neues aus dem asiatischen Kulturraum 

Im japanischen New Religion begegnen wir den Sexarbeiterinnen Akami und Miyabi sowie einem mysteriösen Freier, der es vor allem auf Polaroids absieht. Dass es dabei nicht nur darum geht, wie der Mann sich darauf einen schleudert, dürfte klar sein. „In New Religion [dem Langfilmdebüt von Keishi Konto, Anm. d. Red.] gelingt es der Kamera auf bedrohliche Art, tiefer als jede Berührung in die Intimität eines Menschen einzudringen“, heißt es dazu im Programm. Der Film klingt definitiv wie die Horror-Variante der Moneyboys

Eindringlicher Blick in New Religion // © Reel Suspects

Nach New Religion zum New Normal und von Japan nach Südkorea. Im Film von Jung Bum-shik scheint es sich zuerst um einen in sechs Kapiteln unterteilten Anthologie-Horror zu handeln, doch wird schnell klar, dass die Kapitel — die nach creepy Filmklassikern benannt sind — irgendwie miteinander verwoben sein dürften. Das Programmheft schwärmt von „hippem Cast, cooler Musik, einer Prise Humor, viel Blut und zeitgeistiger F*** the World-Attitüde“ und hat uns damit gecatcht. Zudem begeisterte aus Südkorea mit ähnlicher Attitüde zuletzt Project Wolf Hunting.

Goldenes Nazi-Blut

Kaum Gefangene dürften in den Filmen SISU und Blood & Gold gemacht werden. Beide befassen sich mit Nazis. Im finnischen SISU geht ein One-Man-Death-Squad (Jorma Tommila) auf Nazijagd. Der Film von Jalmari Helander (Kinostart: 11. Mai 2023) sieht ein wenig aus, als träfe Quentin Tarantino auf John Wick — wenn es also im Trailer heißt, „vom Studio, das John Wick brachte“, überrascht das kaum. Und dass die Nazis nicht nur entsetzlichen Horror über die Welt brachten, sondern auch zu gutem Sterben in Filmen verleiten, wissen wir seit Indiana Jones und Snow Dead sowieso alle. (Apropos John Wick: Mit Sakra von und mit Donnie Yen gibt es bei den Fantasy Filmfest Nights ein Wiedersehen mit dem Quasi-Antagonisten des vierten Teils.)

Verstärkung in SISI // © Sony Pictures Entertainment

Im deutschen Beitrag Blood & Gold (ab 26. Mai auf Netflix) von Peter Thorwarth (Wir sind die Welle, Blood Red Sky) ist der Name Programm und alles, was mensch wissen muss (und bitte nicht verwechseln mit Blood & Glitter — das ist die Band, die für Deutschland zum diesjährigen ESC nach Liverpool fährt). Sehr viel mehr gibt der Trailer auch nicht her. Wir sehen Suchende, Tötende und Getötete, darunter unter anderem Alexander Scheer, Robert Maaser, Jördis Triebel, Marie Hacke und Stephan Grossmann. Dürfte ein Fest werden.

Warntag deluxe: Sirenen, Kinder und Aliens

Sehr mystisch und mythisch geht es in Nightsiren von Tereza Nvotová zu, in dem die Ankunft einer jungen Frau in einem Bergdorf eine Kette eher unschöner Ereignisse auslöst. Eine verstörende Geschichte samt wundervoller Bilder wird uns angekündigt und der Film wurde uns unbedingt ans Herz gelegt, wenn der Trailer mich auch eher skeptisch zurücklässt. Vergleiche mit The Witch allerdings wecken mein Interesse. 

Eine Nightsiren // © Busch Media Group

Nicht weniger skeptisch bin ich bei Kids vs. Aliens. Auch wenn Jason Eiseners Film durchaus nach Spaß klingt, irgendwie wollte der Funke nach dem zweiminütigen Trailer nicht so recht überspringen. Dabei gibt’s diverse Versatzstücke die nach guter Unterhalten aussehen: Wenn Kinder einen Film drehen wollen, dem Alltag etwas entgegenzusetzen haben und schließlich noch Aliens nach der Weltherrschaft greifen. Dann wiederum hadere ich bis heute hart mit Stranger Things.

Besessene Muttersöhnchen im Schatten

Auf erwachsene Kinder treffen wir in Mother May, I? (Regie: Laurence Vannicelli) und The Eldery (Regie: Raul Cerezo, Fernando Gonzalez Gomez). In dem einen ist die Mutter tot und schafft es doch, ihren Sohn (den wie immer verstörend blassgesichtigen Kyle Gallner) heimzusuchen. In The Elderly zieht ein Vater zu Sohn und Familie und verkündet diesen beim gemeinsamen Abendessen, sie alle umzubringen. Klingen beide nach solidem Mindfuck und wir sind dabei!

Are You There Mother? It’s Me, the Pale Son // © MPI

Spooky wird es wohl nochmals so richtig im DebütHorror der australischen YouTuber Danny und Michael Philippou Talk To Me, der schon auf der Berlinale für ein recht begeistertes Echo sorgte. Die Story um Geisterbeschwörung, Zeitgrenzen und Exorzismen klingt zunächst einmal altbekannt, arbeitet allerdings mit reichlich neuen Elementen und bietet Überraschungen.

Psssst! Ruhe in Irati // © Splendid Film

Voll überraschender Wendungen soll auch der schwedische Thriller Shadow Island (Johan Storm) sein. Filmbeschreibung und Trailer sind allerdings so vage, dass ein Besuch schon einer Überraschungs-Sneak-Peek gleichkommt. Allerdings sind auch hierfür solche Filmfestivals da (und der Mut eines nicht subventionierten wie des Fantasy Filmfest darf hier einmal besonders hervorgehoben werden). Paul Urkijo Alijos düstere Saga Irati dürfte womöglich eine ähnliche Wild-Card sein. Angesiedelt im 8. Jahrhundert des Baskenlands treffen die Zuschauer*innen auf Magie, viele Schwerter, Waldwesen und Trolle. Hierzu sagen wir mal: Ist sicherlich etwas, das mensch mögen muss. 

Eine Perle zum Abschluss

Zu guter letzt: Ti Wests Pearl, erneut mit Mia Goth, der „Judy Garland des Horrors“, in der Hauptrolle als eben jener titelgebenden Pearl (siehe auch Titelbild). Diese konnten wir bereits in X als gruselige, alte Frau kennenlernen, deren langsame Bewegungen nicht vor in ihnen ausgeführter Grausamkeit zu schützen vermochte. Nun geht es 60 Jahre zurück ins Jahr 1918 und wir lernen sie als junge Frau neu kennen. 

Romantik pur in Pearl // © Universal

Der Krieg in Europa nähert sich dem Ende (aus dem Westen gab es zuletzt nicht viel Neues zum großen Feuer) und Pearl träumt von einer Karriere als Tänzerin. Ein undankbares Publikum sieht das eher anders — Pearl, geprägt durch eine „eklatant dysfunktionale Frustrationstoleranz“, wiederum sieht das nicht so gern. Sollte Ti West wieder eine ähnliche Mischung von schwarzem Humor, Gore, Reminiszenzen an den Technicolor-Film und diverse Klassiker hinbekommen wie schon in X, dürfen wir uns auf einen famosen Abschluss der Fantasy Filmfest Nights freuen. Regulär startet Pearl vermutlich am 1. Juni 2023 in den Kinos.

Schadet ja nicht das New Normal anzuerkennen // © Contents Panda

Wir werden natürlich wieder über unsere Erfahrungen und Gedanken berichten und ebenso nach und nach einzelne Filme besprechen. 

AS

PS: Am 20. April startet übrigens auch Infinity Pool von Brandon Cronenberg in unseren Kinos. Egal was (manch) andere sagen: Der Film mit Alexander Skarsgård (sowie seinem Hintern) und Mia Goth ist recht großes Mind-Blow-Fuck-Kino und beeindruckt auf verschiedenen Ebenen. Warum, das lest ihr ab dem 20. April bei uns. Morgen staret erstmal den Cocaine Bearzieht’s euch rein!

Die Fantasy Filmfest Nights finden in Berlin, Hamburg, Köln, München, Nürnberg und Stuttgart vom 20. bis zum 23. April 2023 statt; in Frankfurt am Main vom 27. bis zum 30. April 2023. Termine einzelner Filme und Städte findet ihr hier, es sind nur noch Einzeltickets (seit gestern auch im VVK) zu erwerben. 

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