Konfliktfreier Mahendra Highway?

Bei Prachtstraßen, die ein Land oder gar einen ganzen Kontinent durchqueren, dürfte vielen vielleicht die Route 66, der Trans Canada Highway oder sogar die Panamericana einfallen. Die Autobahn A 7, die längste in Deutschland, von Flensburg im Norden bis Füssen im Süden, dürfte eher nicht in diese Kategorie fallen.

Von Ost nach West durch Nepal

Die wenigsten dürften aber an eines der Länder denken, die den Mount Everest, also den höchsten Berg der Erde, beheimaten: Nepal. Zugegeben, das Land ist weniger Sehnsuchtsdestination als die USA oder ganz Amerika, aber auch Nepal, das langgezogene und zwischen China und Indien gelegene Land im Himalaya, ist von einer das ganze Land traversierenden Straße durchzogen.

Farbenpracht // © Salzgeber & Co. Medien

Der Dokumentarfilmer André Hörmann hat Nepal auf dem Mahendra Highway von Ost nach West bereist und in der gleichnamigen Dokumentation in knapp anderthalb Stunden seine Eindrücke festgehalten. Der Film startet am 10. Februar in einer Reihe von deutschen Kinos und ist im Verleih von Salzgeber.

Leben in und mit den Bergen

Wir begleiten Hörmann und sein Team durch die Berge und Täler des im Süden des Himalayas gelegenen Landes und lernen eine große Zahl an Menschen in verschiedenen Situationen kennen. Ob es bei der Teeernte ist, bei den vielen Tempeln und Gebetsmühlen, die über das gesamte Land verteilt sind, dem Everest-Basecamp, an den Ufern des in den Ganges mündenden Koshi River oder in einem der zwölf Nationalparks, in Nepal sind die Bewohnerinnen und Bewohner des vornehmlich buddhistischen Landes mit einer Reihe verschiedener Umgebungen konfrontiert.

Bei der Teeernte // Salzgeber & Co. Medien

Sie haben sich aber daran angepasst. Ob es die Sherpas sind, die Bergsteigerinnen und Bergsteiger zu den Achttausendern begleiten, Frauen, die Figuren aus Holz schnitzen oder Schals traditionell mit dem Webstuhl knüpfen, oder Menschen im Nationalpark, die ihr Leben in lebenslanger Partnerschaft mit einem Elefanten begehen, das Land um den Mahendra Highway bietet so viele verschiedene Lebensstile, wie wir sie uns kaum vorstellen können.

In manchen Punkten ist Nepal dabei offenbar sehr fortschrittlich. Die bereits erwähnte Holzschnitzerin würde in manch europäischem Land vermutlich belächelt, ebenso eine auf Touristinnen spezialisierte Wandergruppe (Christine Thürmer könnte den Damen bestimmt auch den einen oder anderen Wandertipp geben). Neben vielen schönen Bildern und Luftaufnahmen verschafft uns Hörmanns Dokumentation somit eine Reihe von Eindrücken, die wir in Nepal vermutlich eher nicht erwarten.

Konsum statt Monsun

Gleichzeitig gibt es aber auch ein paar Punkte, die ein wenig fehlen. Kleinmärkte mit Waren aller Art auf „nur“ etwa 3000 Metern Höhe sind zwar eindrucksvoll und für die Menschen vor Ort eine wichtige Einnahmequelle. Gleichzeitig werden dort Konsumgüter gehandelt, die zu einer hohen Menge an (Plastik-)Müll führen dürften. Das ist auch hierzulande ein Problem und es wäre bigott, die Bewohnerinnen und Bewohner Nepals hierfür anzuprangern, aber gerade in den sensiblen und touristisch bereits sehr erschlossenen Ökosystemen wie dem Himalaya ist davon auszugehen, dass ein Großteil einfach in der Umwelt landet.

© Salzgeber & Co. Medien

Das führt uns direkt zum Thema „overtourism“. Die Bilder der Schlange stehenden Menschen, die den Gipfel des Everest besteigen wollen, gingen in den letzten Jahren um die Welt und der Abenteuertourismus hat teils groteske Züge entwickelt. Leider hören wir hierzu – wie auch allgemein zu ökologischen Themen – kaum etwas, auch wenn Ansätze, beispielsweise bei der Begegnung mit den gefährdeten Königstigern, vorhanden sind. So mancher Hinweis auf einen Missstand – auch Armut per se oder das schwere Erdbeben von 2015, unter dessen Folgen die Menschen dort auch heute noch immer leiden – fallen leider durch fast vollkommene Abwesenheit auf.

Eindrücklich und dennoch unvollständig

So schön viele der Bilder und Impressionen sind, die Hörmann und sein Team in ihrer Dokumentation zusammengestellt haben, vieles kennt mensch bereits aus anderen Filmen aus der Gegend. Dafür können Hörmann und sein Team natürlich nichts, aber in vielen Punkten wirkt Mahendra Highway leider eher wie ein Zusammenschnitt von Highlights aus der Gegend um den Himalaya ohne große und alles umfassende Klammer. Das Alleinstellungsmerkmal und der rote Faden fehlen ein wenig, beziehungsweise wurde der wohl als einende Klammer gedachte Highway nicht gut genug in dieser Rolle ausgespielt.

© Salzgeber & Co. Medien

Die Bilder und Eindrücke, die wir aus Mahendra Highway mitnehmen, sind zwar wie gesagt sehr schön, aber leider auch nach wenigen Tagen bereits zu großen Teilen wieder aus unserem Gedächtnis verschwunden. Das ist schade, denn eigentlich haben sich Hörmann und sein Team mit dem Mahendra Highway ein durchaus spannendes Objekt für ihre Dokumentation ausgesucht. Zuschauerinnen und Zuschauer, die sich ohnehin für die Gegend interessieren, werden sich auf jeden Fall für knapp 90 Minuten begeistern lassen, vielleicht aber auch nicht unbedingt viel Neues entdecken. Für alle anderen bleibt ein Film, von dem leider nicht so viel bleibt.

HMS

Mahendra Highway; Deutschland 2021; Regie: André Hörmann; Kamera: Hans Jakobi; Sprecher: Tom Vogt; Voice Over: Isabelle Höpfner, Helena Wolfram, Michael Pink; Laufzeit ca. 85 Minuten; eine Produktion der TELEKULT Film- und Medienproduktion GmbH mit ZDF und ARTE im Verleih von Salzgeber; ab 10. Februar 2022 im Kino

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