Unsichtbarer Terror

Leigh Whannell – der gute Mann hat mir schon diverse ausgereifte Spannungs- und Schockmomente beschert. Hat er doch die zumindest sehr stark gestartete Saw-Filmreihe erdacht, den leider etwas untergegangenen Bauchrednerpuppen-Schocker Dead Silence geschrieben und ist maßgeblich für die effektiv-atmosphärischen Indsidious-Filme verantwortlich. Nun hat er sich eines alten Classic Universal Monsters angenommen – dem Unsichtbaren, lose basierend auf dem gleichnamigen Roman von H. G. Wells.

Flucht vor dem Missbrauch

Zwei Wochen nachdem die Architektin Cecilia Kass vor ihrem schwerreichen, aber auch kontrollsüchtigen und gewalttätigen Ex-Freund Adrian Griffin weggelaufen und bei ihrem Jugendfreund James untergetaucht ist, erhält sie von ihrer Schwester Emily die erlösende Nachricht: Adrian hat sich das Leben genommen. Nach einem Besuch beim Anwalt Adrians, seinem Bruder Tom, erfährt sie auch noch, dass dieser ihr fünf Millionen Dollar in monatlichen Auszahlungen hinterlassen hat. Voraussetzung dafür ist, dass Cecilia weder für ein Verbrechen angeklagt noch für geistig verwirrt erklärt werden darf.

Aber sowas sollte wohl auch nicht passieren und so fängt Cecilia endlich an, ihre neugewonnene Freiheit zu genießen. Doch auf einmal geschehen seltsame Dinge: Eine Pfanne fängt wie von Zauberhand Feuer, eine verlorene Pillendose taucht wieder auf. Schnell glaubt sie, dass Adrian seinen Tod lediglich vorgetäuscht hat und sie nun als „Unsichtbarer“ stalkt. Das klingt dann doch nach geistiger Verwirrung, oder…?!

Subtiler Grusel

Whannell baut vom ersten Moment an Spannung auf – sei es das Opening mit den sich am Felsen brechenden Wellen und die sich anschließende Flucht Cecilias aus dem Haus, das sie gemeinsam mit Adrian bewohnt. Wir sehen hier nicht, ob und was Adrian ihr in der Vergangenheit angetan hat, aber die ihr deutlich ins Gesicht geschriebene Panik spricht Bände.

© Universal Pictures

Diese Spannung wird in der ersten Hälfte beständig ausgebaut, erst in Form von Cecilias konstanter Anspannung, der Erzählung um Adrians psychischen wie physischen Missbrauch, dann durch lange Einstellungen stiller Ecken und nie weiß man, ob und was dort lauert. Geräusche auf dem Dachboden dürfen natürlich auch nicht fehlen. Das ist subtiler Grusel, mit dem einen oder anderen garantierten Schockmoment. Das ganze gipfelt in einem nahezu schnittlosen Kampf zwischen Cecilia und der scheinbar unsichtbaren Macht.

In der zweiten Hälfte des Films wechselt die subtile Spannung dann zu eher actiongeladenen Thriller-Momenten, was nicht weniger unterhaltsam, aber dann auch einigermaßen schematisch abläuft. Zu einer zusätzlich dauerhaft klaustrophobischen Stimmung trägt wesentlich der von Horror-Experte Benjamin Wallfisch komponierte Score bei.

Eine feministische Perspektive

Viel zu verdanken hat der Film sicherlich der Leistung von Elisabeth Moss (The Handmaid’s Tale – Der Report der Magd, The Kitchen – Queens of Crime), die gekonnt eine vermeintlich gebrochene, in Not geratene, aber im Zweifel zu allem bereite Frau verkörpert. Bemerkenswert ist, wie stark der Film das Narrativ von Cecilias Befreiung und ihrer Option auf Vergeltung nutzt, wie sehr der Film die Auswirkungen von häuslicher Gewalt und dauernder Manipulation beleuchtet und weniger die eigentliche Geschichte des „Unsichtbaren“ erzählt. Das ist eine feine, feministisch geprägte Sicht, die dem Stoff sichtlich guttut.

© Universal Pictures

Ein durchgehend spannender Grusel-Psycho-Thriller, der dank seiner Hauptdarstellerin und sowohl stimmungsvoller Musik, wie auch Inszenierung garantiert zwei fesselnde Stunden bietet.

Der Unsichtbare (The Invisible Man); USA, Australien, 2020; Regie: Leigh Whannell; Drehbuch: Leigh Whannell;  Musik: Benjamin Wallfisch; Darsteller: Elisabeth Moss, Aldis Hodge, Storm Reid, Michael Dorman, Harriet Dyer, Oliver Jackson-Cohen; Laufzeit: ca. 124 Minuten; FSK: 16; Universal Studios; zu leihen als Video on Demand bspw. über YouTube, Amazon Prime und Google Play

Beitragsbild: © Universal Pictures

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