35 Jahre und kein bisschen leise

Die erste Anfrage zum Besuch des Musicals und für Interviews mit Künstlern hat er erstmals 2021 gestellt und wurde begeistert empfangen. Gerade in der CoronaPandemie war dieses Haus eines der ersten, die wieder spielten. Dazu hat auch das Ensemble mit strikten Test-Routinen und Disziplin beigetragen. Da wurde nicht nur täglich getestet sondern auch bei Proben und Kontakten innerhalb des Ensembles auf alles geachtet, was nur irgendwie ging. Verständlich. Denn wer wollte schon den gerade erst wieder erkämpften Spielbetrieb gefährden? Aufgrund verschiedener Faktoren kam der Termin aber erst jetzt 2023 nach mehreren Anläufen zustande. Das war so schön, die Tür war immer noch weit auf, das Willkommen herzlich und offen. Gerade deshalb war unser Autor Frank Hebenstreit gespannt, wie die einzelnen Beteiligten sich äußern würden. Und welche Äußerungen er bekommen hat. Zwei Interviews mit Darstellern könnt Ihr euch ab diesem Mittwoch im Video ansehen, ein Interview mit einem Service-Mitarbeiter aus dem Vorderhaus, der jetzt auch schon seit 35 Jahren mit dabei ist, könnt ihr dann als Podcast-Video hören.

Aber geben wir erst einmal der Geschichte etwas Raum.

Sternenhimmel // © MEHR-BB ENTERTAINMENT

Als echtes Ruhrpottkind kann sich unser Autor noch gute an die Zeit erinnern, als die Halle gebaut wurde und das Stück 1988 an den Start ging. Und ja damit outet er sich wieder einmal als älter als 35, 40 oder 45.

Was hat das damals im Ruhrpott für ein Aufsehen und Geschrei gegeben. Ein Musical? Auf Rollschuhen? Eine Halle extra dafür gebaut? Wie viele Leute sollen sich das denn angucken, damit das gut geht? Wer plant denn so einen Sch…!

Und das waren noch die eher netten Kommentare, die mensch hörte.

„Na, mal sehen, was wir mit der Halle machen, wenn die nach zwei Jahren pleite sind, wenn sie überhaupt so lange durchhalten. Vielleicht können die Symphoniker ja dann da rein… Oder das Schauspielhaus?…“ So oder so ähnlich haben sich auch Größen der Lokalpolitik damals geäußert. Was also damals unter öffentlichem Gegenwind anfing, hatte schon seit kurz nach dem Start ikonischen Kultstatus.

Die Waggons, v. l. n. r.: Carrie, Dinah, Pearl und Belle // © Starlight Express/Detlef Overmann

Tja, falsch gelegen, kann mensch vom heutigen Standpunkt aus den damaligen Schwarzsehern nur sagen. Seit nunmehr über 35 Jahren pilgern die Menschen in wahren Besucherströmen zum Starlight Express. Einige Überarbeitungen hat das Stück erfahren, seit es im Juni 1988 Premiere hatte. Die im Vordergrund stehende Liebesgeschichte trat im Laufe der Jahre immer mehr in den Hintergrund. Seit der letzten Überarbeitung 2018 ist die bestärkende Botschaft: „Du kannst erreichen, was Du Dir wünschst, sein, wer Du willst, wenn Du nur an Dich glaubst!” Und so liegt genau darin die Faszination des Stücks, das sich heute aktueller denn je zeigt.

Eine der entscheidenden Änderungen damals war auch „Mama“. Ursprünglich als Papa angelegt, wurde die Rolle geöffnet und sorgt seitdem für eine wunderbar liebevolle und warmherzige Figur – wir fühlen uns an die Amme aus Romeo und Julia erinnert. Die Musik wurde noch einmal grundlegend überarbeitet. Aber auch darüber hinaus fanden weitreichende Änderungen statt. War Electra z. B. ursprünglich als bulliger Kerl angelegt, wird diese Figur heute als geschlechtsneutral gefeiert. Bei mehreren anderen Charakteren bleibt das Geschlechtslabel ebenfalls außen vor. Auch und gerade von der queeren Community wurden diese Wechsel positiv bewertet. Fans aus allen Teilen der Welt feiern diese Produktion Abend für Abend.

Bremswagen Caboose und E-Lok Electra // © Starlight Express/Detlef Overmann

Wiederholungstäter gab es nicht nur unter den Zuschauern, auch Darsteller*innen und Mitarbeiter*innen kommen immer wieder gern ins Haus zurück. Diese Begeisterung spürt mensch auch direkt beim Betreten des Theaters. Fröhliches Begrüßen allerseits und der Umgangston im ganzen Haus ist liebevoll und freundlich. Wo auch immer mensch fragt, wird die Starlight-Familie bekräftigt und gern bestätigt. Sei es vor der Kamera oder am Mikrofon oder auch einfach nur in den Gesprächen: Die Familie hält zusammen.

Bevor wir uns aber den Interviews widmen, nutzen wir die Zeit mit der Presseverantwortlichen Victoria Schulze zu plaudern. Die hat so den einen oder anderen Fakt im Gepäck, der nicht nur unseren Autor staunen lässt. In fast 13.000 Vorstellungen haben bis heute 850 Darsteller über 18 Millionen Besucher*innen begeistert und fasziniert in die Realität entlassen. Über 170.000 Skate-Rollen und 28 Kilometer Pflaster wurden verbraucht. Die Rolle des Greaseball hat knapp 29.000 Kilometer auf den Rollschuhen zurückgelegt, einmal Australien und zurück.

Greaseball und Ensemble // © Starlight Express/Detlef Overmann

Starlight Express hält bis heute eine ganze Menge Rekorde und wird in absehbarerer Zeit noch einige einfahren. Den Titel für das am längsten an einem Spielort gezeigte Musical hielt bis vor kurzem noch Das Phantom der Oper in New York. Da diese Produktion in diesem Jahr abgespielt wurde, haben wir in Deutschland nun einen absoluten Rekordhalter. Das am längsten an einem einzigen Spielort gezeigte Musical der Welt ist jetzt unser Starlight Express im Ruhrpott.

Oder wie man dort sagt:

„Näää wat ist datt schön… Hömma, musse auma kucken gehn. Kannze wat staun’n! Und dat geht da abba ma sowat von rasant zu!”

Oder ganz einfach: gucken, staunen, lieben!

Frank Hebenstreit/QR

Greaseball // © STARLIGHT EXPRESS

Dies ist der erste von drei Texten zum 35. Geburtstag von Richard Stilgoes Starlight Express. Der zweite Teil mit den Interviews wird am Mittwoch veröffentlicht, der dritte Part mit einer Rezension zur aktuell aufgeführten Version des Musicals am Freitag.

Infos, Termine und Tickets zu Starlight Express in Bochum findet ihr hier.

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