Die Gesichter von Starlight Express

Die Gesichter, v. l. n. r.: Thorsten Engel, Cassie Rogers und Semme Prins

Natürlich liest sich die ganze Erfolgsgeschichte des Starlight Express schön und die Fakten oder Rekorde lassen sich ganz fein in Statistiken auswerten. Es gibt aber etwas anderes, was zählt und was das Theater, die Produktion und jeden Abend zu einem Erlebnis machen. Es sind die Menschen, die sich zu dieser Starlight-Familie zusammen gefunden haben. Jede*r gibt Abend für Abend ihr*sein Bestes.

Drei beeindruckende Menschen konnten wir interviewen

Semme Prins, ein sympathischer Niederländer aus Amsterdam, Darsteller des Volta und am Tag unseres Besuches in seiner Coverrolle als Elektra, war schon als Jugendlicher im Publikum und wollte unbedingt auf diese Rollschuhe und diese Bühne. Angetrieben davon hat er seine Ausbildung absolviert und gehört seit dem Castwechsel im Mai 2023 nun fest zum Ensemble. Im Interview schwärmt er von der Stimmung im Ensemble und den zwei Monaten Rollschuhtraining. Das war hart, meint er, aber es habe auch extrem viel gebracht.

Was er selbst begeistert erzählt, ist, dass die Verantwortlichen den Darsteller*innen keine ganze so engen Vorgaben für das Erarbeiten ihres Charakters machen. Er konnte sein Wesen, seine Erfahrungen und auch seine Attitüde bei der Erarbeitung mit einbringen und ganz er selbst sein.

Semme spielt selbst auch gern mit den Geschlechtergrenzen, geht auch mal im Abendkleid los oder trägt Nagellack. Ganz im Sinne von „no labels, please” lehnt er eine Bezeichnung als „queer” für sich selbst ab. „Ich bin einfach ich…” sagt er mit einem bescheidenen Augenaufschlag, der keinerlei Koketterie erkennen lässt, sondern nur klarmacht, er ist ganz bei sich selbst. Wie schön, wenn mensch das mit 24 von sich behaupten kann.

Die Interviewpartnerin Cassie Rogers spielt mit Rocky 3 eine langjährige Männerrolle und freut sich sehr, dass hier jetzt auch Frauenpower im Vordergrund steht. Sie begrüßt die Bearbeitung von vor fünf Jahren, gerade die Figur der Mama läge ihr sehr am Herzen.

Als PoC hat sie selbst auch am eigenen Leib mehr als einmal Diskriminierung erfahren, sich davon aber nicht unterkriegen lassen. Sie ging selbstbewusst ihren Weg, der sie schlussendlich ins „lovely” Bochum führen sollte. Als gebürtige Engländerin hat sie auf die Anfrage: Musical? Auf Deutsch? Auf Rollschuhen? wohl nur ein „let’s go” geantwortet.

Mit einer erfrischenden Spur Chuzpe und dem Rückhalt einer großen Starlight-Familie spricht sie von dem durchaus respektvollen Moment, als sie erstmals ins Haus kam. Irgendwie beseelt vom festen Willen, selbst das Beste zu geben, aber auch für andere ein gutes Beispiel zu sein, kommt sie bei der Frage nach den genderspezifischen Besonderheiten der Charaktere in eine kleine Rage und hält plötzlich eine bewundernswerte und charismatische Rede darüber, dass wir alle gleich sind – einfach Menschen.

Selten hat ein Interview in unserem Autoren so nachgehallt

Sichtlich bewegt und beeindruckt davon hat er den Cast ihren Vorbereitungen für die Vorstellung überlassen.

Dritter im Bunde: Thorsten Engel, Servicemitarbeiter im Vorderhaus. Ihn hat unser Autor Frank Hebenstreit erst später interviewt. Der Grund für das Gespräch: Herr Engel ist ihm beim Besuch der Vorstellung mehr als positiv aufgefallen. Perfekter Service, freundliche Umgangsformen und auch wenn es darum geht, den Zuschauer*innen Grenzen aufzuzeigen, ist Herr Engel stets freundlich und höflich. Was man ihm direkt angemerkt hat: Er brennt für seinen Job, das Haus und die Produktion. Jeden Abend, wenn die Rollen sich auf den Bahnen, die die Welt bedeuten, drehen, fährt offensichtlich ein bisschen Herzblut von Thorsten Engel mit.

Er ist inzwischen auch 35 Jahre dabei. „Wir standen letztens an der Theke, hatten 105 Jahre Starlight zusammen. Wir waren zu dritt!” In der kompletten Gästebetreuung merkt man diesen Vibe, den er ausstrahlt. Natürlich ist unser Autor neugierig geworden und wollte dem auf den Grund gehen. Ein Interview hat er bekommen, aber keines mit Video. „Wenn einer die Kamera hält, dann ich.” Na gut. Aber ein Sprachinterview haben wir geführt, das so beeindruckend war, dass wir es Euch in voller Länge als Podcast-Video aufgearbeitet haben. Hoffentlich habt Ihr beim Hören genau so viel Spaß wie wir.

Wir durften beeindruckende Menschen kennenlernen, die in einer beeindruckenden Theaterproduktion zusammenarbeiten und dabei immer die bestmögliche Vorstellung im Blick haben. Etwas, was es heutzutage viel zu selten gibt.

Das Alleinstellungsmerkmal „einziger Spielort auf der Welt” haben sie in Bochum allerdings bald verloren. In London geht 2024 eine neue Produktion von Starlight Express an den Start. Doch bis dahin werden noch viele Kilometer Starlight Express allein in Bochum gefahren.

Wir? Wir freuen uns schon auf die nächste Vorstellung. Warum? Das lest ihr dann in der Rezension.

Frank Hebenstreit/QR

Greaseball // © STARLIGHT EXPRESS

Dies ist der zweite von drei Texten zum 35. Geburtstag von Richard Stilgoes Starlight Express. Den ersten Part mit diversen Hintergrundinformationen und der Entstehungsgeschichte des Musicals im Ruhrpott findet ihr hier, der dritte Teil mit einer Rezension zur aktuell aufgeführten Version des Musicals kommt am Freitag.

Infos, Termine und Tickets zu Starlight Express in Bochum findet ihr hier.

Unser Schaffen für the little queer review macht neben viel Freude auch viel Arbeit. Und es kostet uns wortwörtlich Geld, denn weder Hosting noch ein Großteil der Bildnutzung oder dieses neuländische Internet sind für umme. Von unserer Arbeitszeit ganz zu schweigen. Wenn ihr uns also neben Ideen und Feedback gern noch anderweitig unterstützen möchtet, dann könnt ihr das hier via Paypal, via hier via Ko-Fi oder durch ein Steady-Abo tun. Oder ihr schaut in unseren Shop. Vielen Dank!

About the author

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert