Bruderliebe in Schwesterparteien

Konservativ und schwul? Das scheint sich ein wenig zu widersprechen, zumindest tat es das lange in den Augen vieler. Dabei werden in allen – oder zumindest vielen – Beziehungen konservative Werte gelebt, gegenseitige Fürsorge, Vertrauen, Liebe. Ob das eine Frau und ein Mann, zwei Männer, zwei Frauen oder eine trans*-Person und eine cis-Person sind, ist dabei eigentlich ziemlich egal.

Zwei Männer, eine Liebe

Zumindest nicht in diesem Umfang gilt das für CDU und CSU. Bis auf den früheren Gesundheitsminister Jens Spahn war bisher kein aktuelles Mitglied der CDU/CSU-Bundestagsfraktion bekannt, das nicht heterosexuell ist – und auch Spahn wurde vor einigen Jahren eher unfreiwillig geoutet. Nun ist die Fraktion gleich um zwei Politiker reicher, die ihre gleichgeschlechtliche Liebe öffentlich machen.

Der sachsen-anhaltinische Abgeordnete Sepp Müller – wie Spahn Stellvertretender Fraktionsvorsitzender – und der bayerische CSU-Politiker Wolfgang Stefinger haben sich gemeinsam entschlossen, ins Offene zu treten – auch weil sich dadurch die Frage nach dem jeweiligen Partner erübrigt. Die beiden sind ein Paar und damit das erste offen gleichgeschlechtliche, das die CDU/CSU-Fraktion hat.

Liebe in konservativen Kreisen

Gerade für diese beiden dürfte der Schritt nicht ganz so einfach gewesen sein, denn – wie beschrieben – gerade in den konservativen Kreisen der Union ist Homo– oder Bisexualität nicht unbedingt ein wohlgelittenes Thema. Ja, CSU-Chef und Nicht-Kanzler Markus Söder erklärte bereits vor ziemlich genau anderthalbJahren „jede Liebe für segenswert“, aber einen Sprecher oder eine Sprecherin für Homo- oder Queerpolitik suchen wir bei der CDU/CSU bis heute vergebens.

Und auch individuell dürften Stefinger und Müller vielleicht nicht überall auf Verständnis stoßen. Gerade die CDU in Müllers Landesverband Sachsen-Anhalt gilt als sehr konservativ. In Bayern, der Heimat von Stefinger und seiner CSU, sind Homosexualität und Queerness bei der vielbeschworenen „Basis“ immer noch mit mehr Vorurteilen verbunden, als uns im Jahr 2023 lieb sein mag. Dass Stefinger aus dem doch halbwegs fortschrittlichen München kommt, dürfte für ihn zwar förderlich sein, aber wenn wir an so manche Äußerungen beispielsweise der Vorsitzenden der Frauen-Union BayernUlrike Scharf (deren Heimat Erding auch nicht gerade weit weg von München liegt) – denken, dann wird uns doch manches Mal eher mulmig.

„Jünger, weiblicher und diverser“?

Nachdem die CDU nun mit Friedrich Merz den Vorsitzenden bekommen hat, den sich „die Basis“ so offenbar lange gewünscht hat, bleibt die Erneuerung der Partei in der Opposition bislang eher aus. So sehr wir uns über die Arbeit der aktuellen Bundesregierung echauffieren, die CDU/CSU hat es bislang nicht vermocht, wirklich eigene Akzente zu setzen. Jenseits des üblichen Grundrauschens ist Markus Söder zuletzt erstaunlich zurückhaltend und auch aus der CDU gibt es bislang kaum eine Idee, was die Partei besser machen würde, wäre sie an der Regierung.

Der frühere CDU-Generalsekretär Peter Tauber sagte bereits vor etwa zehn Jahren, dass die Partei „jünger, weiblicher und diverser“ werden müsse. Joa, wirklich geschehen scheint in der Partei allerdings nicht viel zu sein – und das gilt für die CSU ähnlich. Zwar hat die CDU mittlerweile eine Frauenquote, aber die kam nicht, weil der Vorsitzende sie unbedingt wollte. Friedrich Merz – wir erinnern uns – musste die Quote eher erdulden, als dass sie ein Herzensanliegen des Mannes war, der vor zwei Jahren erst sagte, dass er gar nichts gegen Frauen haben könne. Schließlich habe er drei davon zu Hause.

Erste Schritte, schwere Schritte

Und ja, wir freuen uns auch, dass die Lesben und Schwulen in der Union (LSU) seit kurzem auch als offizielle Vereinigung anerkannt ist, also nun weit bessere Möglichkeiten genießt, öffentlich wahrgenommen zu werden. Aber auch das muss sich erst noch ausspielen und geht nicht auf eine Initiative der Parteiführung zurück. Die Berufung eines queerpolitischen Sprechers (bzw. einer Sprecherin) wäre ebenfalls ein Zeichen, dass Partei und Fraktion im Heute angekommen sind. Die vielen positiven Reaktionen – auch und vor allem von jüngeren Unionspolitikerinnen und -politikern geben aber Grund zur Annahme, dass sich da vielleicht etwas tun könnte.

Wir halten also fest: Zwei Männer aus der CDU/CSU-Fraktion bekennen sich zu ihren Gefühlen füreinander. Das freut uns sehr, aber damit ist nur ein erster Schritt getan. Wenn sich die Partei – und vor allem die Basis – nun damit anfreunden kann, was Markus Söder sagte (oder auch die damalige CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer, nämlich dass sie ihr Kind in den Arm nähme, würde es sich vor ihr outen), wäre viel gewonnen. Für unsere Gesellschaft, für die Partei und für die vielen Menschen, die beides sind: konservativ und homosexuell.

HMS

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