Dem Kanzler so nah, dass man ihn riechen kann

Beitragsbild: Gesprächsrunde im Garten der Villa La Collina aka Stuhl-MashUp. Foto: Giuseppe Moro, © Konrad- Adenauer-Stiftung

Manchmal ist es ein zweischneidiges Schwert, wenn eine Stiftung ein Buch oder einen Bildband zu ihrem Namensgeber veröffentlichen möchte, dieses oder dieser aber nicht als Festschrift verstanden werden sollte, dennoch aber von Menschen innerhalb der namensgebenden Stiftung betreut wird. Das kann gut gehen, muss es aber nicht. Bei dem hier vorliegenden Band Guiseppe Moro & Konrad Adenauer – Der Kanzlerfotograf vom Comer See kann man sich das recht deutlich vor Augen führen. 

Eine leider selbstverliebte Einführung

Veröffentlicht im äußerst renommierten Hirmer Verlag haben wir es mit einem Bildband zu tun, der uns tatsächlich neue und spannende Einblicke in die Zeit Adenauers in der Villa La Collina in Cadenabbia vermittelt. Hier verbrachte Adenauer in seinen letzten (Kanzler-)Jahren viele Arbeitsurlaube. Möglich wurde dieser Band, da der Sohn Guiseppe Moros, Luciano, 2017 der Konrad-Adenauer-Stiftung einen Großteil der Bildbestände seines bereits 1991 verstorbenen Vaters überließ (über den Prozess, der davor möglicherweise im Gange war lässt sich nun unterhaltsam spekulieren, insbesondere da die KAS Eigentümerin der Villa ist). Jener Bildbestand wurde nun dem Archiv für Christlich-Demokratische Politik innerhalb der Stiftung überantwortet. Somit begann ein etwas längerer, aber wohl nicht unendlicher Vorgang des Sortierens, Zuordnens und Sichtbar-Machens. 

Und hiermit wären wir bei einem der größeren… problematischen Anstoßpunkte des von Michael Borchard und Martin Falbisoner herausgegebenen Bildbandes. In der von Martin Falbisoner geschriebenen, etwa sechseinhalb, gefühlt aber zwanzig, Seiten langen Einführung zum Band, bekommen wir erstens das Gefühl vermittelt, es handele sich um eine Festschrift. Zweitens, beschreibt er die Aufarbeitung des Bestands, als einen kaum vorstellbaren Aufwand. So fehlten bspw. teilweise Kontaktabzüge, geradezu ein Ding der Unmöglichkeit, denn jeder Fotograf behielt damals natürlich alles, wohlwissend, dass seine Bilder circa sechsundzwanzig Jahre nach dessen Ableben Verwendung finden sollten. Aber nach Falbisoners Logik, brauchen die Fotografen jeden dieser Abzüge, um auch selber Ordnung zu halten. Das ist schlicht Unsinn, der Fotograf ist nicht gleichsam Archivar. Hinzu kommt, wie unnötig aufwendig er den Prozess der Erschließung der Bilder beschreibt – die Formate zu ändern, Farbgebung anzupassen; dabei aber gleichsam sensibel zu bleiben und dem Werk des Fotografen gerecht zu werden. Letztlich schreibt er dann auf Seite 17 dies: „Diese [die Bilder, Anm. d. Red.] liefen größte Gefahr, zwar dem Geschmack des von softwaregestützten Lupenansichten geprägten, digitalen Nutzerverhaltens vollauf zu genügen. Damit würden sie aber gleichzeitig und unausweichlich auch die visuellen Möglichkeiten, Ansprüche und Grenzen ihrer eigentlichen Entstehungszeit geradezu ignorant übersteigen.“ Da habe ich den Band dann mal kurz zugeklappt und mir einen frischen Kamillenblütentee gekocht. 

Ludwig Erhard und Konrad Adenauer beim Gartenspaziergang. Foto: Giuseppe Moro, © Konrad-Adenauer-Stiftung

Was mich zu drittens kommen lässt: Falbisoner stolpert bei seiner Liebe zu Adenauer mit einer in seine eigenen Worte verliebten Arroganz durch die Einführung, was dann zu Dingen wie diesen führt: „[…] ein nahbarer, ostentativ überaus rüstiger älterer Herr, […]“ (S. 13); “Dabei wirkt Adenauer gleichzeitig gravitätisch und nahbar; autoritär und doch menschlich.“ (S. 17); etc. Was noch? Augenscheinlich sexy aber doch überaus, vollkommen über die Maßen asexuell, da ostentativ anständig? Herrje, herrje, … 

Angemerkt sei allerdings, dass, so man diese Schreibsituation mit einem Schmunzeln hinnehmen kann, die Einführung informativ und für eine bewusste Wahrnehmung der Bilder notwendig ist.

„Ich bin immer wieder beeindruckt von dem freundlichen Empfang und von der Gastfreundschaft, die mir überall entgegengebracht werden.“

(Guiseppe Moro & Konrad Adenauer: Der Kanzlerfotograf vom Comer See; Konrad Adenauer, S. 30)

Nun endlich zu den Bildern: Es ist eine feine Auswahl dieses recht großen Bestandes. Wie bereits erwähnt, erlaubt uns der Band einen neuen – oder vielleicht passender – ein erweiterten Blick auf das politische und auch private Leben des Kanzlers zu werfen. Die Fotografien inmitten der Dorfgemeinschaft zeigen einen Menschen Adenauer, der zwar hier und da beschrieben worden ist, doch selten so zu sehen war. 

Konrad Adenauer mit dem italienischen Ministerpräsidenten Amintore Fanfani am 31. August 1958. Foto: Giuseppe Moro, © Konrad-Adenauer-Stiftung

Auch sehr anschaulich die Bilder mit Adenauer und seinem Außenminister Heinrich von Brentano. Nahezu wie aus einem Fellini-Film wirkt die Aufnahme, die Moro von Brentano direkt vorm Comer See schoss (S. 55). Dann wiederum sieht ein Bild Moros auf dem er Adenauer, Ludwig Erhard und Ria Reiners (eine der Töchter Adenauers) festhält, aus als wäre es aus einem Loriot-Sketch. Und den Konni beim Boccia mal entspannt ohne Sakko zu sehen ist auch nett. Allein für diese Eindrücke ist der Band Gold wert.

„Die NATO kann nicht bestehen ohne Deutschland. Und wenn die amerikanischen Truppen sich aus Deutschland zurückziehen, dann ist es aus mit uns.“

(Guiseppe Moro & Konrad Adenauer: Der Kanzlerfotograf vom Comer See; Konrad Adenauer, S. 80
Die Villa La Collina, Konrad Adenauers bevorzugtes Feriendomizil. Foto: Giuseppe Moro, © Konrad-Adenauer-Stiftung

Alles in allem fein sind auch die zahlreichen, thematisch passend den Bild-Kapiteln vorangestellten Zitate. Einige von Adenauer, andere von Wegbegleitern oder Gästen. Das ergänzt und hilft eben dort, wo eventuell doch mal ein Datum fehlt. 

Gerade in diesem Jahr ist es spannend sich den Band genau anzusehen, begegnet man doch auch Lauris Norstad und Dirk Stikker und hat somit den Bogen zu internationaler Sicherheitspolitik und der NATO geschlagen. Eine gute Erinnerung daran, wie wichtig und lang gediehen Zusammenarbeit und Kooperation sind und man sich nicht in „hirntot“-Kommentaren ergehen sollte. 

Es macht Spaß durch den Band zu blättern und tatsächlich – da haben sowohl die Herausgeber, als auch der Verlag, wie wohl auch Marie-Lisa Noltenius starke Arbeit geleistet – hat man das Gefühl, teilzuhaben, an der Bonner Republik abseits Bonns. Das ist eine Leistung.

Dennoch wiederholt sich das eine oder andere Bild, hier sehen wir nur einen anderen Winkel und dieses oder jenes Bild ist auch äußerst (das „ä“ können wir seeeeeehr lang ziehen) inszeniert. Aber was soll’s? Eine Figur des öffentlichen Lebens lässt sich ja nicht unbedingt gern beim Stuhlgang ablichten und TikTok war damals halt auch noch kein Ding.

Für den geneigten Betrachter finden sich im Anhang noch Kurzbiografien der namentlich im Band abgebildeten Personen, das ist natürlich eine sehr nützliche und wohl auch notwendige Ergänzung. 

Bleibt die Frage – sollte man hierfür knapp 30 Euro ausgeben? Ich sach mal ja, wenn man an dem guten Mann interessiert ist. Vielleicht auch schon mal das eine oder andere Buch über oder von ihm gelesen hat. Aber auch wenn nicht, bietet der Band eine recht gute Möglichkeit, sich dem ersten deutschen Kanzler anzunähern (anders als die Einführung es vermuten lässt, siehe unten).

Besuch der Villa Sola Cabiati, etwas südlich von Cadenabbia. Foto: Giuseppe Moro, © Konrad-Adenauer-Stiftung

Die Bilder Moros sind größtenteils wirklich toll anzusehen und es gibt schöne Landschaftsbilder, außerdem kann man lernen, wie ein vernünftig gedeckter Kaffeetisch auszusehen hat und dass Taschen nicht auf den Boden gehören. Das wirklich Schlimmste am Buch ist die furchtbar geschriebene, aber dennoch notwenige Einführung. Da hätte man sich mehr Worte Konrad Adenauer Seniors, Enkel vom Kanzler, gewünscht. Der liefert auf knapp anderthalb Seiten eine pointierte Einleitung und macht Lust auf den Band und das Haus.

Was es sonst noch zu bemerken gibt:

  • S. 12 „Denn bekanntlich verbrachte der Kanzler am Westufer des Comer Sees zwischen 1957 und 1966 insgesamt 18 längere (Arbeits-)Urlaube.“ – Klasse. Und wem das nicht bekannt war, der ist des Bandes nicht würdig? So etwas schreibt man nicht in eine Einführung! Auch nicht in einem Band, der der Adenauer-Stiftung zuzuschreiben ist. 
  • Ich habe noch niemals soooo viele Adjektive auf so wenig Feld gelesen, höchstens noch bei Bret Easton Ellis, aber der ist ja quasi elaborierter White-Luxury-Trash.
  • Lieber, lieber Norbert Lammert – man schließt ein geschriebenes Grußwort niemals mit einem Ausrufezeichen ab. Außer wir schreiben ins Freundschaftsalbum von Carola aus Klasse vier.
  • Als Ergänzung zum Bildband und überhaupt lohnt sich diese Seite der KAS.

Borchard, Michael & Falbisoner, Martin (Hrsg.): Giuseppe Moro & Konrad Adenauer – Der Kanzlerfotograf vom Comer See; 1. Auflage 2019; 160 Seiten; 103 s/w Abbildungen; gebunden; ISBN: 978-3-7774-3354-7; Hirmer Verlag; 29,90€

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