Familie und andere Talsohlen

Was gibt es Schöneres als zwei das Auftauchen von Kommissarin Franziska Tobler (Eva Löbau) und Kollege Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) zur Konfirmation der Enkelin, um über das zehn Jahre zurückliegende Verschwinden der Tochter zu sprechen?! Richtig: Sehr, sehr vieles. Ändert aber nichts daran, dass nach dem Fund der Leiche von Rosa Winterfeld im Tatort: Unten im Tal alte Wunden in einem ohnehin eher düster anmutenden Dorf im Schwarzwald wieder aufreißen — nicht nur bei den Winterfelds.

Talfahrt der Erinnerungen

Die gern beim Wein zulangende Mutter Meike Winterfeld (Inka Friedrich) verdächtigt nach wie vor den Cousin ihres Mannes Josef (Cornelius Obonya), Werner Trödle (dezente Ähnlichkeit mit Jütte aka Roland Riebeling: Aurel Manthei), der erst kürzlich aus dem Knast kam. Hier saß er ein, nachdem er — besoffen, ist so ein Ding auf dem Dorf — seine Partnerin brutal zusammengeschlagen hat. Vieles fehlte wohl nicht und es wäre ein lupenreiner Femizid gewesen. Jedenfalls vermutet Frau Winterfeld ebenso wie Kommissarin Tobler, dass der Ex-Inhaftierte — damit aber noch lange nicht Rehabilitierte (wir sind immerhin beim Tatort!) — sich an der damals minderjährigen Rosa vergangen und sie anschließend ermordet haben könnte.

Josef (Cornelius Obanya) und Meike (Inka Friedrich) Winterfeld haben nach dem Tod ihrer Tochter die Enkelin aufgezogen // © SWR/Benoît Linder

Andererseits weist die Leiche nicht wirklich Verletzungen oder Traumaspuren auf. Licht ins Dunkel sollen die mittlerweile ebenfalls erwachsen gewordenen Axel Leibing (Tonio Schneider, Eldorado KaDeWe, Und morgen die ganze Welt) und Elif Topcu (Canan Samadi). Ersterer war der Freund Rosas und ist Vater ihres frisch konfirmierten Kindes Antonia (Carlotta Bähre); Elif hingegen war ihre beste Freundin, die sich mittlerweile eine Existenz als Ärztin in Berlin aufgebaut hat.

Abgründe bis in die Gipfel

Um Existenz, nicht selten verkrachte, verletzte und verhinderte, geht es auch in diesem Schwarzwald-Tatort der, ohne dies despektierlich zu meinen, wie eine Mischung aus einem schwächelenden Der Pass-Geschwisterchen, einem Lindenstraße-Spezial und einer unaufgeregten True-CrimeDoku daherkommt. Zu größten Teilen stimmungsvoll von Regisseurin Julia Langhof inszeniert und dank eines recht zielstrebigen Drehbuchs von Nicole Armbruster deutlich in der Figurenzeichnung, vergehen die neunzig Minuten trotz eines ernsten Themas und latent gedrückter Stimmung durchaus recht flugs. 

Als Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) und Franziska Tobler (Eva Löbau) den verdächtigen Werner Tröndle (Aurel Manthei) erneut befragen, stellt sich heraus, dass er ihnen einiges verschwiegen hat // © SWR/Benoît Linder

Problematisch darf allenfalls gesehen werden, dass Franziska Tobler sich ihrer Täter-Idee anfangs so sicher ist, dass sie es beinahe versäumt, auch in andere Richtungen zu blicken, auch wenn der gewohnt schlurfige Berg sie etwas einhegt. Gerade eine zweite Tote und voneinander abweichende Erzählung, was in der Nacht von Rosas Verschwinden geschah, weiten ihren Blick dann allerdings ein wenig. Wenn die Aufklärung einer der großen Fragen zwar durch einen Zufallsfund und einen Erklär-Brief geschehen und die Ermittelnden eigentlich nur noch fix ganz simple Fakten-Addition betreiben müssen, fiebern wir dennoch mit und dürfte die Abgründe in verschneiter Landschaft, unten im Tal schon weit vorher ermessen können.

AS

Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) rekonstruieren mit Elif (Canan Samadi) die Abläufe am Tag von Rosas Verschwinden. Axel Leibing (Tonio Schneider) soll erst später befragt werden // © SWR/Benoît Linder

PS: Merke: An apple a day, does not keep the killer away. 

PPS: Respekt, dass die da überall Mobilfunknetz haben!

Tatort: Unten im Tal läuft am Sonntag, 12. Februar 2022, um 20:20 Uhr im Ersten, um 21:45 Uhr auf one und ist anschließend für sechs Monate in der ARD-Mediathek verfügbar.

Tatort: Unten im Tal; Deutschland 2023; Regie: Julia Langhof; Drehbuch: Nicole Armbruster; Kamera: Andreas Schäfauer; Musik: Torsten Reibold: Darsteller*innen: Eva Löbau, Hans-Jochen Wagner, Cornelius Obonya, Inka Friedrich, Aurel Manthei, Tonio Schneider, Canan Samadi, Carlotta Bähre; Laufzeit: ca. 89 Minuten

Unser Schaffen für the little queer review macht neben viel Freude auch viel Arbeit. Und es kostet uns wortwörtlich Geld, denn weder Hosting noch ein Großteil der Bildnutzung oder dieses neuländische Internet sind für umme. Von unserer Arbeitszeit ganz zu schweigen. Wenn ihr uns also neben Ideen und Feedback gern noch anderweitig unterstützen möchtet, dann könnt ihr das hier via Paypal, via hier via Ko-Fi oder durch ein Steady-Abo tun – oder ihr schaut in unseren Shop. Vielen Dank!

About the author

Comments

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert