Fredrichs neueste Sause

Aller Anfang ist schwer. Welch schwere Geburt beispielsweise die Gründung eines eigenen Magazins – und später auch eines Verlags – war, hat der KATAPULT-Chef Benjamin Fredrich in seinem 2021 erschienenen Roman Die Redaktion festgehalten. Seither ist KATAPULT atemberaubend schnell gewachsen, hat einen eigenen Verlag gegründet, neue Räumlichkeiten in einer eigenen Schule in Greifswald bezogen und nach Putins dortigem Einmarsch die Ukraine zu einem ihrer Hauptthemen erkoren – größtenteils mit Erfolg.

Nun also der nächste Schritt: ein Festival. Auf dem Gelände vor den noch in der Sanierung befindlichen Redaktionsräumen läuft von Donnerstag, 21. Juli, bis Sonntag, 24. Juli, ein Festival mit Lesungen, Musikdarbietungen, Camping und einem kleinen Verlagsdorf, das das KATAPULT-Team auf die Beine gestellt hat. Wir waren am ersten Tag vor Ort und konnten einen ersten Eindruck von dieser Initiative Fredrichs und seines Teams gewinnen.

Gute Anreise, mittelmäßige Registrierung

Es zeigt sich schnell, dass das weitläufige Areal südlich der Redaktionsräume ein gut gewählter Ort für ein solches Festival ist. Die Anreise mit Bahn (aus Berlin 9-Euro-Ticket-fähig) über den Bahnhof Greifswald-Süd oder die Buslinie 1 ist unkompliziert, wenn die Deutsche Bahn auch schön mitmacht. Auch wenn die Busfahrerinnen und Busfahrer nicht umfassend über das Festival gebrieft sind, von der Haltestelle Siemensallee ist das Gelände leicht zu erreichen – auch ohne umfangreiche Beschilderung, die Ortsunkundigen vermutlich helfen würde.

Am Einlass gibt es ein Registrierungssystem, das Ein- und Mehrtagestickets unterscheidet, aber noch nicht ganz ausgereift scheint. Presseakkreditierungen waren am Einlasscounter leider nicht vermerkt und auch bei Ausstellenden scheint das nicht immer ganz einfach gewesen zu sein. Als Vertreter der Presse waren wir jedenfalls nicht zu erkennen, was zu manch eigentlich unnötiger Rückfrage der Verantwortlichen vor Ort führte.

Lesen & Co.

Während unserer Anwesenheit gruppierte sich das meiste Publikum entweder auf dem weiträumigen Campinggelände sowie bei der Lesung von Hendrik Bolz aus seinem Buch Nullerjahre. Verlagseigene Autoren wie Fabian Sommavilla oder der Chef persönlich, aber auch externe wie Dmitrij Kapitelman oder Judith Schalansky lesen in den weiteren Tagen aus ihren Büchern.

Gespanntes Publikum während der Lesung mit Hendrik Bolz und KATAPULT-Gründer Benjamin Fredrich (2. von rechts) // © the little queer review/HMS

Jenseits der gut besuchten Lesungsbühne war am Nachmittag von Tag 1 allerdings noch nicht sehr viel los. Die zahlreichen Imbissstände warteten zu Beginn noch auf Kundschaft, die Kinderbetreuung wurde bereits ein wenig frequentiert und der Soundcheck für die große Musikbühne war noch in vollem Gange, obwohl das Festival bereits zum Mittag eröffnet wurde.

Glänzen durch Abwesenheit

Auch das Verlagsdorf war noch ein wenig verwaist. Vier der angekündigten Verlage hatten offenbar beschlossen, erst am Freitag anzureisen, was uns deren Motivation doch ein wenig in Frage stellen lässt. Wenn ein Festival oder eine Messe vier Tage dauert, dann sollte doch eine dauerhafte Besetzung des vermutlich seitens KATAPULT nicht unentgeltlich bereitgestellten Ständen sichergestellt sein. Wir waren jedenfalls sehr erfreut, mit den anwesenden Personen von mareverlag, Voland & Quist sowie CulturBooks sprechen zu können. Gerne wären wir auch mit den nicht anwesenden Verlagen ins Gespräch gekommen, nicht zuletzt deshalb hatten wir uns nach Greifswald aufgemacht. Leider jedoch erfolglos und für alle, die für ihr Tagesticket 20 Euro hinblättern, ist diese Abwesenheit mehr als ärgerlich.

Dass der Donnerstag eher zum „eingrooven“ gedacht zu sein scheint, ist ein kleines Ärgernis, von dem wir erst einmal nichts ahnten, denn dieser Eindruck wird auf der Homepage des Festivals nicht vermittelt. Immerhin gibt es eine Festivalzeitung, die scheinbar bereits am frühen Nachmittag des zweiten Tages vergriffen ist, aber digital sind die Ausgaben weiterhin verfügbar. Dort gibt es entsprechende Informationen über Ablauf und Planungen zum Festival für alle Anwesenden.

Letzter Punkt: Es gab erstaunlich wenig Ordnerinnen und Ordner auf dem Gelände. Klar, es war am Donnerstag noch zu großen Teilen leer, aber jenseits des Einlasspersonals und des Redaktionsteams gab es niemanden, der offen für die Sicherheit auf dem Gelände gesorgt, auf Fluchtwege hingewiesen oder manch ein unredliches Verhalten von Festivalbesucherinnen und -besuchern geahndet hätte. Nicht dass dies während unseres Besuchs nötig gewesen wäre, aber solche Dinge zeichnen sich eben dadurch aus, dass sie tendenziell unangekündigt eintreten. Dass das zuständige Ordnungsamt die Veranstaltung so genehmigt hat, ist in der Tat ein wenig verwunderlich.

Aller Start ist schwer

Trotz aller Kritikpunkte wollen wir dennoch ein positives Fazit ziehen: Gerade da in der Coronazeit so viele Festivals, Veranstaltungen und Messen – allen voran die Frankfurter und die Leipziger Buchmesse – abgesagt werden mussten, ist die Initiative des KATAPULT-Teams sehr lobenswert. Für die Anhängerinnen und Anhänger der KATAPULT-Produkte – wir gehören ja selbst dazu – sowie manche Festivalgängerinnen und -gänger ist dies eine wunderbare Möglichkeit, endlich wieder zusammenzukommen und sich direkt vor Ort über das Kartenmagazin und den noch jungen Verlag zu informieren, ein wenig zu feiern und so Kultur, Party und Musik gut miteinander zu verbinden.

Ein Teil des Geländes // © the little queer review/HMS

Manche Startschwierigkeiten – wie gesagt, es ist das erste Festival dieser Art – seien dem Redaktionsteam nachgesehen, aber ein wenig Luft nach oben ist doch immer gut. Auch für die in der Tat sehr schöne Hansestadt Greifswald – ein paar Stunden in der malerischen Altstadt lohnen sich wirklich – ist KATAPULT und nun das Festival eine gute Gelegenheit, bekannter zu werden, das ansonsten strukturell eher schwache Mecklenburg-Vorpommern ein wenig wirtschaftlich voranzubringen und vielleicht eine neue Tradition zu begründen. Wie gesagt, am Donnerstag war noch reichlich Platz für Gäste, am Wochenende dürfte es etwas voller sein, aber ein Besuch lohnt sich.

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