In weniger als zwei Wochen wird bekanntgegeben, wer es in diesem Jahr auf die Longlist für den Deutschen Buchpreis 2021 geschafft hat. Wir haben kürzlich bereits berichtet, dass wir in diesem Jahr ausgewählt wurden, am dazugehörigen #buchpreisbloggen teilzunehmen und sind nicht nur deshalb besonders gespannt, für wen es in diesem Jahr für eine Nominierung gereicht hat.
Wir freuen uns auch sehr darauf, eines der Bücher etwas genauer unter die Lupe nehmen zu können – mal gucken, welches es denn nun tatsächlich wird. Auch wenn Spekulieren erst einmal nicht viel bringt, ein bisschen Spaß macht es trotzdem. Deshalb wollen wir uns mal ein wenig in Kaffeesatzleserei üben, denn natürlich haben wir doch ein paar Ideen und Favoriten und auch so ein paar Titel, denen wir es einfach wünschen würden.
Sommer und Winter
Ganz vorne dabei ist bei uns der im Paul Zsolnay Verlag erschienene Roman Junischnee der österreichischen Autorin Ljuba Arnautovic. Sie beschreibt die Geschichte ihrer Familie, zwischen Wien, Moskau, Sibirien und dem südlicheren Russland. Ohne in die unmittelbaren Details der Gräueltaten des Zweiten Weltkriegs und dessen Nachwehen einzugehen, schildert sie diese anhand ihrer persönlichen Familiengeschichte sehr gut und überzeugend und das hat auf uns sehr viel Eindruck gemacht.
Eine Geschichte, die in eine ähnliche Richtung gehen dürfte, ist Janina Hechts bei C.H. Beck erschienenes In diesen Sommern – leider von uns noch nicht besprochen. Auch hier geht es aber um eine Familie, um Teresa, ihren Vater und um den Umgang mit der scheinbar schwierigen Vergangenheit.
Die Familie – ein gerne genutztes Umfeld
Familiengeschichten scheinen übrigens nicht nur im Tatort besondere Aufmerksamkeit zu erfahren, denn von diesem Genre gab es in den Programmen der Verlage auffallend viele. Lukas Rietzschel hat bei dtv erst im Juli sein Buch Raumfahrer veröffentlicht, das ebenfalls die Geschichte einer Familie behandelt. Dies verbindet er mit der Kunst der Baselitz-Brüder und zeichnet so gesellschaftliche und politische Veränderungen nach. Leider haben wir hierzu auch noch nicht die Zeit gefunden, aber für uns klingt schon der Klappentext (mindestens) longlistverdächtig.
Und ein letztes Buch aus dieser Kategorie: Auch Alem Grabovac hat mit seinem bei hanserblau erschienenen Buch Das achte Kind eine Familiengeschichte verfasst. Der Vater tot, in Serbien begraben, der Stiefvater ein prügelnder Säufer und der Pflegevater ein dem Nationalsozialismus noch immer anhängender und dennoch für den Ziehsohn treusorgender Mann. Das ist seine Kindheit, die Grabovac sehr eindrücklich schildert, die bewegt und die zum Nachdenken anregt.
Einige weitere Bücher sind uns in den vergangenen Wochen und Monaten aufgefallen, schon allein, weil sie in einschlägigen Feuilletons, Bücherblogs oder auf Bookstagram immer wieder auftauchten. Doris Knechts Die Nachricht aus dem Verlag Hanser Berlin gehört dazu oder Stefan Hornbachs Den Hund überleben aus dem Hanser Verlag. Beides sind durchaus Kandidaten, die man beachten sollte, aber gleichzeitig ist festzuhalten, dass nur, weil ein Buch über längere Zeit in den Hitlisten trendet, von allen einschlägigen Rezensentinnen und Rezensenten gefeiert wird und man auf Onlineplattformen fast nur noch dieses Buch sieht, es dadurch nicht automatisch gut und buchpreiswürdig wird. Wir haben keines der beiden Bücher gelesen und können daher nur wenig über den Inhalt sagen, aber deren Sichtbarkeit war in den vergangenen Wochen erstaunlich hoch.
Nische vs. „Establishment“
Und, was sich beim Buchpreis in den letzten Jahren auch immer wieder beobachten ließ: Auch wenn es glücklicherweise immer wieder Bücher von Nischenverlagen und eher unbekannten Autorinnen oder Autoren gibt, bekannte Schreiberlinge sind auch immer wieder dabei. Das ist durchaus gut und sinnvoll, denn wenn eine hohe Bekanntheit oder Auflage verhindert, dass eine gute Leistung auch ausgezeichnet wird, kann das für die Qualität der deutschsprachigen Literatur nur schlecht sein.
Drei Titel fallen uns hier von bereits relativ erfolgreichen und bekannten Autorinnen und einem Autor ein, die uns in den letzten Wochen und Monaten immer wieder begegneten und die in der öffentlichen Debatte präsent waren. Das sind Judith Hermanns Buch Daheim (S. Fischer), Benedict Wells mit Hard Land (Diogenes) sowie Juli Zeh und ihr Roman Über Menschen (Luchterhand), auch wenn vor allem letzterer durchaus auf geteiltes Echo stieß. Wir haben bislang nur Juli Zehs Buch in die Hand genommen (und tatsächlich zwischenzeitlich aus Zeitmangel und Ermüdungserscheinungen der Geschichte zur Seite gelegt) und können also manch kritische Stimme nachvollziehen, finden das Buch aber bislang auch nicht per se schlecht. Achso – Hans Pleschinskis Am Götterbaum (ebenfalls C.H. Beck, unsere Besprechung folgt in den kommenden Tagen) könnte auch ein verdienter Kandidat sein. Sein Buch über eine über Paul Heyse debattierende Spaziergesellschaft vereint auf jeden Fall all die Stärken des renommierten Autoren und Übersetzers (Hör auf zu lügen). Schade ist, dass Klassiker wie Erich Kästners jüngst neu verfilmtes Werk Fabian oder Der Gang vor die Hunde nicht nominiert werden können, beispielsweise einer Kategorie „Ewige Klassiker“ oder so.
Alles in allem sind wir somit sehr gespannt, welche Bücher sich am 24. August auf der Longlist befinden und welches wir im Rahmen des #buchpreisbloggens eingehend besprechen dürfen. Wir freuen uns sehr, bei diesem Projekt dabei zu sein und uns neben unseren anderen Schwerpunkten – queere Perspektiven auf Gesellschaft, Politik, Kunst und Literatur – sowie aktuell unserem Fokus auf das #Superdupermegawahljahr2021 auch hier unseren Horizont zu erweitern. Denn darum soll es doch beim Lesen neben der allgemeinen Freude daran gehen. Oder, wie es Jürgen Kaube, der Gewinner des Deutschen Sachbuchpreises bei seiner Dankesrede so charmant sagte: „Lesen Sie auch die anderen Bücher!“
Eure queer-reviewer
PS: Hier gibt es mehr zum #buchpreisbloggen und den anderen teilnehmenden Bloggerinnen und Bloggern.
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