Katar-Komik ohne Witz

In ziemlich genau drei Wochen startet die Fußballweltmeisterschaft in Katar, die, wie für auch nur rudimentär interessierte Nachrichtenleser*innen und -hörer*innen bekannt sein dürfte, weithin äußerst kritisch gesehen wird, um es mal zurückhaltend zu formulieren. Tote beim Bau von Stadien, wie überhaupt der Umgang mit Wanderarbeiter*innen (auf die Katar mit seinen 300.000 Einwohner*innen – das ist Karlsruhe – unbedingt angewiesen ist) sowie auch Frauen und Homosexuellen: Möglichkeiten das Emirat zu kritisieren sind zahlreich vorhanden.

Fehler oder Hoeneß?

Sie werden mit Blick auf Menschenrechte auch breit genutzt. Allein der Gedanke, dass hier vieles eher Makulatur als ernstgemeinte Kritik mit der Möglichkeit zum Ziehen realer Konsequenzen ist, mag mir nicht aus dem Kopf gehen. Exemplarisch hierfür steht der Besuch unserer Innen– und Sportministerin Nancy Faeser (SPD), wenn ihr auch zugutegehalten werden darf, dass sie die Vergabe als einen grundsätzlichen Fehler bezeichnete.

Andererseits – hätte sie alternativ den Uli Hoeneß machen sollen? Wenn Nancy Faeser nach dem Treffen mit ihrem Amtskollegen des autoritären katarischen Regimes im ZDF davon spricht, dass „er gesagt [hat], dass er alles dafür tun wird, dass die Sicherheit der Menschen garantiert wird und auch zwar mit dieser Formulierung: egal an wen man glaubt, egal wen man liebt, egal wo man herkommt“, mag das zunächst einmal okay-ish klingen…

Das Beste versuchen, das Wenigste tun

…nun ist es aber so, dass, wenn ich zu meinen Schul- und Studienzeiten sagte, ich würde alles dafür tun, meine Hausarbeit pünktlich abzugeben, ich zumeist kurz nach Fristende um Verlängerung bat oder wenn ich heute sage, ich tue alles Mögliche, um pünktlich zu sein, ich dennoch das akademische Viertel nutze; im Zweifel sind eh die Anderen schuld. Soll heißen: Zu versuchen, alles tun zu wollen, lässt viel Interpretations- sowie Ausweichspielraum. 

Alfonso Pantisano vom Lesben- und Schwulenverband (LSVD) geht in einem Pressestatement von gestern Abend gar so weit, Faeser zu unterstellen, dass sie „das Versprechen der Bundesregierung, sich für die Menschenrechte im In- und Ausland einzusetzen“ untergrabe. Angesichts dessen, dass Homosexualität in Katar hochgradig strafbar ist und die Autokratie keine Anstalten zu machen scheint, sich hier auch nur einen Mü zu bewegen, scheint dieser Beurteilung kaum widersprochen werden zu können.

Keine Märchen, kein Witz

Ebenso sieht der LSVD die Empfehlung, dass queere Menschen die Fußball-WM nun also quasi recht bedenkenlos besuchen könnten „äußerst kritisch“. Und weiter: „Innenministerin Faeser verharmlost und ignoriert dadurch die wiederholten Menschenrechtsverletzungen und die andauernde Kriminalisierung und Verfolgung von LSBTI* in Katar.“ Denn, auch hierauf weist Alfonso Pantisano hin und es dürfte bei der Berichterstattung über den Besuch Faesers deutlich geworden sein: Wie die Sicherheit nicht-heteronormativ lebender Besucher*innen gewährleistet werden soll, das blieb und bleibt unklar. Auch wenn nun ein „schriftliches Bekenntnis“ des Emirats hierzu vorliege, wem nützt das denn? Können denn potentiell in Katar wegen ihrer Sexualität geschädigte Personen dann das Emirat verklagen? Auch das scheint eher eine Nebelkerze zu sein.

Ein letzter Gedanke des Pressestatements dem ich mich anschließen möchte, ist, dass wir aufhören sollten „das Märchen zu erzählen, dass Sportereignisse in totalitären Regimen zu mehr Demokratie führen!“ Spätestens seit den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014 dürfte hier die Wahrheit die Legende überholt haben, eigentlich bereits seit den Sommerspielen von Peking 2008 (und den Winterspielen 2022, die bereits alle vergessen zu haben scheinen). Der Präsident des Deutschen Fußballbundes (DFB), Bernd Neuendorf, sagte als Teil der Delegation um Nancy Faeser, dass wir „[e]ine WM-Vergabe ohne Rücksicht auf Menschenrechte und Nachhaltigkeit nicht mehr erleben“ werden. 

Mensch kommt nicht umhin, dies alles als eine Komödie, als Farce zu betrachten, doch bleibt uns das Lachen im Halse stecken. Es scheint das immer gleiche Konzept: Vergabe, Kritik, Beschwichtigungen, Besserungsversprechungen, Ende des Spiels, Vergessen der Zusagen. Bis zum Beweis des Gegenteils, können wir dies alles nur als einen der besten und frustrierendsten Antiwitze der Geschichte betrachten.

AS

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