Unsere Erde ist kein Kinderkram

Heute sollte im ägyptischen Badeort Scharm asch-Schaich (beliebter Ort bei Touristen, wunderbar für CO2-intensive Fernreisen) die UN-Klimakonferenz, international COP 27, die am 6. November begann (von dort kann mensch also direkt nach Katar weiterjetten, wo am 20. November die Fußballweltmeisterschaft startet, auf der alle total willkommen sind) zu Ende gehen – geht nun aber in die Verlängerung, um nicht noch hinter frühere Ergebnisse zurückzufallen. Zuletzt gab es hierzulande viele Nachrichten über das Klima. Oder über Klimaaktivist*innen, die, zugegeben, mit einzelnen Aktionen den Bogen überspannen, wie wir am Beispiel einer Frau, die nach einem Fahrradunfall nun hirntot ist, sehen konnten (auch wenn sich hier ein Zusammenhang als nicht belegbar erwies). 

Arsch auf Permafrost

Bei diesen Debatten über Sinn und Unsinn der Aktionen solcher Gruppen – seien es nun Sitzblockaden, sich festkleben oder die Scheiben (!) vor Kunstwerken zu beschmutzen – geht letztlich aber das Problem unter: Wir sind ein solides Stück weit am Arsch. Die Einrichtung neuer Meeresschutzgebiete im Südpolarmeer wurde auf der diesjährigen Arktiskonferenz mal wieder vom Tisch gewischt – zu verdanken haben wir das den Autokratien Russland und China. Das 1,5-Grad-Ziel ist im Grunde kaum mehr zu erreichen – „[d]ie 1,5 Grad sind auf der Intensivstation und die Maschinen wackeln“, wie UN-Generalsekretär António Guterres sagte -, eher scheinen die dystopischen, von uns noch zu besprechenden 3 Grad Mehr (erschienen bei oekom) immer wahrscheinlicher. 

// © Philip Bunting/Penguin Junior

Und der von der Bundesregierung eingesetzte Expertenart für Klimafragen stellte in seinem ersten Bericht am Freitag ein mindestens ernüchterndes Zeugnis aus: „Mit einem ‚Weiter so’ werden wir die Klimaziele [2030, Anm. d. Red.] definitiv nicht erreichen“, sagte die stellvertretende Vorsitzende Brigitte Knopf in der Bundespressekonferenz. Da ändert es auch nichts, dass Steffen Kotré (AfD) als Mitglied im Bundestags-Ausschuss für Klimaschutz und Energie im Deutschlandfunk meint „Erwärmung gab’s schon immer“ und „ich stelle jetzt fest, dass man propgandistisch immer weiter geht und jetzt von ‚Erhitzung‘ spricht.“

Leichter Zugang zum komplexen Thema

Debatten also, die vom eigentlichen Problem ablenken, erhitzen die Gemüter mehr, als die – ACHTUNG LINKSGRÜNVERSIFFTES FRAMING – Erderhitzung selbst. Immerhin erhielten am Donnerstagabend Susanne Goetze und Annika Joeres für ihr ausgezeichnetes Buch Klima außer Kontrolle den NDR-Sachbuchpreis und in der Jury des Deutschen Sachbuchpreises 2023 finden wir mit Markus Rex einen versierten Polar- und Klimaforscher (und Bestsellerautoren). Das Problem allein ist, dass das Problem allein nicht so recht im Bewusstsein der Menschen ankommen zu wollen scheint.

Abhilfe schaffen könnte an dieser Stelle das neue Buch von Philip Bunting Unsere Erde braucht dich! Was du tun kannst, um Müll zu vermeiden. Handelt es sich hierbei zwar um ein Kindersachbuch beziehungsweise Sachbilderbuch (empfohlen ab 5 Jahren, erschienen bei Penguin Junior), gibt es auch reichlich Tipps, Tricks und Tu’s-Nichts für Erwachsene. Wie schon in Die große Welt der Winzlinge – Alles über Bakterien, Viren und Pilze schafft Bunting es, teilweise komplexe Zusammenhänge und Vorgänge nachvollziehbar zu beschreiben und ermöglicht somit einen leichten Zugang zu schweren Themen – egal welchen Alters die (Vor)Lesenden sind.

Ansehnlich und klug

Der Stil der Illustrationen ist dabei erkennbar der gleiche verspielte aber nicht naive wie im Vorgängerwerk und auch hier fällt zuerst die wohldurchdachte Gliederung des hochwertig aufgemachten Buches auf. Wir beginnen mit einer durchaus süffisanten Einleitung: Wir sehen ein Bananen essendes Affenweibchen, das deine „Ururururur*-Oma (* mindestens so viele ‚ur‘, wie du in einer Minute schaffst)“ anhand derer dann der Kreislauf des Lebens BC beschrieben wird. Es folgte eine Erläuterung dazu, wieso es nun heute so viel Müll gibt – Stichwort: (billiger) Konsumwahn – und was das mit einem Nilpferd, das jedoch gern herausgehalten werden möchte, zu tun hat. 

// © Philip Bunting/Penguin Junior

Wieso Müll schädlich ist und welcher Müll allein im Haushalt anfällt, wird nicht nur durch anschauliche Illustrationen, sondern auch durch die kompakten und informationsstarken, von Ulrike Hauswaldt griffig übersetzten, Texte an Klein und Groß herangeführt. Wie Bunting diverse „Müllreisen“ – Müllhalde, Recycling, Umwelt, Neuverwendung – abbildet und greifbar macht, gehört im Grunde in jede Vorschulgruppe oder Kita oder keine Ahnung, der Rezensent kennt sich damit nicht aus. Jedenfalls dorthin, wo die Kinder sind.

Dass bei Philip Bunting beinahe alles Augen hat, ist übrigens mehr als hilfreich. Menschen natürlich, dass die Erdkugel mit Augen illustriert wird, ist auch nicht neu, Bäume so semi; aber Schiffe, Müllbeutel und -tonnen, Steine, Kompostbehälter – such es dir aus und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit guckt es dich an. 

Nicht alles Zerreißbare ist Altpapier!

Nach der Einführung, die uns nochmals auf erdrückende Weise vor Augen (haha, Augen) führt, wie lange es eigentlich braucht, bis Müll abgebaut ist (und dabei das Lachen der Betrachtenden nicht vergisst, etwa durch ein Katzenköpfchen aus einer Kiste oder smelly underwear), kommen wir zum in den in fünf Abschnitte unterteilten Hauptbereich. Dabei geht es um Müllvermeidung inklusive Tipps zum Energiesparen, Wiederverwendung, bei der wir lernen, wie wir ein Gemüsebeet im Eierkarton anlegen (wir werden das im Frühjahr probieren!). 

// © Philip Bunting/Penguin Junior

Recycling ist der dritte Punkt und hier wird gaaaaaanz eindeutig definiert, was so recycelt werden kann und was nicht. Etwa, dass schmutziges Papier, seien es vollgerotzte Papiertaschentücher oder auch „[f]ettiges, schmutziges Backpapier“ eben nicht ins Altpapier gehören. Das anzumerken halte ich für besonders wichtig, denn mein durchaus in großen Teilen zumindest im gewissen Maße umweltbewusster Bekanntenkreis muss(te) zu soliden 80 % Prozent nicht nur einmalig darauf aufmerksam gemacht werden. Vielleicht kopiere ich die Seite mehrfach und versende sie statt einer Weihnachtskarte?! In der Zeit fällt ohnehin zu viel Müll an, nicht wahr, Frau Schickling?

Bei „Aus Alt mach Neu!“ geht es schließlich ums Kompostieren, denn „eigentlich ist Biomüll der allerbeste Müll“ (ich will euch gar nicht sagen, was hier teilweise in der Biotonne des Mehrfamilienhauses auftaucht…). Hier wird nicht nur erläutert, WARUM Kompostieren eine feine Angelegenheit sein kann, sondern auch Schritt für Schritt WIE es eigentlich geht, ebenso was so auf den Kompost gehört und was eben nicht (Glasaugen nicht). Nun ist die Frage, ob es hierfür einen Hof braucht oder nicht. Wir wissen darum, dass es durchaus Kompostbehälter für die Wohnung respektive den Balkon gibt, ob das allerdings eine optimale Lösung ist… hmm…

Ein Buch für jeden Haushalt

Schlussendlich heißt es sich einzumischen (jaja, schon die ganz jungen sollen hier für Fridays For Future und die Linksgrünversifftejungendorganisationdeinerwahl angeworben werden). Reden, helfen, aktiv werden, … Auch das darf natürlich für uns alle gelten, ebenso wie wir wohl auch angesprochen sind, wenn Philip Bunting den Appell ans uns richtet, dass dieser Planet unser einziges Zuhause sei und wir alle gut für ihn sorgen sollten. 

// © Philip Bunting/Penguin Junior

„Wenn wir unser Verhalten ändern und das Richtige tun, können wir gemeinsam etwas Positives bewirken und der Erde helfen.“ So ist dem und mit diesem Gedanken sei Unsere Erde braucht dich! wärmstens empfohlen. Es ist ein anschauliches und schön anzuschauendes, informatives und aufklärendes Buch zu einem ernsten Thema, dabei doch voller Heiterkeit. Wie schon die Winzlinge sollte das Buch in keinem Haushalt fehlen.

AS

PS: Dass der CDU-Generalsekretär Mario Czaja (der Arme, muss mensch wohl anfügen, dürfte der Misthaufen wohl nicht auf seinem Hof, sondern eher dem eines Mannes der gehobenen Mittelschicht, gewachsen sein), nun die Grünen in Mithaftung nimmt für den Tod der Frau aus Berlin ist billig, perfide, pietätlos und wäre eigentlich eher von der AfD zu erwarten gewesen. Schade. 

PPS: Was den Indoor- oder auch Balkon-Outdoor-Komposter angeht – wir ließen es auf einen gesponserten Versuch ankommen. Nur mal so erwähnt.

Unsere Erde braucht dich! Was du tun kannst um Müll zu vermeiden von Philip Bunting

Eine Leseprobe findet ihr hier

Philip Bunting: Unsere Erde braucht dich! Was du tun kannst, um Müll zu vermeiden; 1. Auflage, Februar 2022; Aus dem Englischen von: Ulrike Hauswaldt; 32 Seiten, durchgehend farbig illustriert; Hardcover, gebunden; 21,0 x 27,0 cm; ISBN: 978-3-328-30048-0; Penguin Junior; 14,00 € 

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