„Vielleicht müsstest du fröhlicher sein“

Guter Rat ist knapp, teuer und kommt zuweilen selten von denen, die es doch gut mit uns meinen (sollten). Das mag auch mit Unsicherheit und Sorge, Unbeholfenheit und Hilflosigkeit zu tun haben. Vermutlich kennen wir das selber auch: Das Nichtwissen, wie bei Traurigkeit, Angstgefühlen oder gar Depressionen helfen können und doch das Gefühl irgendetwas sagen zu müssen. Dabei kommt dann schlimmstenfalls der diesem Artikel überschriebene Satz raus (noch schlimmer wäre wohl nur der Vorschlag Lois Griffins an ihre depressive Tochter Meg: „Hier sind Pillen und ein Buch von Kafka.“)

„Ach, ich finde dich aber ganz bequem“

Den oben zitierten Satz finden wir im soeben im cbj-Verlag erschienen Bilderbuch Mein Elefant ist traurig, geschrieben von der mehrfach ausgezeichneten neuseeländischen Autorin Melinda Szymanik und illustriert von der in Auckland lebenden Schriftstellerin, Designerin und Illustratorin Vasanti Unka, in dem ein namenloses Kind eines Morgens aufwacht und einen blauen Elefanten auf der Brust sitzen hat. Und dieser Elefant, der sich als Blau vorstellt, hat auch nicht vor, von dort so schnell aufzustehen: „Ich sitze hier gut“, sagt er. 

Blau ist sehr vereinnahmend // © Melinda Szymanik/Vasanti Unka/cbj Kinder- und Jugendbuchverlag

So trägt das Kind den traurigen Elefanten also mit sich herum – sehr zur Sorge der Eltern, die eben vorschlagen, es solle doch mal fröhlicher sein oder „Blau mal freundlich anlächeln.“ Den appetithemmenden Elefanten wegzuschubsen klappt auch nicht. Bruder und Schwester versuchen auf ihre Art zu helfen; Mama besorgt sich irgendwann alle Bücher über Elefanten, „die sie finden konnte“ und „Papa rief einen Experten für Elefanten an, den ihm jemand empfohlen hatte.“ (Etwas, das manche Eltern übrigens auch tun, wenn Kinder sich als nicht-heterosexuell oder trans* outen; bei meinen weiß ich bis heute nicht, ob sie in Büchern und bei Expert*innen nicht nach dem Wörtchen „Phase“ gesucht haben.)

„Weinte er etwa?“

Also alle mit vereinten Kräften gegen Blau, die elefantifizierte Malaise? Das Buch, welches ab vier Jahren empfohlen ist, was nachvollziehbar erscheint, behandelt liebevoll und mit aller gebotenen Achtsamkeit das Thema Traurigkeit und (mögliche) Depression. Dabei bleiben bei aller Ernsthaftigkeit der Angelegenheit weder die Unterhaltung noch der Aww-Faktor auf der Strecke. 

Blaues Picknick // © Melinda Szymanik/Vasanti Unka/cbj Kinder- und Jugendbuchverlag

Besonders zu begrüßen ist, dass das Kind nach anfänglichem Schock über die wohl erstmals bewusst mit dieser Kraft empfundene Niedergeschlagenheit annimmt, schließlich mit Blau spazieren geht und so für sich selbst auch einen Umgang hiermit findet. Ebenso lernen die Eltern zu verstehen und akzeptieren, dass Blau eben nicht einfach weggelächelt oder wegignoriert werden kann. Dabei sind die Texte, wunderbar übersetzt von Bettina Obrecht, sowohl für jüngere Kinder zum Vorlesen als auch für bereits selbst Lesende verständlich, zugewandt und, nun ja, herzig.

„Ich werde rosa, wenn ich fröhlich bin“

Das ist ja überhaupt nicht selten erstaunlich: Nicht wenige Erwachsene mögen es, vermutlich auch in Ermangelung der Erinnerung an eigenes Empfinden, durchaus für möglich halten, dass Traurigkeit und Depression sich eigentlich erst nach einem schon teilgelebten Leben ergeben dürf(t)en. Schließlich können Kinder ja auch nicht alkoholabhängig werden oder wählen gehen, was?! Depressive Phasen in der frühen Jugend und Pubertät gehören außerdem sowieso einfach dazu, was versteht mensch mit fünfzehn oder früher schon von echtem Verdruss?! (Dann fragt mal Big Mouths Depression Kitty…)

Der rosa Elefant im Garten // © Melinda Szymanik/Vasanti Unka/cbj Kinder- und Jugendbuchverlag

Bestenfalls landet Mein Elefant ist traurig nicht nur bei jenen, die schon längst ein Bewusstsein für die Echtheit negativer Gefühle ihrer Kinder entwickelt haben, sondern auch bei denen, die – etwas überspitzt formuliert – meinen, um die seelische Gesundheit der Kinder müsse mensch sich erst kümmern, wenn das erste Kondom geplatzt oder die halbleere Bierflasche knapp neben jemandem an der Wand gelandet ist. 

Auch dürfte es Kindern helfen diese Gefühle erkennen und zuordnen zu können und zu verstehen, dass dies unangenehm und unschön, aber eben auch notwendig und (üblicherweise) endlich ist. Außerdem ist Blau kein Monster, nur ein behäbiges Elefantentier… aber eben doch kein unbewegliches und gar eines, das Farbwechsel so sehr schätzt, wie der Rezensent dieses elefantöse Büchlein, das er sich durchaus im heimischen Kinderzimmer gewünscht hätte.

AS

Eine Leseprobe findet ihr hier

Melinda Szymanik (Texte), Vasanti Unka (Illustrationen): Mein Elefant ist traurig – Ein bestärkendes Buch für weniger gute Tage; 1. Auflage, September 2022; Übersetzt von Bettina Obrecht; 32 Seiten, durchgehend farbig illustriert; Format: 23,0 x 27,0 cm; Hardcover; ISBN: 978-3-570-18012-9; cbj Kinder- und Jugendbuchverlag; 14,00 €

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