Einmal bitte recht freundlich

Als ich in meinem Studium – passenderweise in der Vorlesung von Frau Prof. Fröhlich – erstmals vom Konzept der „Freundlichkeitsfalle“ hörte, war ich nicht der Einzige, dem es mindestens ein Lächeln entlockte. Freundliche Menschen – oft sind das Frauen – werden oft nicht so ernst genommen, wie solche, die ihre Launen offen kommunizieren. Das gilt dann als wenig durchsetzungsstark und die Top-Jobs bleiben solchen Menschen dann verwehrt. (Ich hoffe, dass ich das Konzept korrekt wiedergegeben habe, immerhin ist das schon mehr als zehn Jahre her…)

Freundlichkeit ist also eine Tugend, kann aber auch zum Problem und in den falschen Händen sogar zur mächtigen Waffe werden. So auch im 40. und neuesten Asterix-Band Die Weiße Iris, der Ende Oktober 2023 in der Übersetzung von Klaus Jöken im Egmont Ehapa Verlag erschienen ist. Der Ursprungstext stammt von Fabcaro, die Zeichnungen von Didier Conrad (der Band markiert ihre erste gemeinsame Zusammenarbeit) und die teilweise etwas eigenwillige Kolorierung wurde von Thierry Mébarki vorgenommen.

Wie du mir…

Die Ausgangslage ist wie so häufig in den Asterix-Comics: Ein kleines gallisches Dorf trotzt den Römern und Cäsar will jetzt aber endlich auch dieses Dorf mit Bekloppten seinem Reich einverleiben. Viele, viele Versuche sind bereits gescheitert, aber bisher gab es auch keinen Vordenker wie den guten Visusversus, der heute etwa in die Kategorie Lifecoach mit tollen Lebensweisheiten fallen könnte.

// ASTERIX®- OBELIX®- IDEFIX® / © 2023 HACHETTE LIVRE / GOSCINNY-UDERZO

Visusversus nämlich setzt auf gewaltfreie Kommunikation, auf sanfte Manipulation und vor allem auf Freundlichkeit. Auf Cäsars Geheiß macht er sich alsdann auf den Weg an die Atlantikküste, um die Bewohnerinnen und Bewohner des Dorfes mit Freundlichkeit zu überrumpeln. Und auch wenn er bei Asterix, Obelix, Majestix und Miraculix dabei Skepsis erntet, beispielsweise bei den ewigen Streithähnen Automatix und Verleihnix stößt er durchaus auf Gehör.

Es entspinnt sich sodann eine Situation der lähmenden Lethargie, die für das Dorf durchaus gefährlich werden kann. Noch gefährlicher aber ist, dass Gutemine und Majestix in einer Art Ehekrise stecken und auch bei ihr Visusversus‘ Becircungsversuche auf fruchtbaren Boden fallen.

Neue Zeiten in gallischen Dörfern

Ja, auch in gallischen Dörfern scheinen neue Zeiten aufzuziehen. Nichts ist mehr mit Wildschwein, Prügelei und stinkendem Fisch. Visusversus schafft es, die verkrusteten Strukturen im Dorf aufzubrechen und den Bewohnerinnen und Bewohnern in ihrem alltäglichen Trott etwas zu zeigen, was sie so nicht kennen.

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Vieles davon dürfte uns bekannt sein: Trends zu Schönheit und gesunder Ernährung, euphemistische Umetikettierung von „Standardware“, gut gemeinte Ratschläge von Influencer*innen oder die immer kleiner werdenden Portionen im Restaurant – vor allem, wenn es sich um Superfood oder Fusion Kitchen handelt… Viele Dinge zaubern bei uns Leserinnen und Lesern ein Schmunzeln aufs Gesicht, denn Fabcaro und Conrad gehen hier durchaus mit der Zeit, was sehr charmant ist und eine gewisse Charakterentwicklung zulässt.

Alles bleibt besser

Das eigentlich Schöne ist aber vor allem die Kontiunität in den Comics. Natürlich sind Asterix und Obelix die charmanten Helden der Story, wie könnte es anders sein. Idefix und Majestix begleiten die beiden nach Lutetiakünstlerisches Zetrum und Sündenpfuhl gleichermaßen –, um die in Gefahr schwebende Gutemine zurückzuholen und selbst die Dorfbewohnerinnen und -bewohner müssen erkennen, dass sich manche Gewohnheiten eben doch nicht so schnell ablegen lassen.

Bei manchen ist das vielleicht auch ganz gut so, denn trotz Ernährungstrends (und -notwendigkeiten – Stichworte Klimawandel und Gesundheit) ist althergebrachte Küche manchmal eben doch nett und zumindest im Jahr 50 v. Chr. konnten einige Probleme eben doch mit einer guten Prügelei gelöst werden. Erst daran erkennen wir eben den gesellschaftlichen Fortschritt. #isso

…so ich dir

Fabcaro und Dider Conrad gehen also in dem 40. Band der beliebten Asterix-Reihe einerseits neue Wege und schaffen es, auf den traditionellen 48 Seiten neue Impulse für ihre Figuren zu setzen. Gleichzeitig gehen sie in Die Weiße Iris auf so manche Trägheit ein: Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner sind, wer sie sind und daran kann auch ein Visusversus mit seiner Art der Freundlichkeitsfalle wenig ändern.

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Und auch die Leserinnen und Leser dürften eine gewisse Trägheit an den Tag legen – gerade jetzt um die Weihnachtszeit. Sie kennen und mögen ihre Figuen und obwohl Asterix, Obelix und Co. hier mit einem hohen Maß an Freundlichkeit konfrontiert sind, bleiben sie doch, wie wir sie kennen und mögen: skeptisch, mürrisch, misstrauisch und dennoch liebenswürdig. Für alle, die noch ein kleines, ergänzendes Geschenk zu Weihnachten suchen, das Vertrautheit vermitteln soll dürfte der neueste Asterix-Band also eine gute Wahl sein.

HMS

Die Weiße Iris – erschienen am 26. Oktober 2023 // ASTERIX®- OBELIX®- IDEFIX® / © 2023 HACHETTE LIVRE / GOSCINNY-UDERZO

Fabcaro, Didier Conrad: Asterix Nr. 40: Die Weiße Iris; Oktober 2023; Aus dem Französischen von Klaus Jöken; 48 Seiten, durchgehend farbig illustriert; Kartonierte Ausgabe; Format: 29,4 x 22,1 cm; Egmont Ehapa; 7,99 €

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