WrummWrummWrummmmmm*quietsch*wrrrrrmmmm — das ist dann auch schon das Ende meiner unerschöpflichen Notizen zum heutigen Tatort: Donuts. Dieser kommt nach bald einem Jahr und dem so komplexen wie düster-unterhaltsamen Liebeswut von Regisseurin Anne Zohra Berrached und Autorin Martina Mouchot endlich mal wieder aus Bremen. Nein! Halt! Stopp! Vollbremsung! Nur so halb aus Bremen, denn dieses Mal geht es in die Heimatstadt des echten Regisseurs und Drehbuchautors Sebastian Ko und der fiktiven, von Jasna Fritzi Bauer gespielten Hauptkommissarin Liv Moormann: Bremerhaven.
Brumm, brumm, brummmm
Hier wird am Autoterminal des Containerhafens Bremerhaven, einem der größten Automobilumschlaghäfen Europas, die Leiche des Bereichsleiters der Fahrer gefunden. Da der Containerhafen in die Zuständigkeit der Bremer Beamten fällt, tauchen also Liv Moormann und Profilerin Linda Selb (Luise Wolfram) dort auf. Linda telefoniert gerade noch mit Mads Andersen (Dar Salim) und wir erfahren, dass sie später mal eben zu Europol rübermuss. Empfangen werden die beiden Ermittlerinnen von Chef Kriminalhauptkommissar Lennard Krupp (Bozidar Kocevski) aus Bremerhaven, der gern die Ermittlungen führen würde.
Wird er erstmal nicht. Sehr zu seinem Missfallen. Dafür bekommt Liv ihren guten Freund Robert Petersen (Patrick Güldenberg, How to Dad) an die Seite gestellt. Auch gut. Schnell stoßen sie im Rahmen ihrer Ermittlungen auf die Autotuner Marie (Luisa Böse), Gheorghe (Adrian But) und Oleg (Jonas Halbfas), die in der Schrauber-Garage des Opfers lebten und der für die Brüder Gheorghe und Oleg vor einiger Zeit für einige Zeit die Vormundschaft übernahm. Irgendwas riecht da seltsam und das liegt nicht am Motoröl.
Tutt, tutt, tuuuutt
Als sich bei einer Begehung der Werkstatt-Wohn-Garage auch noch die Blicke Maries und Livs einen Moment zu lang treffen, bevor Erstgenannte wegläuft, wird auch uns Zuschauer*innen klar: Wir kehren in dieser vierten Tatort-Folge des noch recht frischen Bremer Teams (das ohnehin nur in Teilzeit zusammenzuarbeiten scheint) nicht nur an den Ort der Kindheit Moormanns zurück, sondern auch gleich in deren Biografie.
Es macht grundsätzlich den Eindruck, als würde in diesen Filmen die persönliche Entwicklung der gern mal kaltschnäuzigen Ermittlerin im Vordergrund stehen. Ging es doch auch im erwähnten Liebeswut um ein mögliches Trauma aus ihrer Kindheit. In Donuts, das bezieht sich leider nicht auf kinky-aussehende Süßspeisen, sondern die Form der Schlieren, die Mensch und Maschine beim Driften ziehen, geht es nun um Zurückgelassenes.
Crash, Boom, Bang
Um zu wissen, dass dies die Ermittlungen nicht unbedingt leichter machen und den ohnehin genervten Lennard präsenter werden lassen wird, muss mensch kein*e Profiler*in sein. Aber Liv hat ja noch den guten Robert, dessen Homosexualität nebenbei thematisiert und vom Vorgesetzten, den wir hier schon ohnehin nicht mehr mögen, nochmals vor der Gruppe zur verbalen Attacke genutzt wird. Darsteller Patrick Güldenberg, der durchaus mit eigenem Charme die Halbfolgen-Lücke, die Wolframs Abwesenheit hinterlässt, zu füllen weiß, war übrigens 2021 Teil von #ActOut.
Sebastian Ko, der sich freut, auch an Orten seines Lebens drehen zu können, wie dem Hafen, an dem er mit 18 Jahren als Aushilfe arbeitete, drehte mit Tatort: Donuts wohl einen der aufwendigsten; zumindest seiner Karriere (bisher primär Kölner Folgen, u. a. Kartenhaus mit Rick Okon als 50 Prozent eines Killerpaares und die selbst für Dortmund-Verhältnisse düstere Folge Heile Welt). Dass er und sein Co-Autor Mathias Schnelting es trotz einem „Drittel mehr Schnitte als ein durchschnittlicher Tatort“, schaffen die Geschichte so zu entwickeln, wie es sich wohl anfühlen muss, in Zeitlupe auf eine Mauer zuzurasen, ist durchaus fein.
Stille
Auf der anderen Seite haben wir eben sehr viel Zeitlupe. Denn die eigentliche Auflösung ist natürlich nicht so einfach wie vermutet — die drei Kids oder eines von ihnen hat gemordet, um ein Auto zu klauen —, darf aber erst sehr spät Teil des Ganzen werden (und Linda Selbs Ortsänderung soll sich als vorteilhaft erweisen). Somit bekommen wir neben viel durchaus eindrücklich inszeniertem Speed (Bildgestaltung: David Hofmann), über weite Strecken wenig Ermittlung und mehr Familiendrama. Eines allerdings, das sich aus eben genanntem Grund länger als nötig im Kreis dreht und dabei nicht so cool daherkommt, wie Donuts zu ziehen.
Da mag manch ein*e Zuschauer*in sich schon ausgeklinkt haben, bevor es dann nochmals emotional und auch spannungstechnisch zur Sache geht. Und wer nur wegen des schauspielenden TikTokers Bene Schulz, der wohl zu den „Elevator Boys“ gehört, die wohl eine der erfolgreichsten TikTok-Boybands sein sollen, gekommen ist, bleibt vermutlich ohnehin nicht wirklich dran oder schaut sich dessen Szene gleich in der ARD-Mediathek an. Das allerdings vermag ich nur bedingt zu beurteilen, da ich beide Namen zum ersten Mal hörte (was gar nichts zu heißen hat, aber eben so is’) und mir „Elevator Boys“ ohnehin in einer ganz anderen Mediathek vorstellen würde.
Unter dem Tatort: Donuts hatte ich mir, ohne vorab etwas dazu gelesen zu haben, erst einmal gar nichts vorstellen können (außer womöglich einer Geiselnahme in einem Süßkram-Imbiss wegen ungleich verteilter bunter Zuckerstreusel). Nun stelle ich mir vor, dass er als Weichenstellung für die kommenden Bremer Tatorte dienen könnte. Alleinstehend bleibt er optisch und inszenatorisch sowie darstellerisch recht stark, inhaltlich allerdings doch eher im schon beinahe unteren Mittelfeld.
AS
PS: Am kommenden Sonntag und Montag treffen wir auf Corinna Harfouch als Susanne Bonard, die als neue Ermittlerin an die Seite von Mark Waschkes Robert Karow kommt. Huihuihui!
Tatort: Donuts läuft am Sonntag, dem 02. April 2023 um 20:15 Uhr im Ersten, um 21:45 Uhr auf one und ist anschließend sechs Monate in der ARD-Mediathek verfügbar.
Tatort: Donuts; Deutschland 2023; Regie: Sebastian Ko; Drehbuch: Sebastian Ko, Mathias Schnelting; Bildgestaltung: David Hofmann; Musik: Olaf Didolff; Darsteller*innen: Jasna Fritzi Bauer, Luise Wolfram, Patrick Güldenberg, Luisa Böse, Adrian But, Jonas Halbfas, Bozidar Kocevski, Dar Salim, Angelika Richter, Gunnar Titzmann; Matthieu Svetchine, Oliver Törner, Bene Schulz; Laufzeit ca. 88 Minuten; Eine Produktion der Bremedia Produktion im Auftrag der ARD Degeto (Redaktion Birgit Titze) und Radio Bremen (Redaktion Lina Kokaly) für die ARD
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