Quick und Dirty

Familie ist alles. Glauben ist wichtig. Autos sind unsere Freunde. Wenn wir nur genug glauben, können wir mit Autos entgegen aller physikalischen Gegebenheiten unsere geliebte (Wahl-)Familie retten. Das ist im Grunde die Quintessenz der nunmehr seit soliden zwanzig Jahren funktionierenden PS-Action-Filmreihe (The) Fast & Furious. Nicht mehr wegzudenkender Teil dieser ist Vin Diesel als Dominic „Dom“ Toretto, der bis auf den zweiten Film an allen Teilen beteiligt war und seit geraumer Zeit auch als Produzent fungiert.

Keine einmalige Abschiedstour

Mit dem heute in unseren Kinos startenden Fast & Furious 10 (oder Fast X, wie er schöner im Original heißt) wird nun das Ende der Filmreihe eingeläutet. Streng genommen geschah dies aber irgendwie schon mit dem neunten Teil, in dem fix ein verschollener Bruder Doms, Jakob (John Cena), eingeführt und ein wenig dramatische Familiengeschichte erzählt wird. Ein 2025 startender elfter Teil soll die Reihe dann beschließen. (Wobei Diesel auf der Filmpremiere in Rom vor wenigen Tagen sagte, das Studio würde gern ein dreiteiliges Finale und somit einen zwölften Teil der Reihe sehen… Es ist wie mit Abschiedstournees diverser Musiker*innen: Eine reicht nicht.)

Jason Momoa ist Dante in FAST X… // © Universal Studios. All Rights Reserved.

So oder so: Im zehnten Teil ist alles noch größer als zuvor. Alles noch wahnsinniger. Alles noch persönlicher. Das ist auch dem Hauptantagonisten in der Figur von Jason Momoa als Dante Reyes, dem Sohn des aus Fast Five bekannten Druglords Hernan Reyes, zu verdanken. Momoa spielt seine soziopathische Figur, die gekommen ist, um all jene, die Dom liebt, leiden zu lassen, sichtlich mit großer Freude und einiger Verve, die auch für Spaß im Publikum sorgte. Außerdem gibt es so in Rückblenden, die um neue Szenen ergänzt wurden, ein kurzes Wiedersehen mit Brian O’Conner also Paul Walker, der 2013 bei einem Autounfall ums Leben kam.

Mal eben den Vatikan sprengen

Ansonsten ist quasi alles beim Alten: Es werden neue Not-Allianzen geschmiedet; ein, zwei neue Charaktere eingeführt, wie unter anderem die Little Mrs. Nobody aka Tess (Brie Larson) oder Aimes (Alan Ritchson) als neuer Leiter der Agency, da Mr. Nobody (Kurt Russell) hier abwesend ist. Kurz tritt auch Scott Eastwood als Little Nobody auf, ist nach einem fingierten, wunderbar inszenierten Einsatz in Rom (hier versucht Dante den Vatikan in die Luft zu jagen — count us in) von der Bildfläche verschwunden. Dafür taucht Cipher bei Dom, Letty (Michelle Rodriguez) und Sohn Little Brian (Leo Abelo Perry), der hier ganz, ganz anders aussieht als im Vorgänger-Film, aber bei Fast & Furious ist mit genug Glauben eben alles möglich, auf und sagt, sie haben den Teufel gesehen. 

…und bringt gar Cipher (Charlize Theron) aus dem Konzept // © Universal Studios. All Rights Reserved.

Dass Jason Statham als Deckard Shaw zurückkehren würde, wussten wir dank einer Mid-Credit-Scene des neunten Teils, in der der totgeglaubte Han (Sung Kang) an dessen Tür klopft. Diese Szene wird hier erläutert und kurz zuvor gibt’s gar einen Kurzauftritt von Pete Davidson, der in London zum Bekanntenkreis von Ramsey (Nathalie Emmanuel aka Missandei) gehört. Ganz zum Schluss gucken gar Gal Gadot aus einem U-Boot in der Antarktis und Dwayne Johnson auf ein Handydisplay.

Laut aber inkonsequent

Meine Begleitung, die nur den neunten Film kannte, war hier und da etwas verwirrt, ob der vielen Menschen und des Applauses den Johnson im Publikum bekam — ich erläuterte dann kurz, dass die in diesen zwanzig Jahren auch mal dabei waren. Doch ist es schon so, dass die Fast & Furious-Filmreihe in ihrer eigenen Mythologie inzwischen so weit vorangeschritten ist, es so viele Insider gibt (von denen auch ich nur die Hälfte begreife — bis auf den ersten Film, habe ich alle nur einmal gesehen und dies jeweils, wenn sie aktuell waren) und alles sehr selbstreferentiell ist. Wer also versuchen will, zu verstehen, was da warum geschieht, ist aufgeschmissen, wenn die Person es nicht kennt. 

Ramsey (Nathalie Emmanuel) und Tej (Chris ‘Ludacris’ Bridges) in Rom – wo nicht alles läuft, wie gedacht // © Universal Studios. All Rights Reserved.

Andererseits, siehe oben: Familie, Glaube, WrummWrumm. Denn auch das kann festgehalten werden: Wer sich darauf einlassen möchte, dass es mittlerweile eher eine Mischung aus James Bond und The Avengers ist, was seit diversen Teilen auf die Leinwand gebracht wird (Drehbuch dieses Mal Dan Mazeau und Justin Lin, der als Regisseur von Louis Leterrier ersetzt wurde), hat Spaß. Dämlichen, nicht aber dummen, Spaß. Clever ist hier schon vieles, kreativ auch. Wenn auch inkonsequent: Manch ein dramatisch-tragischer Tod würde einem (vor-)vorletzten Teil gut stehen (der Film endet mit Cliffhanger und hier könnte durchaus das eine oder andere Leben auf dem Spiel stehen). Krachig bunt ist dies alles sowieso, die Spezialeffekte sind top und der krasse Sexismus der ersten zwei Filme wird seit vielen Jahren ebenfalls im Zaum gehalten.

Der Puls pumpt

Dies auch dank starker Frauenfiguren wie Letty, die die bisexuelle Michelle Rodriguez in acht der bisher zehn Teile verkörperte, oder der Antagonistin Cipher, eine Rolle, in der Charlize Theron auch mal wieder ordentlich zulangen darf. Und zugelangt wird hier. Dass bei Fast & Furios-Filmen die erste Actionsequenz bei vielen anderen Filmen das große Finale darstellen würde, ist mittlerweile Standard. Dass es zwischendurch Prügeleien unter Partners in Crime gibt, ebenso und dass irgendwer falsch spielt, sowieso.

Queenie (Helen Mirren) taucht kurz auf, um Dom (Vin Diesel) gut zuzureden // © Universal Studios. All Rights Reserved.

Der den Puls pumpende Score von Brian Tyler (Scream 5 und 6, 1883, 1923, Yellowstone, Ready or Not, …) sowie die Soundtrack-Musik mit ihrer Mischung aus Hip Hop, Pop, Reggaeton, Elektrorock und Latin tun ihr Übriges, um die Stimmung über die knapp zweieinhalb Stunden Laufzeit konstant hochzuhalten. Denn eines ist sicher: Langeweile kommt bei Fast X nicht auf. Jedenfalls nicht für jene, die derlei Filme mögen. Alle anderen sollten natürlich, wie auch in den vergangenen zwanzig Jahren, einen großen Bogen um den Film machen. 

JW

Fast & Furious 10 läuft ab dem 17. Mai 2023 als 2D und 3D-Version im Kino

Fast & Furious 10; USA 2023; Drehbuch: Justin Lin, Dan Mazeau, Regie: Louis Leterrier; Bildgestaltung: Stephen F. Windon; Musik: Brian Tyler; Darsteller*innen: Vin Diesel, Michelle Rodriguez, Tyrese Gibson, Ludacris, Nathalie Emmanuel, Charlize Theron, Jason Momoa, Jordana Brewster, Sung Kang, Jason Statham, Helen Mirren, John Cena, Scott Eastwood, Brie Larson, Rita Moreno, u v. a.; im Kino

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