How to Binge

Beitragsbild: Der Cast bei Drehende v. li. n. re.: Helgi Schmid (Rolle Roman), Vladimir Burlakov (Rolle Alexander), Nikeata Thompson (Rolle Theresa), Patrick Güldenberg (Rolle Berti), Ugur Kaya (Rolle Sami) // © ARD Degeto/Bernd Schuller

„Eventuell ist es eine eher unwoke Theorie von mir, aber insgesamt scheint Außenwirkung bei Männern ja doch eine größere Rolle zu spielen. Tragetuch-Vater, Cool-Dad, Sexy-Dad, CEO-Dad, Kumpel-Vater und wie sich das alles mit dem eigenen Verständnis von Männlichkeit verträgt, ist ja teilweise schon erstaunlich. Manchmal erstaunlich gut, aber manchmal auch erstaunlich nicht so gut.“ Da wollen wir der How to Dad-Drehbuchautorin Anneke Janssen doch direkt widersprechen. Das ist überhaupt nicht unwoke oder zumindest nicht unwahr: Da steckt mehr als nur ein wenig Beobachtungsgabe drin, selbst wenn vermutlich die meisten Angesprochenen das so nicht würden wahrhaben wollen.

„Bilingual cunnilingus“

Somit sind wir schon beim Ansatzpunkt der fünfteiligen Comedy-Serie, die ab heute in der ARD-Mediathek verfügbar ist und deren Grundkonzept auf einer israelischen Serie basiert (wie bei Euer Ehren übrigens). Über dieses hinausgehend wurde jedoch nichts übernommen, so die Produzentinnen Christina Christ und Tina Hechinger.

Berti (Patrick Güldenberg, li.) ist schockiert über Alexanders (Vladimir Burlakov) Weltbild // © ARD Degeto/Bernd Schuller

Dieses ist dabei auch recht fix erläutert: Vier Väter – Alexander (Vladimir Burlakov), Berti (Patrick Güldenberg), Roman (Helgi Schmid) und Sami (Ugur Kaya) und natürlich könnten die unterschiedlicher alle nicht sein – treffen sich wöchentlich in einer Tanzschule, in der ihre jeweiligen Kinder Tanzunterricht von Theresa (Nikeata Thompson) bekommen und diskutieren ihre Unterschiedlichkeiten in oft humor- und manchmal gefühlvollen Halb-Therapie-Sitzungen aus. Im Hintergrund dabei immer Samis ältere Tochter Sema (Acelya Sezer), die im Café des Studios arbeitet und vieles süffisant wie aus dem Off kommentiert. 

„Deutscher Planungswahn!“

Hinzu kommen immer wieder Einsprengsel aus dem „wahren“ Alltagsleben der vier Väter, das nicht selten im Kontrast zum eben Gesagten steht und damit das von ihnen vermittelte Vater- und Männlichkeitsbild konterkariert. Das ist durchaus zumeist witzig, auch da das Mittel nicht überbordend eingesetzt wird. Ach ja, und am Ende soll es einen Vater-Kind-Tanz geben – den im Grunde alle wollen, nur will’s kaum einer sagen, weil das ist ja unmännlich und so.

Berti (Patrick Güldenberg, re.) genießt das Familienleben mit Partner Raoul (Leonard Dick) // © ARD Degeto/Bernd Schuller

Diese Väter- und Männertypen sind am Start: High-Performer im Sabbatical Alexander, schwuler Weltverbesserungs-Stay-at-Home-Dad Berti, naiver und gutmütiger Kindskopf und Influencer Roman und vermeintlicher Macho aber doch mit weichem Kern Sami. Soweit, so erwartbar. Die Frage ist ja aber, was mensch draus macht. Und da lässt sich in Bezug auf das von Jakob Lass inszenierte How to Dad mit Fug und Recht behaupten: eine gemischte Angelegenheit.

„Über 100.000 Menschen in diesem Land sind intersexuell“

Zunächst einmal ist die Dynamik zwischen den vier Männern und auch jene im Zusammenspiel mit Nikeata Thompson und Acelya Sezer recht wunderbar; dass an mancher Stelle improvisiert wurde, ist der Teilzeit-Comedy im besten Sinne anzumerken. Ebenso tut es der Dynamik gut, dass die Serie wohl größtenteils chronologisch gedreht wurde. Es gibt organische wirkende Wortwechsel, die sich hervorragend steigern und durchaus hintergründigen Spaß bieten.

Sami (Ugur Kaya, re.) ist skeptisch gegenüber den anderen Vätern (Hinterkopf von Roman – Helgi Schmid) // © ARD Degeto/Bernd Schuller

Dann wiederum gibt es jene Momente, die eher cringe sind; dies leider nicht, weil Alexander (den Burlakov wunderbar gibt) mal wieder ein wenig zu sehr das Mindset right rücken will, sondern weil das Buch (neben erwähnter Anneke Janssen auch von Richard Kropf, beide Grimme-Preisträger*innen im Übrigen) auf Teufel komm raus entweder eine sich schon vor Jahren angekündigte Pointe raushauen oder eine wirklich wichtige, weltverändernde Message rüberbringen wollen. Gut gemeint ist nicht immer… und so weiter.

Ob in How to Dad darüber hinaus wirklich so nachhaltig an Männlichkeitsbildern und Genderklischees geschraubt wird, wie in der Ankündigung und im kurzweiligen Presseheft behauptet, darf hinterfragt werden. Sicherlich ist es zu begrüßen, diverse dahingehende Thematiken so wie in der ersten Folge anzusprechen und das mag bei manchen, die dem völlig fern sind, das ein oder andere Nachdenken anregen… Ob’s aber wirklich verfängt (vor allem wenn’s so holprig und mit Hämmerchen kommt), steht auf einem anderen Blatt.

„Du hast nen Otter gesehen und willst jetzt einen kaufen?“

Platz für gesellschaftsrelevante Aussagen bieten die fünf Folgen mit jeweils einem Kernthema – Körperkult und Identität; Schule, Bildung und Zukunftschancen; Sex inner- und außerhalb der Ehe; Medizin und Wissenschaft; finaler Tanz – durchaus und teils wird das auch ganz clever und in der Tat mit Spaß verbunden genutzt. Es gibt reichlich Gelegenheit zum Lautlachen.

Sami (Ugur Kaya, hinten li.) und seine Tochter Sema (Acelya Sezer, hinten re.) schauen zu: Berti (Patrick Güldenberg, li.) lässt sich auf ein Plank-Battle mit Alexander (Vladimir Burlakov, 2. v. li.) und Roman (Helgi Schmid, 3. v. li.) ein // © ARD Degeto/Bernd Schuller

Demgegenüber stehen diverse Momente, die nicht funktionieren: Es gibt manch einen Austausch, der eben nur in Serien aka auf dem Papier stattfinden würde, was bei einer Sendung, die möglichst nah am Leben sein soll, dann doch irritiert. Ebenso sind die Folgen sehr durchwachsen – weshalb dringend Binge-Watching empfohlen wird, sonst könnte mensch sich mehrmals überlegen, dranzubleiben und so möglicherweise die wirklich wunderbare und nahezu perfekte dritte Folge zu verpassen (hier wurde die Serie über drei Abende verteilt geschaut und es war teilweise eine harte Abwägung; aber wir brechen selten Dinge ab, zumal sie ja nicht schlecht ist, nur ein wenig… behäbig)

„Verstauchungen sind nicht ansteckend“

Interessant ist jedenfalls auch der Inhalt der vierten Folge – „Du gehörst also auch zu denen, die Meinung und Wissenschaft nicht auseinanderhalten können“ -, die aber leider so lustig ist wie Clemens Fuest. Außerdem wirkt es befremdlich, dass die Gruppe an einer Stelle über eigene Mobbing- und Ausgrenzungserfahrungen spricht, es aber dennoch nicht schafft aufzuhören, auf Romans vermeintlicher Dummheit rumzuhacken; leichte Ziele und so, was?

Die Tanzlehrerin Theresa (Nikeata Thompson) findet im Gegensatz zu den Väter immer die richtigen Worte // © ARD Degeto/Bernd Schuller

Das mag zwar für reichlich Lacher sorgen können und doch wundert mensch sich, wieso die Serie nicht damit endet, dass Roman sie alle niedermetzelt. Er ist halt ein gutmütiger Bub. Überhaupt gibt es diverse Charakterinkongruenzen, aber ja mei (gedreht wurde übrigens in München), über die lässt sich jedoch durchaus hinwegsehen.

Denn in den meisten Momenten bringt es schon allein Freude, dem Spiel der vier Jungs zuzuschauen und auch Nikeata Thompson, hier in ihrer ersten TV-Hauptrolle, bringt viel, viel Spaß und verknüpft diesen noch mit Vernunft, dabei ist ihr Spiel auf den Punkt. Ebenso sind auch das wirklich zauberhafte Ende von How to Dad sowie eine solide Pointe Punktlandungen und machen so manches wett, das hier und da wackelt.

JW

PS: Angemerkt sei, dass wir vermutlich auch nicht die Kernzielgruppe von How to Dad sind.

PPS: Immer schön Lisa Bitter zu sehen.

Endlich mal Väter! // © ARD Degeto/Keshet Tresor Fiction

How to Dad ist vom 10. Juni 2022 bis zum 2. Februar 2023 in der ARD-Mediathek verfügbar

How to Dad; Deutschland 2022; Regie: Jakob Lass; Drehbuch: Richard Kropf, Anneke Janssen (basierend auf dem Keshet Originalformat von Eran B.Y., Jonni Zicholtz, Omri Amit, Adar Meirom und Yoav Gross); Kamera: Teresa Kuhn; Musik: Jen Bender, Raphael Schalz; Produzent*innen: Christina Christ, Axel Kühn, Tina Hechinger; Darsteller*innen: Vladimir Burlakov, Patrick Güldenburg, Helgi Schmid, Ugur Kaya, Nikeata Thompson, Acelya Sezer, Lisa Bitter, Leonard Dick, Lilou Copeland, Latife Genc, Paula Löschnig, Ari Weinkauf, Eliah Weinkauf, Agnes Decker, Gonca de Haas, Ulrike Willenbacher, Victoria Maschek, Melanie Leyendcker; fünf Folgen à ca. 30 Minuten; Eine Produktion von Keshet Tresor Fiction im Auftrag der ARD Degeto für die ARD Mediathek 

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