„Am Ende gewinnt immer die Straße“

Wie alle anderen Städte musste auch Köln dieses Jahr auf seinen Straßenkarneval verzichten. Oder wurde, je nach Perspektive, davon verschont. Was es allerdings gibt wie eh und je ist Obdachlosigkeit. Der Tatort: Wie alle anderen auch mit Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) nimmt sich diesen Sonntag der Thematik an und spricht darüber hinaus eine weitere Reihe von sozialen Problemen an.

The night is dark and full of terrors

Im Mittelpunkt steht dabei eine junge Frau, die vor massiven Problemen steht. Nach einem… sagen wir mal ziemlich heftigen Beziehungsstreit landet Ella Jung (Ricarda Seifried) auf der Straße, wo sie von der erfahrenen Monika Keller (Rike Eckermann) unter ihre Fittiche genommen wird. Im Domcafé (grandios der den Tatort: Gefangen überlebt habende Jütte (Roland Riebeling): „Du wirst es nicht glauben: Das ist am Dom.“) trennen sich die Wege der beiden Frauen, als Ella den Tellerwäscher Axel (Niklas Kohrt) überredet, bei ihm die Nacht verbringen zu dürfen. Das ist nix für Monika, die an einen ihrer Stammplätze geht, um dort die Nacht zu verbringen.

Kommissar Norbert Jütte (Roland Riebeling) telefoniert am Rheinufer noch mit seinen Vorgesetzten und berichtet über die Lage am Dom. // © WDR/Martin Valentin Menke

Am nächsten Tag ist sie jedoch tot, vermeintlich mit Schnaps übergossen und verbrannt. Ballauf und Schenk müssen nun ermitteln, was Ella mit dem Tod ihrer Kurzzeitmentorin zu tun haben könnte oder die eine oder andere weitere obdachlose Frau, die durch die Domstadt zieht.

Frauen in Problemen

Wie bereits in der letzten Woche im Polizeiruf 110: Sabine aus Rostock behandelt der Tatort: Wie alle anderen auch soziale Probleme und stellt eine junge Frau in den Mittelpunkt, kommt allerdings von einer ganz anderen Perspektive als der Kollege von der Ostsee. Diesmal geht es um Menschen – ganz besonders Frauen – am Existenzminimum oder darunter, es geht um Mieten, die sich die Frauen nicht leisten können, um häusliche und sexuelle Gewalt und allgemein die Rauheit der Straße. Das Team um Regisseurin Nina Wolfrum und Autor Jürgen Werner nimmt sich also erneut einer sozialen Thematik an, vor der viele gerne wegsehen.

Ella Jung (Ricarda Seifried) lebt jetzt auf der Straße – und hat bei einem Fremden Unterschlupf gefunden. Ob sie wirklich sicher ist? // © WDR/Martin Valentin Menke

Und auch hier tritt, wie in der Vorwoche, der eigentliche Fall eher in den Hintergrund, allerdings nicht mit dem gleichen Reichtum an Action und Spannung wie bei Sabine. Hier verzichten die Macher auf eine lange Vorgeschichte – diese ist innerhalb von etwa zwei Minuten erzählt – und die atmosphärische Düsterheit, die Sabine hatte, fehlt hier gänzlich. Die Wendung, die am Ende zur Lösung des Falles führt, ist ebenfalls typisch und vorhersehbar, illustriert die Problematik der Obdachlosigkeit und des Lebens am Existenzminimum aber noch einmal zusätzlich.

Empathie hat hier ihre Grenzen

Die Kommissare Ballauf und Schenk sowie Adjutant Jütte scheinen zwar ein mehr oder weniger gutes und soziales Gewissen zu haben, gehen die Ermittlungen auch halbwegs strukturiert und empathisch an. Ausgerechnet als es gegen Ende aber zum Dialog mit Ella kommt wandelt sich das Verständnis allerdings eher in ein „Aha. Joa, machen se ma weiter, viel Glück.“ Das steht in starkem Kontrast zu der wieder sehr anschaulichen und bewegenden Abschlusssequenz, in der die Macherinnen und Macher die Gesichter von realen auf den Kölner Straßen lebenden Menschen einblenden.

Regine Weigand (Hildegard Schroedter) leitet ein Café für Menschen, die kein eigenes Zuhause haben. Die Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, links) und Freddy Schenk (Dietmar Bär, rechts) haben sie gerade darüber informiert, dass Monika Keller tot aufgefunden wurde. Die obdachlose Frau war Stammgast im Café. // © WDR/Martin Valentin Menke

Alles in allem ist der Tatort: Wie alle anderen auch aber trotz mancher Längen eine gute und bewegende Unterhaltung zum Sonntagabend und erfüllt einmal mehr den Anspruch der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, soziale Missstände in die Debatte einzubringen. Großes Kino ist er allerdings leider nicht.

Tatort: Wie alle anderen auch: Heute um 20:15 Uhr im Ersten, um 21:45 Uhr auf one und für sechs Monate in der ARD-Mediathek verfügbar.

Tatort: Wie alle anderen auch; Deutschland, 2020/2021; Regie: Nina Wolfrum; Drehbuch: Jürgen Werner; Kamera: Katharina Diessner; Musik: Olaf Didolff; Darsteller*innen: Klaus J. Behrendt, Dietmar Bär, Joe Bausch, Roland Riebeling, Tina Fürst, Ricarda Seifried, Niklas Kohrt, Jana Julia Roth, Rike Eckermann, Hildegard Schroedter, Dana Cebulla; Laufzeit ca. 86 Minuten; Eine Produktion der Bavaria Fiction GmbH, Niederlassung Köln (Jan Kruse) im Auftrag des WDR für das Erste.

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